Für eine nachhaltige Energiezukunft und die Dekarbonisierung der Industrie sollen grüner Wasserstoff und Ammoniak entscheidend sein. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet eine neue interaktive Karte, die geeignete Standorte für die Ammoniakproduktion in Kenia identifiziert. Der Kenya PtX-Atlas wurde vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (IESE) auf Basis eines Reports entwickelt, der in Zusammenarbeit mit der H2Global Stiftung und der Strathmore University in Kenia erstellt wurde. Der Atlas ist Teil des vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVIT) mit 4,2 Millionen Euro geförderten Projekts „H2Global meets Africa“. Dieses wird gemeinsam von Fraunhofer IEE, der H2Global Stiftung und der OTH Regensburg durchgeführt.
Werkzeug zur Bewertung von PtX-Standorten
Der Atlas dient als datenbasiertes Werkzeug zur Förderung lokaler Wertschöpfung, internationaler Investitionen und einer klimaneutralen Energieversorgung. Die Umstellung auf eine klimaneutrale Energieversorgung ist ein globales Vorhaben. Um ambitionierte Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sind internationale Zusammenarbeit und verlässliche Investitionsbedingungen entscheidend.
Als Open-Data-Tool unterstützt der Kenya PtX-Atlas diese Strategie, indem er das techno-ökonomische Potenzial für die Herstellung von grünem Ammoniak in Kenia erstmals umfassend visualisiert. Die öffentlich zugängliche Karte richtet sich an politische Entscheidungsträger:innen, Energieunternehmen, Projektentwickler und Investoren in Kenia, Europa und weltweit. Auch Privatpersonen können das Tool nutzen, um die Eignung und potenzielle Wertigkeit eigener Flächen zu prüfen. Das Ziel besteht darin, Investitionen auf wissenschaftlich fundierter Grundlage anzustoßen und partnerschaftliche Strukturen zu fördern.
„Der Kenya PtX Atlas liefert wichtige Daten. In Kombination mit dem Engagement lokaler Interessengruppen, deren Wissen und kritischer Analyse kommt er besonders gut zur Geltung, wie der Ammoniak-Report von H2Global für Kenia zeigt. Dieser integrierte Ansatz ist unerlässlich, um das volle Potenzial von Wasserstoff zu verstehen und fundierte Entscheidungen in Politik und Privatwirtschaft zu ermöglichen“, sagt Susana Moreira, Executive Director der H2Global-Stiftung.
Standortanalyse für globale Energiepartnerschaften
Die im Kenya PtX-Atlas dargestellten Daten und Analysen basieren auf dem Report „Renewable Ammonia: Kenya’s Business Case“, der von der H2Global-Stiftung initiiert und geleitet wurde. Im Rahmen dieser gemeinsamen Initiative übernahm das Fraunhofer IEE die GIS-gestützte Standortauswahl und -verbesserung. Die H2Global Stiftung führte die Finanzanalyse durch und die Strathmore University unterstützte den Prozess, indem sie die Einbindung relevanter kenianischer Akteure ermöglichte. Die Analyse folgt der Wasserstoffstrategie Kenias von 2023, die erneuerbaren Wasserstoff als strategische Chance für eine nachhaltige sozioökonomische Entwicklung identifiziert.
Ziel des Reports war es, konkrete Geschäftsmodelle für die Produktion und Nutzung von grünem Ammoniak in Kenia zu untersuchen und so die Projektentwicklung im Einklang mit den nationalen Ambitionen zu fördern. „Mit dem Kenya PtX-Atlas schaffen wir Transparenz über konkrete Geschäftsmodelle für grünen Ammoniak in Kenia auf Grundlage regionaler Daten, ökonomischer Analysen und strategischer Marktabschätzungen”, sagt Christoph Zink, der das Projekt am Fraunhofer IEE leitet.
Ein zentrales Element des Kenya PtX-Atlas ist die Land Suitability Analysis. Mithilfe dieser Analyse wird die Eignung potenzieller Standorte für Wind-, Solar- und Hybridanlagen detailliert bewertet. Dazu werden einzelne Flächenpixel anhand von über 30 technischen Ausschluss- und Bewertungskriterien analysiert und auf einer Skala von 0 bis 100 bewertet. Die Aggregation auf County-Ebene bietet zusätzlich eine übersichtliche Darstellung der regionalen Potenziale, die nach Energietyp filterbar ist. Mithilfe dieser differenzierten Standortbewertung können geeignete Flächen für die nachhaltige Produktion von grünem Ammoniak präzise identifiziert werden.
