Hand in Hand mit deutschen Unternehmen erarbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler passgenaue Lösungen für die konkreten Herausforderungen der Energiewende. Auf der Jahrestagung des ForschungsVerbunds Erneuerbare Energien, die am 7. und 8. Oktober im Berliner Umweltforum stattfand, präsentierten Forschende und ihre Partner aus Industrie, Stadtwerken und Verbänden ihre aktuellen Projekte. Diese tragen zur Wertschöpfung am Wirtschaftsstandort Deutschland bei und schaffen zukunftsfähige Arbeitsplätze. Unter dem Motto „Energieforschung für den Wirtschaftsstandort Deutschland“ stellten auch Spin-offs aus der Wissenschaft ihre Ausgründungen vor.
„Die deutschen Unternehmen für grüne Technologien und Dienstleistungen befinden sich in einem harten internationalen Wettbewerb. Die Innovationen aus unseren Energieforschungsinstituten bieten ihnen hier klare Wettbewerbsvorteile und stärken so den Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagt Tagungsleiter Hans-Peter Ebert vom Center for Applied Energy Research. Der zweite Tagungsleiter Mario Ragwitz vom Fraunhofer IEG bestätigt: „Die Energieforschung spielt eine entscheidende Rolle für das Erschließen der global wachsenden Märkte für Green-Tech. Forschung ist der Innovationstreiber bei der Produktion zentraler Energiewende-Technologien wie Solarzellen, Windenergieanlagen, Power-to-X-Anlagen oder Energiespeichern und bringt die Digitalisierung der Energieversorgung voran.“
Perspektiven von Politik und Wirtschaft
In ihren Grußworten betonen sowohl Abteilungsleiterin Stephanie von Ahlefeldt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie als auch Abteilungsleiter Stefan Müller vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt den wichtigen industriepolitischen Beitrag der Energieforschung. Dennis Rendschmidt stellt die Industrieperspektive vor. Der Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Power Systems zeigt auf, welche Unterstützung die deutschen Maschinenbauunternehmen von der Forschung benötigen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Key-Note-Speakerin Britta Buchholz ist Vizepräsidentin für aktive Verteilnetze bei der Hitachi Energy Germany AG und treibt in dieser Rolle weltweit Fortschritt für die Energietransformation voran. Als Vorsitzende im Beirat des 8. Energieforschungsprogramms des Bundeswirtschaftsministeriums, als Vorsitzende der Energietechnischen Gesellschaft im VDE und als Mitglied des VDE-Präsidiums ist sie bestens vernetzt. Sie weiß, dass die anstehenden Aufgaben nur gemeinsam gelöst werden können: „Wir müssen dringend das Energiesystem auf die zukünftigen Herausforderungen vorbereiten. Hierzu ist angewandte Forschung wichtig – neue Betriebsmittel und Betriebskonzepte müssen mit Partnerschaften gemeinsam so entwickelt werden, dass sie erfolgreich implementiert und über Deutschland hinaus skaliert werden können.“
Auf der Tagung berichten dementsprechend verschiedene Akteure aus der Wirtschaft über ihre Kooperationen mit der Energieforschung: Stefan Mecke von Salzgitter stellt Neues für die wasserstoffbasierte Stahlerzeugung vor, Harald Jahnke von den Stadtwerken Prenzlau erläutert, wie leistungsfähige Optimierungswerkzeuge die Transformation für grüne Fernwärme unterstützen, und Bernhard Wern vom IZES untersucht, wie kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) mithilfe von Biomasse ihren Prozessenergiebedarf klimaneutral decken können.
Start-Ups und Transformationspfade für die Industrie
Aus Forschung entstehen immer wieder marktfähige Ideen, mit denen junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Unternehmen gründen. Start-ups präsentierten Lösungen für die Flexibilisierung von Biogasanlagen mittels KI, für eine hocheffiziente Abwärmenutzung sowie für ultraleichte Batterien, die in Lkws und Flugzeugen verbaut werden können.
Der Präsident des Wuppertal Instituts, Manfred Fischedick, entwirft einen möglichen Transformationspfad hin zu einem klimaneutralen Industriesektor. Er stellt die dafür notwendigen Technologien und Infrastrukturen vor und thematisiert auch die erforderlichen politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen, damit der Industriestandort Deutschland den Herausforderungen erfolgreich begegnen kann. Auf dieser Basis leitet er konkrete Anforderungen an die Energieforschung ab.
Forschung für eine wirtschaftlich erfolgreiche Stromwende
Sebastian Nold vom Fraunhofer ISE stellt eine ganze Reihe erfolgreicher Technologietransfers in die Photovoltaikindustrie vor. Diese können beim Aufbau neuer Fertigungslösungen das Umsetzungsrisiko für die deutschen Maschinenbauer senken.
