Innovationen im Praxistest Windkraftanlagen in tiefen Gewässern und extremen Höhen ermöglichen

In Nordspanien testet RWE das SATH-Konzept. Der katamaran-ähnliche Schwimmkörper trägt im Prototyp eine 2-MW-Windturbine.

Bild: Saitec Offshore Technologies
17.03.2021

Mit schwimmenden Windturbinen oder Höhenwind-Anlagen testet RWE neue Technologien in Pilotprojekten. Damit stoßen erneuerbare Energien in bislang nicht erschlossene Anwendungsgebiete vor.

RWE zählt zu den führenden globalen Renewables-Playern, erklärtes Ziel ist es, diese Position weiter auszubauen. Das gilt sowohl bei Wind an Land und auf See, als auch bei Photovoltaik und auch bei Speichern. Im Zeitraum von 2020 bis Ende 2022 will RWE mit Investitionen von rund 5 Milliarden Euro netto das Erneuerbaren-Portfolio auf mehr als 13 GW Nettokapazität ausbauen. Insgesamt verfügt der Energiekonzern über eine Projektentwicklungspipeline von mehr als 22 GW.

Zudem treibt RWE Innovationen voran, unter anderem mit dem Ziel, bislang ungenutzte Potenziale zu erschließen. So plant man etwa tiefere Gewässer für die Offshore-Windenergie mit Hilfe von schwimmenden Fundamenten zugänglich zu machen oder auch die stetigen und kräftigen Höhenwinde zur Stromerzeugung zu nutzen. Doch dies passiert nicht von jetzt auf gleich, wie RWE dazu mitteilt: „Bis diese Technologien kommerzielle Anwendung finden, gilt es zunächst in Pilotprojekten technische Anwendungserfahrung zu sammeln und ein besseres Verständnis zu gewinnen, wie sich die Technologien skalieren und Kosten langfristig senken lassen.“

Hohe Baukosten bei tiefen Gewässern

Offshore-Windturbinen sind heute fest im Meeresboden verankert und befinden sich deshalb an Standorten mit einer Wassertiefe von bis zu etwa 50 m. Mittelfristig denkbar sind maximal rund 70 m. Der Grund für diese Beschränkung: Mit größeren Wassertiefen müssten noch mehr Baustoffe eingesetzt werden, um die Konstruktion so stabil zu machen, dass sie Wind und Wellen standhalten. Aufgrund der hohen Baukosten wären die Windparks dann tendenziell nicht mehr wirtschaftlich.

Eine Lösung für diese Herausforderungen sind schwimmende Windturbinen, die mit Ankerketten am Meeresgrund befestigt sind. Für diese Anlagen kommen auch tiefere Gewässer als Standorte infrage. Mit ihnen lassen sich ganz neue Regionen für die Windkraft erschließen, etwa die meist steil abfallenden Küsten in Japan oder an der Westküste Amerikas. Bei RWE sieht man weltweit ein großes Potenzial für Floating-Wind. Schließlich ist laut WindEurope, dem europäischen Verband der Windindustrie, das Meer in etwa 80 Prozent der Gebiete, die geeignete Windstärken für die Stromerzeugung aufweisen, für die klassische Form der Offshore-Windkraft zu tief.

Pilotprojekte für schwimmende Windturbinen

Auch deshalb arbeitet das Energieunternehmen derzeit gleich an drei vielversprechenden Demonstrationsprojekten in Norwegen, Spanien und den USA. In Spanien testet man mit Saitec Offshore Technologies das auf einem katamaran-ähnlichen Schwimmkörper aufgebaute SATH-Konzept. Es besteht aus modular vorgefertigten und anschließend verspannten Betonteilen. Der Schwimmkörper kann sich entsprechend der Wind- und Wellenrichtung um einen fixen Verankerungspunkt ausrichten.

Das Schwimmfundament sowie die 2-MW-Windturbine für den DemoSATH-Prototyp sollen im Hafen von Bilbao montiert werden. Der Ozean ist im Bereich des rund drei Kilometer vor der baskischen Atlantikküste gelegenen Testfelds etwa 85 Meter tief. Im Meeresboden verankerte Ankerleinen, teils aus Ketten und teils aus Kunstfaserseilen, sollen die schwimmende Plattform auf Position halten. Die geplante Inbetriebnahme der Anlage ist Mitte 2022.