Vier Regionen mit großem Potenzial für grünen Ammoniak
Im Zentrum des Reports „Renewable Ammonia: Kenya’s Business Case” stehen vier Regionen, die aufgrund ihrer natürlichen Ressourcen und infrastrukturellen Voraussetzungen besonders geeignet sind: Dies sind Turkana Central und Turkana South im Norden des Landes nahe dem Turkana-See, die Region Kisumu am Victoriasee sowie die Greater Mombasa Region an der Küste des Indischen Ozeans.
Mithilfe einer GIS-gestützten Potenzialanalyse und standortscharfer Simulationen der Wind- bzw. PV-Einspeisung unter Verwendung historischer Wetterdaten wurden Modellrechnungen zur wirtschaftlichen Produktion von grünem Ammoniak durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen: Die Gestehungskosten liegen zwischen 941 Euro/t NH3 (Turkana South) und 2.743 Euro/t NH3 (Kisumu). Obwohl diese Werte noch über denen konventionell erzeugter, fossilbasierter Ammoniakprodukte liegen, kommt der Report zu dem Schluss, dass sich durch die Weiterverarbeitung zu Düngemitteln rentable Märkte im Inland erschließen lassen. Dadurch wird nicht nur ein Beitrag zur lokalen Wertschöpfung geleistet, sondern auch zur Resilienz gegenüber globalen Preisschwankungen.
Open-Data-Tool für Projektentwicklung und politische Entscheidungsfindung
Der Kenya PtX-Atlas wird als Open-Data-Tool frei zugänglich gemacht. Er ermöglicht standortgenaue Abfragen zu Erzeugungskosten, Volllaststunden oder lokalen Ressourcen und dient somit als zentrale Entscheidungsgrundlage für die Planung und Entwicklung von PtX-Projekten – für lokale ebenso wie für internationale Akteure.
Langfristig soll das Tool zur Förderung einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe beitragen. Mithilfe des Kenya PtX-Atlas wurde eine datenbasierte Grundlage geschaffen, um vor Ort Strategien zur Wasserstoffwirtschaft zu entwickeln und Investitionen gezielt zu steuern. Gleichzeitig eröffnet sich Europa eine neue Perspektive für den Import klimaneutraler Energieträger, um die eigenen Klimaziele zu erreichen und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Das Fraunhofer IEE sieht Potenzial, das zugrunde liegende Konzept auch auf andere Länder und Regionen zu übertragen. „Vergleichbare Potenzialanalysen ließen sich entsprechend entwickeln und anwenden. Mit dem Kenya PtX-Atlas wollen wir eine transparente Grundlage für eine verlässliche und nachhaltige internationale Zusammenarbeit schaffen”, erklärt Christoph Zink.
Afrikas Energiewende mitdenken
Ein wesentliches Ziel besteht darin, grüne Wasserstoffprodukte nicht nur als Exportgut, sondern auch als Impulsgeber für eine nachhaltige Energiewende in den Partnerländern zu betrachten. In Kenia kann die PtX-Produktion die lokale Defossilisierung unterstützen, etwa durch den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung, neue industrielle Anwendungen und die Schaffung lokaler Wertschöpfung auf Basis heimischer Ressourcen wie Ammoniak oder Stahl. Der Kenya PtX-Atlas macht deutlich, dass grüner Ammoniak nicht nur ein Exportprodukt ist, sondern auch ein Hebel für eine nachhaltige Industrialisierung und Energiesouveränität in Kenia sein kann. Die Visualisierung konkreter Potenziale legt dafür den Grundstein.
Der Kenya PtX-Atlas ist ein erster wichtiger Schritt, um internationale Potenziale für Power-to-X-Anwendungen systematisch, transparent und datenbasiert darzustellen. Perspektivisch besteht die Option, den Atlas auf weitere Länder, Regionen oder alternative PtX-Pfade auszuweiten, um so noch breitere Anwendungsmöglichkeiten aufzuzeigen und die „Energymaps“-Produktpalette des Fraunhofer IEE sukzessive zu erweitern. Ziel ist es, die Plattform kontinuierlich weiterzuentwickeln und neue Erkenntnisse in die internationale Zusammenarbeit einzubringen.