Eva Unger vom Helmholtz-Zentrum Berlin informiert über Solar TAP, eine Innovationsplattform der Helmholtz-Gemeinschaft. In diesem Netzwerk von Forschungsinstituten und Industriepartnern werden neue Technologien für Photovoltaik-Anwendungen mit Mehrfachnutzen entwickelt. Der Fokus liegt dabei auf technologischem Transfer, wirtschaftlicher Skalierbarkeit und systemübergreifender Anwendung.
Für Deutschland als Industriestandort ist Batterieforschung entlang der gesamten Wertschöpfungskette von strategischer Bedeutung. Dies betrifft alle Schritte von der Materialentwicklung und Prozessoptimierung über industrielle Hochskalierung bis hin zu nachhaltigen Recyclingstrategien. Isabelle Südmeyer vom KIT stellt den aktuellen Stand der Forschung vor.
Auch die Windenergie-Forschung arbeitet eng mit der Industrie zusammen. Jan Teßmer vom DLR berichtet über Industriekooperationen wie den Forschungswindpark WiValdi mit Enercon, das Forschungstestfeld WINSENT in bergigem Gelände und die wissenschaftliche Begleitung industriell ausgerichteter Projekte im Zentrum für Windenergieforschung ForWind.
Bei der Planung und Installation von Offshore-Windparks bestehen sehr hohe technische Risiken. Gino Frielinghaus vom Fraunhofer IWES zeigt, welchen Beitrag die Forschung zur Baugrunderkundung zur Risikominimierung leistet. Der marine Untergrund wird mit innovativen, hochauflösenden Verfahren untersucht, sodass kritische Strukturen wie Gasschichten, Findlinge und Sedimentgrenzen präzise erfasst werden. So können etwaige Installationshindernisse frühzeitig erkannt und Installationsabbrüche vermieden werden, was nachweisbare Kosteneinsparungen ermöglicht.
Die Energieinformatik erforscht, wie in der Energiewirtschaft eine höhere Datensouveränität erreicht werden kann und ob sich dadurch sogar Effizienzgewinne erzielen lassen. Linda Rülicke vom Fraunhofer IEE präsentiert Lösungen, die Datenräume so gestalten, dass sie die wachsende Menge von Energiedaten aus erneuerbaren Quellen effizient aufnehmen, verarbeiten und sicher austauschen können.
Fortschritt für eine effiziente Wärmewende
In einem gemeinsamen Beitrag untersuchen das Fraunhofer ISE und Vaillant, wie die Forschung die deutsche und europäische Wärmepumpenindustrie unterstützen kann. Die Autoren zeigen, wie Innovationen in den Bereichen Materialien, Komponenten, Systemintegration und Digitalisierung dazu beitragen können, Wertschöpfung und Fertigung in Europa zu erhalten.
Bastian Büttner vom CAE untersucht für die Wärmewende im Quartier, wie die Innovationen aus der Forschung mit industrieller Wertschöpfung ineinandergreifen und wie die Immobilienwirtschaft und die lokale Politik zur Umstellung auf eine dekarbonisierte Quartierswärmeversorgung beitragen können, um regionale wirtschaftliche Impulse zu setzen.
In der Industrie bietet die Steigerung der Effizienz thermischer Prozesse ein großes Potenzial für Wettbewerbsvorteile. Peter Osgyan vom ZAE zeigt, dass durch innovative Wärmedämmung in Prozessstätten und beim Transport wesentliche Energieeinsparungen möglich sind. Darüber hinaus kommen auch weitere Effekte zum Tragen, wie beispielsweise die Reduzierung von Ausschuss in der Glasindustrie. Durch die zeitliche Prozessverschiebung sind andere Modelle des Energiebezugs möglich, wie zum Beispiel zu- oder abgeschaltete Verbraucher je nach aktuellem Strompreis oder die Teilnahme am Day-Ahead-Markt.
Forschung für klimaneutrale stoffliche Energieträger
Unter dem Motto „Elektrolyse made in Baden-Württemberg“ wird eine erfolgreiche Kooperation vorgestellt, die die Elektrolysestack-Technologie vom ZSW in Stuttgart bis zur Anwendung beim Automobilzulieferer EBZ SysTec transferiert.
Auch in einer Untersuchung zu Strukturwandelregionen geht es um Wasserstoff. Jens Artz vom Forschungszentrum Jülich zeigt auf, wie eine neue Wasserstoffwirtschaft den Strukturwandel beschleunigen und dabei sowohl Arbeitsplätze als auch die Energieversorgung langfristig sichern kann. So kann eine Kohleregion zu einer Demonstrationsregion für die Speicherung, den Transport und die Freisetzung bzw. Nutzung von Wasserstoff werden.
René Backes vom DBFZ entwirft ein Zukunftspanorama für die Bioökonomie. Biomasse hat den großen Vorteil, dass sie zeitlich völlig flexibel einsetzbar ist. So leistet sie einen wesentlichen Beitrag zu einer stabilen, klimaneutralen Energieversorgung. Durch ihre Transformation in Methan, Methanol, Wasserstoff oder Kohlenstoff wird sie gut lagerfähig und es ergeben sich neue stoffliche Anwendungen.