Die Deutsche Bahn ist der größte Stromverbraucher Deutschlands und betreibt ein eigenes Stromnetz mit einer Länge von knapp 8.000 km. Wie sich dieses Netz für die Einspeisung von Solarstrom nutzen lässt, hat das Projekt „PV4Rail“ untersucht. Ein Konsortium unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE entwickelte und testete einen Wechselrichter zur direkten Einspeisung von Photovoltaik-Strom. Zudem analysierte es das Flächenpotenzial entlang der Gleise und führte techno-ökonomische Untersuchungen von Bahnstrom-PV-Anlagen durch. Diese könnten ein wichtiger Baustein der Energiewende werden, wenn regulatorische und marktliche Nachteile ausgeglichen würden.
Photovoltaik könnte wesentlichen Anteil am Bahnstrom decken
Aktuell sind am Netz der Deutschen Bahn Erzeugungsanlagen mit einer Leistung von etwa zwei GW installiert. Dabei handelt es sich vor allem um konventionelle Kraftwerke und Wasserkraftwerke. PV-Anlagen, die direkt in das Bahnstromnetz einspeisen, werden jedoch aktuell in Deutschland noch nicht betrieben. „Ein relevanter Teil des Energiebedarfs im Bahnstromnetz könnte jedoch durch Photovoltaik abgedeckt werden, denn das PV-Flächenpotenzial längs der Bahnstrecken ist um ein Vielfaches höher als die Menge an Energie, die im Bahnstromnetz gebraucht wird“, erklärt Andreas Hensel, Projektleiter PV4Rail am Fraunhofer ISE.
Das Projektteam hat bundesweit geeignete Flächen identifiziert und ihr Potenzial mithilfe detaillierter Simulationen untersucht. Selbst wenn nur Flächen im Umkreis von zwei Kilometern um ein Bahn-Unterwerk einbezogen wurden, lag die mögliche installierbare Nennleistung bei 37,6 GWp und der mögliche Stromertrag bei 32.920 GWh jährlich. Der Strombedarf für die Beförderung der Züge lag 2023 bei circa 7.500 GWh.
Wechselrichter für Direkteinspeisung entwickelt
Da das Bahnnetz nicht wie das öffentliche Netz mit einer Frequenz von 50 Hertz, sondern einphasig mit 16,7 Hz betrieben wird, wurde vom Projektpartner Vensys Elektrotechnik ein Zentralwechselrichter mit 2 MW Leistung entwickelt, der in zwei symmetrische Leistungsteile von jeweils 1 MW aufgeteilt ist. Im Multi-Megawatt-Labor des Fraunhofer ISE wurde einer der Leistungsteile getestet und ein Wirkungsgrad von 96,6 Prozent gemessen (inklusive Eigenverbrauch für Kühlung et cetera). Zudem entwickelte das Fraunhofer ISE Regelungen für den netzbildenden Betrieb der Umrichter im Bahnnetz.
Für die Ausführung des Netzanschlusses wurden verschiedene Anschlussmöglichkeiten je nach Größe der Anlage betrachtet: Während kleinere Anlagen bis 5 MW direkt in die Oberleitung einspeisen können, werden Leistungen bis 12 MW in Unterwerken über die Sammelschiene eingespeist. Diese Variante weist hinsichtlich der LCoE-Kosten die geringsten Unterschiede gegenüber 50-Hz-Anlagen auf. Für große Anlagen bis 40 MW muss im Allgemeinen ein eigenes Unterwerk mit Trafo und Schaltanlage zur Einspeisung ins 110-kV-Bahnnetz errichtet werden.
In Deutschland beschränken sich Bahnstrom-PV-Anlagen bislang auf Pilotinitiativen. In Österreich wurden hingegen bereits mehrere Anlagen mit mehr als 10 MWp Leistung am Netz in Betrieb genommen. Die Netzanschlussbedingungen der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) unterscheiden sich jedoch von denen der Deutschen Bahn. Aufgrund der Anforderungen an den Betrieb des Bahnstromnetzes und die Kompatibilität der Wechselrichter zur Leit- und Sicherungstechnik können bei der DB nur spannungseinprägende Wechselrichter zum Einsatz kommen. Ein solches Verhalten wurde im Projekt von Forschenden am Fraunhofer ISE bereits in der Simulationsumgebung getestet und könnte im Rahmen eines Folgeprojektes implementiert werden. In seinem Zentrum für Leistungselektronik und nachhaltige Netze ermöglicht das Fraunhofer ISE die Entwicklung und Charakterisierung von Wechselrichtern im Multi-Megawatt-Bereich.