Standortfaktor als Sicherheit und wie Industrie sich neu ausrichtet Industrielle Neuausrichtung durch Daten und Technologie

Geopolitische Spannungen und technologische Entwicklungen verändern Standortentscheidungen und Produktionsstrategien der Industrie.

Bild: ChatGPT, publish-industry
21.09.2025

Globale Spannungen, Rohstoffabhängigkeit und digitale Transformation stellen die Industrie neu auf. David Petrikat, CMO bei AMDT, zeigt, warum jetzt Resilienz, Standortwahl und Softwarekompetenz entscheidend sind.

Die Industrie steht an einem Wendepunkt. Was wir derzeit erleben, ist keine klassische Wachstumsphase, sondern eine tiefgreifende Neuordnung. Die treibenden Kräfte sind nicht mehr Effizienz oder Skaleneffekte, sondern geopolitische Spannungen, strategische Unsicherheiten und der Wunsch nach Kontrolle über kritische Infrastrukturen.

Globale Lieferketten, wie wir sie kannten, werden neu gedacht. Unternehmen und Staaten reagieren auf die veränderten Rahmenbedingungen, indem sie sich auf regionale Produktion und strategische Standortwahl besinnen. Die Frage lautet nicht mehr: „Wo ist es am günstigsten?“, sondern: „Wo ist es am sichersten, stabilsten und strategisch sinnvollsten?“ Ein Ansatz ist, die Kontrolle über Software und Daten zu gewinnen, denn nur so lässt sich die Zukunft der Industrie langfristig gestalten.

Das Ende der Neutralität

Ein zentrales Beispiel ist die zunehmende Entkopplung zwischen den USA und China, die Industrieunternehmen dazu zwingt, sich klar zu positionieren. Diese Entwicklung betrifft nicht nur die Logistik, sondern auch die Produktarchitektur, die regulatorischen Anforderungen und die technologischen Standards. Produktionskapazitäten werden bewusst überdimensioniert – nicht aus betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit, sondern als Absicherung gegen geopolitische Risiken. Das Ergebnis ist ein globaler Umbau der Industrie mit neuen Märkten, neuen Regeln und neuen Chancen.

Resilienz schlägt Preis

Die neue industrielle Realität folgt anderen Prinzipien. Kritische Rohstoffe wie Lithium, Seltene Erden oder Kobalt sind nicht nur wirtschaftlich relevant, sondern auch strategisch entscheidend. Auch Alltagsprodukte, deren Bedeutung in Krisenzeiten deutlich wurde, rücken in den Fokus. Die Preisfrage tritt in den Hintergrund. Was zählt, sind Verfügbarkeit, Kontrolle und politische Stabilität. Für Deutschland bedeutet das: Unsere Stärken – Präzision, Ingenieurskunst und Verlässlichkeit – gewinnen wieder an Gewicht. Der Standort wird neu bewertet – und das eröffnet Chancen.

Technologie als Transformationsmotor

Um diese Chancen zu nutzen, braucht es mehr als Tradition. Es müssen Investitionen in Technologien getätigt werden, die nicht nur effizient, sondern auch flexibel und krisenfest sind. Automatisierung muss neu gedacht werden. KI-gestützte Produktionsprozesse, adaptive Robotik und autonome Logistiksysteme sind keine Zukunftsmusik mehr, sondern eine strategische Notwendigkeit. Sie helfen dabei, Personalengpässe zu überbrücken und Produktionsprozesse dynamisch an volatile Märkte anzupassen.

Digitalisierung bedeutet heute Echtzeitsteuerung über Standorte hinweg, digitale Zwillinge, vorausschauende Wartung und softwarebasierte Fertigungsplanung. Diese Systeme schaffen nicht nur Effizienz, sondern ermöglichen auch schnelle Reaktionen auf externe Einflüsse. Das Rennen um die Endkundendaten ist bereits verloren. Das Rennen um Maschinen- und Produktionsdaten, sowie Geschäftsmodelle basierend auf diesen, hat grade erst begonnen.

Softwarekompetenz als Schlüssel zur Souveränität

Der größte Hebel ist daher die Software- und Datenkompetenz im industriellen Bereich. Es reicht nicht, Maschinen zu vernetzen – wir müssen neue digitale Geschäftsmodelle entwickeln. Benötigt werden Anwendungen, die nicht nur Prozesse abbilden, sondern neue Standards setzen. Die Industrie braucht ihr eigenes Ökosystem: intuitiv, skalierbar und global relevant. Deutschland hat die technische Basis. Was fehlt, ist der unternehmerische Mut, daraus Softwareprodukte zu entwickeln, die weltweit Maßstäbe setzen. Dafür sind interdisziplinäre Teams, neue Denkweisen und eine politische Agenda, die diesen Wandel aktiv unterstützt, erforderlich.

Fazit: Jetzt gestalten, nicht nur reagieren

Die industrielle Renaissance ist kein Selbstläufer. Sie ist eine Einladung zur aktiven Gestaltung. Wer jetzt investiert – in Technologie, in Software, in strategische Standortwahl – wird nicht nur resilienter, sondern auch wettbewerbsfähiger. Deutschland hat die Chance, wieder Taktgeber der Industrie zu werden. Aber dafür müssen wir den Wandel nicht nur zulassen, sondern antreiben.

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  • Ein Kommentar von David Petrikat, CMO bei AMDT.

    Ein Kommentar von David Petrikat, CMO bei AMDT.

    Bild: TIMUR KONEV

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