Zwischen Wille und Wissen

Deutsche Industrie kämpft mit Wissenslücken bei der KI-Einführung

Fehlende Kompetenzen bremsen die Einführung von KI: Laut einer Studie fehlt vielen Unternehmen das Know-how, um Künstliche Intelligenz erfolgreich in ihren Betrieb zu integrieren.

Bild: ChatGPT, publish-industry
14.11.2025

Eine Studie von Slalom zeigt: Qualifikationslücken sind das größte Hindernis für den KI-Erfolg deutscher Unternehmen. Zwar schaffen 73 Prozent neue KI-Rollen, doch fehlende Weiterbildung und Misstrauen bremsen die Transformation.

Deutsche Unternehmen reagieren proaktiv auf die KI-Revolution – das zeigt die aktuelle Studie des Technologieberatungsunternehmens Slalom, für die weltweit 2.000 und in Deutschland 161 Personen befragt wurden. Von den Befragten, deren Unternehmen ihre Organisation anpassen oder in den nächsten zwölf Monaten anpassen wollen, schaffen 73 Prozent neue KI-Rollen oder Teams. Drei Viertel (74 Prozent) bündeln Rollen oder Verantwortlichkeiten, rund zwei Drittel (62 Prozent) etablieren flachere Organisationsstrukturen und die Hälfte (49 Prozent) entwickelt neue Produkt- und Servicelinien. Etwa sechs von zehn Unternehmen (59 Prozent) reduzieren dagegen ihre Neueinstellungen.

„Die Zukunft gehört nicht der KI allein, sondern der intelligenten Symbiose von menschlichen Fähigkeiten und maschineller Effizienz. Unternehmen, die erfolgreich sein möchten, schaffen bereits heute die Stellen von morgen. Der Fokus sollte dabei auf der Weiterbildung bestehender Talente liegen, statt diese durch KI zu ersetzen“, erklärt Pamela Maruschke, Managing Director Transformation bei Slalom Germany.

Qualifikationslücken als größte Hürde für KI-Erfolg

Der Transformationswille ist vorhanden, doch Unternehmen kämpfen mit erheblichen Hindernissen. Mit Blick auf die Belegschaft identifizieren 55 Prozent der Befragten Qualifikationslücken als größtes Hindernis für die unternehmensweite Umsetzung von Künstlicher Intelligenz. 47 Prozent nennen das Misstrauen und die Arbeitsplatzängste der Mitarbeitenden als zweitgrößte Barriere. Nur 38 Prozent sehen unzureichende Investitionen in KI-Tools und -Talente als Problem an, während 34 Prozent angeben, dass strukturierte KI-Schulungen fehlen.

„Oft sitzen die wertvollsten Talente bereits in den Unternehmen – sie müssen nur richtig unterstützt werden. Wer heute in maßgeschneiderte Lernstrategien investiert, verwandelt seine bestehende Belegschaft in die KI-Champions von morgen“, betont Maruschke.

Die Verantwortung für die KI-Integration liegt oft beim mittleren Management, das jedoch nicht immer optimal ausgerüstet ist. Die Hälfte der mittleren Führungsriege (50 Prozent) kann Zeit für KI-Experimente bereitstellen, 44 Prozent verfügen über Ressourcen für Schulungen und weitere 44 Prozent können relevante KI-Tools einfordern und einsetzen. Doch ein Fünftel (19 Prozent) hat nur begrenzten Einfluss auf den KI-Einsatz, und nur 42 Prozent sind in der Lage, ihre Teams im Umgang mit KI-Tools zu coachen und zu betreuen.

„KI-Transformation ist keine technische Revolution, sondern eine menschliche und organisatorische Evolution. Führungskräfte müssen Räume schaffen, in denen Neugier über Angst siegt und Experimentierfreude zur Unternehmenskultur wird“, erklärt Andrei Svirida, Senior Director KI-Engineering bei Slalom Germany.

