Wenn Resilienz wichtiger wird als Kooperation Energiesicherheit statt Klimaversprechen: Die Realität der Energiewende

Siemens-Studie: Energiesicherheit wird zum Leitmotiv der Energiewende. Resilienz, Digitalisierung und KI sichern den Wandel – nicht mehr nur Klimaziele.

Bild: iStock, metamorworks
28.10.2025

Weniger Idealismus, mehr Resilienz: Eine neue Siemens-Studie zeigt, dass Energiesicherheit Klimaziele als Hauptantrieb der Energiewende verdrängt. Nationale Resilienz, digitale Steuerung und KI entwickeln sich zu entscheidenden Faktoren für stabile Energiesysteme.

Während sich die Staats- und Regierungschefs der Welt auf die COP30 in Brasilien vorbereiten, zeigt eine neue globale Studie von Siemens, dass geopolitische Faktoren die Infrastrukturstrategien weltweit neu formen. Dabei hat sich nationale Energiesicherheit als wichtigster Treiber der Energiewende etabliert und löst die globale Klimakooperation als Priorität ab. Laut dem „Siemens Infrastructure Transition Monitor 2025“ sollte eine widerstandsfähige Energieversorgung das wichtigste staatliche Ziel des Infrastrukturwandels sein. 2023 rangierte dieser Aspekt noch auf Platz 3. Gleichzeitig rücken die nationale Energieunabhängigkeit und ein proaktives Management von Klimarisiken besonders stark in den Vordergrund.

Energie-Resilienz und -Unabhängigkeit wichtiger als Klimaschutz

Die zunehmende globale Instabilität verstärkt die Volatilität von Märkten und Lieferketten. Um zu verhindern, dass die Energieversorgung als geopolitisches Druckmittel verwendet wird, setzen Regierungen weltweit neben Maßnahmen zum Klimaschutz verstärkt auf Sicherheit, Unabhängigkeit und Vorsorge.

Die Studie, die auf einer weltweiten Befragung von 1.400 Führungskräften und Regierungsvertretern aus 19 Ländern basiert, verdeutlicht einen grundlegenden Wandel: weg von einer multilateralen Vision sauberer Energie, hin zu einem Ansatz, der zunehmend auf nationale Widerstandsfähigkeit und regionale Produktion ausgerichtet ist. Angesichts der wachsenden Belastungen öffentlicher und privater Energiesysteme durch klimatische, geopolitische und marktbezogene Herausforderungen kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Energieresilienz heute als wesentliche Voraussetzung für die Energiewende angesehen wird – und nicht als Gegensatz dazu.

„Der Infrastrukturwandel tritt in eine neue Phase ein, in der die nationalen Ziele der Energiesicherheit wichtiger sind als die globale Zusammenarbeit zur Dekarbonisierung. Angesichts zunehmender Klima- und Energieherausforderungen ist Resilienz keine Option, sondern Notwendigkeit. KI, Technologie und Digitalisierung spielen dabei eine zentrale Rolle. Denn sie versetzen Unternehmen und Regierungen in die Lage, komplexe erneuerbare Energiesysteme effizient zu steuern, eine zuverlässige Versorgung sicherzustellen und den Übergang zu sauberer Energie smarter und nachhaltiger voranzutreiben“, erklärt Matthias Rebellius, Mitglied des Vorstands der Siemens AG und CEO von Smart Infrastructure.

Von der globalen Transformation zur nationalen Resilienz

Mehr als drei von fünf Befragten (62 Prozent) sind überzeugt, dass künftige Energiesysteme stärker auf lokale oder regionale Produktion angewiesen sein werden – und weniger auf den globalen Handel. Zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren zählen die Einbindung erneuerbarer Energien, ausreichende Speicherkapazitäten sowie moderne Stromnetze. Bereits heute geben über die Hälfte der Befragten an, dass Resilienz (53 Prozent) und Energieunabhängigkeit (52 Prozent) in ihren Ländern fortgeschritten oder weit entwickelt sind – ein deutliches Zeichen dafür, dass sich die infrastrukturellen Prioritäten spürbar verlagern.

Schwindendes Vertrauen in die Erreichung von Klimazielen

Während Resilienz und Energiesicherheit zunehmend an Bedeutung gewinnen, schwindet das Vertrauen, die globalen Klimaziele erreichen zu können. So rechnet mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Führungskräfte weltweit in den kommenden zwei Jahren mit steigenden Investitionen in fossile Brennstoffe. Zugleich sind nur noch 37 Prozent der Unternehmen davon überzeugt, dass sie ihre Dekarbonisierungsziele bis 2030 erreichen werden – ein Rückgang gegenüber 44 Prozent im Jahr 2023.

Ein Weckruf vor der COP30

Angesichts des sinkenden Vertrauens in die Klimaziele und der laufenden Strategieentwicklung für 2026 warnt der Report: Wenn Resilienz nicht von Anfang an in die Energieplanung integriert wird, drohen ökonomische und ökologische Rückschläge. Während die Regierungen ihre Netto-Null-Strategien mit sozialen und wirtschaftlichen Zielen in Einklang bringen, betont Siemens, dass Netzinvestitionen und digitale Innovationen sowohl die Erreichung der Klimaziele als auch die Steigerung der Energieresilienz beschleunigen können.

KI beschleunigt den Wandel

Während sich nationale Energiestrategien weiterentwickeln, bleiben digitale Technologien das Herzstück des Infrastrukturwandels. Laut der Studie ist die Digitalisierung der zweitwichtigste Faktor zur Beschleunigung der Energiewende in der Industrie – direkt hinter dem Ausbau von Energiespeichern. Besonders KI wird dabei der größte positive Einfluss zugeschrieben: 66 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass KI die Widerstandsfähigkeit kritischer Infrastrukturen stärkt. 59 Prozent der Befragten geben an, dass ihre Unternehmen KI bewusst einsetzen, um ihre Betriebe zu dekarbonisieren.

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