In Norwegen soll das TetraSpar-Konzept erprobt werden. Es besteht aus mehreren Modulen, die laut RWE kostensparend an verschiedenen Orten vorgefertigt werden können. Ein Kiel unterhalb der Plattform hält die Stahlrohr-Tragkonstruktion aufrecht auf dem Wasser. An der Kaikante wird dann eine 3,6-MW-Windturbine auf den Schwimmkörper gesetzt. Am Teststandort vor der norwegischen Küste nahe Stavanger wird das Fundament samt Turbine mit drei Ankerketten in rund 200 Meter Tiefe befestigt. Bereits im Sommer 2021 soll hier die Stromproduktion starten. RWE-Partner sind neben Shell, das japanische Energieversorgungsunternehmen Tepco sowie Stiesdal Offshore Technologies.

Schwimmende Halbtaucher-Plattform

Parallel arbeitet RWE gemeinsam mit Partnern an einem Demoprojekt in den USA. Das Fundament wird hier aus einer schwimmenden Halbtaucher-Plattform aus Beton bestehen, die eine kommerzielle 10- bis 12-MW-Turbine tragen kann. Realisiert werden soll das Demoprojekt in einem staatlich ausgewiesenen Gebiet vor der Küste Maines.

Noch befindet sich die Floating-Technologie in der Erprobungsphase. Doch bei RWE ist man davon überzeugt, dass die Industrie es schafft, die Kosten weiter zu senken – insbesondere, wenn die weltweite Zahl an Floating-Installationen steigt und schwimmende Fundamente in Serienproduktion hergestellt werden können. Insgesamt erwartet der Energiekonzern, dass schwimmende Windkraftanlagen bis zum Jahr 2030 kostenmäßig konkurrenzfähig zu Offshore-Windparks mit herkömmlichen fest im Meeresboden installierten Fundamenten sein könnten.

Stetiger und kräftiger Höhenwind

Eine weitere Technologie mit Potenzial ist die Nutzung von Höhenwind. Denn in mehreren hundert Metern Höhe weht der Wind nicht nur kräftig, sondern vor allem auch stetig. Auch hier agiert RWE technologieoffen und evaluiert verschiedene am Markt verfügbare Konzepte. So stehen Tests in Deutschland mit einer 200-kW-Anlage der Firma SkySails Power auf dem Programm, die mit Hilfe eines Lenkdrachens Strom erzeugt. Der Zugdrache, der sogenannte Kite, soll in einer Höhe von bis zu 400 m eingesetzt werden. Derzeit läuft die Suche nach einem geeigneten Standort in Deutschland für die Pilotanlage. Dazu ist man laut RWE mit verschiedenen Gemeinden im Gespräch. Darüber hinaus steht in Irland die Erprobung weiterer Prototypen und Konzepte an, darunter ein System von Ampyx Power. Diese Flugwindkraftanlage basiert auf einem Segelflugzeugdesign, das durch ein Seil mit einem Generator am Boden verbunden ist.

Insgesamt verspricht sich das Unternehmen von der Winderzeugung in größerer Höhe auch positive Effekte in punkto Akzeptanz. Mit Blick auf Flugwindkraftanlagen sind hier die leichte und kompakte Bauweise sowie der leise Betrieb und geringe Schattenwurf wichtige Vorteile. „Wir wollen Flugwindkraftanlagen im Dauerbetrieb testen. Ziel ist es, neben technischer Anwendungserfahrung vor allem ein besseres Verständnis zu gewinnen, wie sich die verschiedenen technologischen Konzepte für eine spätere kommerzielle Anwendung skalieren lassen“, erläutert RWE dazu.

Bildergalerie

  • Energiegewinnung in 400 m Höhe: die Zugdrachenanlage von SkySails Power.

    Energiegewinnung in 400 m Höhe: die Zugdrachenanlage von SkySails Power.

    Bild: SkySails Power

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