Agri-Photovoltaik-Forschungsanlage

Wie lassen sich Stromerzeugung und Ackerbau bestmöglich verbinden?

Unter den bis zu zehn Metern hohe Stelzenkonstruktion, können branchenüblichen Traktoren ohne Probleme hindurchfahren.

Bild: Universität Hohenheim / Thomas Klink
07.11.2025

Agri-Photovoltaik kann ein wichtiger Baustein der Energiewende sein und zugleich helfen, die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegen Klimastress zu machen. Wie sich die Anlagen und Landwirtschaft bestmöglich auf einer gemeinsamen Fläche verbinden lassen, wird an der Universität Hohenheim in Stuttgart ab sofort auf einer 3.600 m2 großen Forschungsanlage am Ihinger Hof in Renningen untersucht. Ein Ziel der Forschenden ist es, angepasste Sorten für den Agri-PV-Anbau zu identifizieren und passende Fruchtfolgen zu entwickeln.

Landwirtschaft und erneuerbare Enegie teilen sich eine Fläche: In der Forschungsanlage sind PV-Module sind auf einer bis zu zehn Meter hohen Stahlkonstruktion installiert und erbringen eine Nennleistung von 218 kWp. Zu erwarten ist ein jährlicher Stromertrag von rund 200.000 kWh. Neben ökonomischen und ökologischen Fragestellungen wollen die Forschende insbesondere die Auswirkungen auf Anbaupflanzen besser verstehen.

Ziel sind unter anderem angepasste Sorten und Fruchtfolgen sowie praktische Empfehlungen für den Agri-PV-Anbau. Planung und Bau konnten durch eine finanzielle Zuwendung des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) realisiert werden. Die Anlage ist Teil der Modellregion Agri-PV Baden-Württemberg und wurde heute mit Staatssekretärin Sabine Kurtz offiziell eingeweiht.

Boden schon beim Aufbau geschont

Für die bis zu zehn Meter hohe Stelzenkonstruktion, unter der branchenüblichen Traktoren ohne Probleme hindurchfahren können, sind keine schweren Baumaschinen im Einsatz, sondern ein Baukran sowie mobile Kräne und Hebebühnen mit bodenschonender Bereifung.

Was auf den ersten Blick etwas umständlich wirkt, hat einen guten Grund, erklärt Juniorprofessor Andreas Schweiger, Leiter des Fachgebiets Pflanzenökologie: „Unser Ziel war es, die Qualität des Bodens durch die Bauarbeiten nicht zu beeinträchtigen. Ein lockeres Erdreich ist wichtig, damit der Boden Wasser, Sauerstoff und Nährstoffe aufnehmen kann. Jede Verdichtung hat negative Folgen für Bodenlebewesen und Ackerpflanzen. Das wollen wir minimieren.“

Präzises Mikroklima-Monitoring in Echtzeit

Die Auswirkungen auf die Bodenqualität sind nur einer von zahlreichen Aspekten, die die Forschenden mit der neuen Anlage untersuchen wollen. Auf 13 x 14 m großen Parzellen werden dazu künftig unterschiedliche Kulturen und Sorten parallel angebaut und verglichen – darunter wirtschaftlich bedeutende Arten wie Weizen und Gerste, aber auch neuartige Anbaupflanzen.

Die bifazialen Doppelglas-Module beschatten die Anbaufläche zu rund 30 Prozent, wobei der Beschattungsgrad je nach Standort leicht variiert. Dadurch können auch Effekte unterschiedlicher Lichtverhältnisse gezielt erforscht werden. „Unter anderem ermöglicht uns die Forschungsanlage ein hochauflösendes Mikroklima-Monitoring: Von Bodenfeuchtigkeit und Lufttemperatur über Sonneneinstrahlung bis hin zur Blatttemperatur“, erklärt Schweiger. „Alle Daten stehen in Echtzeit in einer Cloud zur Verfügung und können von allen Mitgliedern unseres interdisziplinären Forschungsbereichs abgerufen werden.“

Chance für stabile Erträge trotz Klimastress

Besonders interessierte sich das Team dafür, wie sich die Ackerpflanzen an veränderte Lichtbedingungen anpassen und wie sich die Beschattung auf Ertragsmenge und -qualität auswirkt.

„Vorangegangene Versuche auf einer Pilotanlage haben bereits gezeigt: Die Ernteeinbußen fallen in der Regel gering aus. Gleichzeitig können die PV-Module sogar für stabilere Erträge sorgen: Denn in Hitze- und Trockenperioden, die klimabedingt zunehmen, profitieren die Pflanzen von der reduzierten Sonneneinstrahlung. Darüber hinaus bieten die Module Schutz vor Extremwetterereignissen wie Starkregen oder Hagel“, betont Schweiger.

Ein Ziel der Forschenden ist es, angepasste Sorten für den Agri-PV-Anbau zu identifizieren und entsprechende Fruchtfolgen zu entwickeln.

Wissenstransfer und Vernetzung: Öffentliche Vortragsreihe

Der Forschungsbereich Agri-Photovoltaik an der Universität Hohenheim bündelt interdisziplinäre Ansätze – von ökonomischen Analysen bis zu ökologischen Fragestellungen wie etwa den Auswirkungen auf die Biodiversität.

Ein besonderes Anliegen der Forschenden ist es darüber hinaus, ihre Erkenntnisse für die Praxis verfügbar zu machen und die Vernetzung zum Thema Agri-PV zu fördern. Im Dezember und Januar (3.12.2025 bis 28.1.2026) findet dazu eine öffentliche Vortragsreihe mit nationalen und internationalen Speakern statt.

Die ersten Vortragstermine widmen sich praktischen und rechtlichen Aspekten der Planung und Bewirtschaftung von Agri-PV-Anlagen. Im zweiten Teil der Reihe präsentieren Forschende neue Aspekte aus der Wissenschaft. Die Vorträge sind kostenfrei und werden auch online übertragen.

Hintergrund: Mdellregion Agri-PV Baden-Württemberg

Mit der Modell-Region Agri-PV Baden-Württemberg fördern das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) sowie das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft (UM) den Ausbau und die wissenschaftliche Begleitung innovativer Agri-PV-Projekte im Land. Die Koordination liegt beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg.

Die Pilot- und Forschungsprojekte bilden unterschiedliche Anlagentypen, Kulturen und Standortbedingungen ab. Die gesammelten Erkenntnisse und Erfahrungen sollen für Praxisprojekte zur Verfügung gestellt werden und so zu einer erfolgreichen Verbreitung der Technologien beitragen.

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