Weiterbildung durch KI noch ohne breite Wirkung

Obwohl einige Unternehmen KI für Schulungszwecke nutzen, bleibt die erhoffte Wirkung aus. Nur elf Prozent geben an, dass KI in ihrem Unternehmen sehr wirksam zu Schulungszwecken eingesetzt wird. Rund zwei Drittel (60 Prozent) sehen eine etwas wirksame Anwendung, ein Viertel (24 Prozent) nutzt KI nicht wirksam für Weiterbildungszwecke und zwei Prozent nutzen KI überhaupt nicht.

Auch unter den Befragten hat nur ein Viertel (26 Prozent) KI selbst sehr effektiv zum Lernen genutzt, während 57 Prozent sie einigermaßen wirksam zu Lernzwecken einsetzen. „Der Einsatz von KI als Lernmittel kann helfen, die KI-Transformation unternehmensweit schnell voranzubringen. Hier kommt Unternehmen die Aufgabe zu, mit KI-unterstützten, individualisierten Lernpfaden das volle Potenzial auszuschöpfen und die eigenen Mitarbeiter für die Zukunft zu befähigen“, sagt Svirida.

Sinkendes Interesse an klassischen menschlichen Fähigkeiten

Führungskräfte verlieren das Interesse an traditionellen menschlichen Fähigkeiten. 55 Prozent der Führungskräfte sehen kritisches Denken und Problemlösung als die wichtigsten Fähigkeiten für High-Performance-Teams in den nächsten zwei bis drei Jahren. Nur wenige sehen einen Wert in herkömmlichen Kompetenzen: 20 Prozent nennen Kommunikations- und zwischenmenschliche Fähigkeiten als entscheidend und weitere 20 Prozent emotionale Intelligenz und Empathie.

Auf kritisches Denken folgt an zweiter Stelle Kreativität und Innovation (44 Prozent). Kognitive Flexibilität und Lernagilität rangieren mit 36 Prozent vor Belastbarkeit und Anpassungsfähigkeit mit 35 Prozent. Digitale Kompetenz landet mit 32 Prozent auf Platz fünf, noch vor Zusammenarbeit und Teamarbeit mit 25 Prozent. Die Softwareentwicklung steht mit nur 21 Prozent auf einem der hinteren Plätze.

„Wenn KI immer komplexere Aufgaben übernimmt, werden menschliches Denken und Zusammenarbeit zu wertvollen Rohstoffen. Mitarbeiter müssen verstehen, wie sie KI als intelligenten Mitarbeiter nutzen können, um Analysen, Problemlösung und Intelligenz zu verstärken. Unternehmen, die diese Art von KI-unterstützten Supermitarbeitern wollen, müssen sie befähigen und Experimentierräume zur Verfügung stellen“, erklärt Maruschke.

Datengetriebene Personalplanung setzt sich durch

Um Mitarbeiterqualifikationen zu identifizieren, die in den nächsten zwei bis drei Jahren benötigt werden, setzen Führungskräfte und die mittlere Führungsriege vor allem auf interne Daten und Analysen (59 Prozent) sowie auf eine strukturierte strategische Personalplanung (57 Prozent). 35 Prozent nutzen externe Arbeitsmarktinformationen, doch nur 32 Prozent verwenden KI-gestützte Prognose- und Szenariomodellierungstools.

Rund ein Drittel der deutschen Führungskräfte und des mittleren Managements (29 Prozent) reagiert reaktiv auf Kompetenzlücken, weitere fünf Prozent haben derzeit überhaupt keine Prognosen zu künftigen Kompetenzen. Rund drei Viertel (74 Prozent) des mittleren Managements und der Führungskräfte fühlen sich gut oder sehr gut vorbereitet, die benötigten Fähigkeiten für eine KI-gestützte Arbeitsumgebung zu identifizieren; 25 Prozent sehen sich hingegen nicht gut vorbereitet.

„Wer die Zukunft der Arbeit gestalten will, muss heute die richtigen Weichen stellen. Ein strategisches KI-Office als zentrale Koordinationsstelle kann Unternehmen dabei unterstützen, künftig benötigte Kompetenzen ausfindig zu machen und den Wandel systematisch und erfolgreich zu orchestrieren“, ergänzt Maruschke.

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