Digitalisierung, Risiko, Qualifikation: Die neue Agenda der Industrie

Was Fertigungsunternehmen 2026 für Wettbewerbsfähigkeit brauchen

Digitale Technologien, neue Vorgaben und volatile Märkte verändern die Fertigungsindustrie. Unternehmen richten Prozesse, Datenmanagement und Standorte neu aus.

Bild: ChatGPT, publish-industry
08.12.2025

Fünf Trends werden 2026 den Ton angeben: KI, digitaler Produktpass, neue Standortstrategien und schlankere Technologiestacks. Revalize zeigt, wie Hersteller auf Kosten, Risiken und den Fachkräftemangel reagieren.

Die Fertigungsindustrie steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Geopolitische Unsicherheiten, steigende Energie- und Rohstoffkosten sowie der zunehmende Fachkräftemangel zwingen Unternehmen zum Umdenken. Das zeigen auch die Ergebnisse einer aktuellen Revalize-Studie: 85 Prozent der Fertigungsunternehmen haben ihre Supply-Chain-Strategien bereits angepasst. Die Branche befindet sich in einer fundamentalen Transformation. Digitale Lösungen über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg entwickeln sich dabei zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Revalize hat fünf zentrale Trends ausgemacht, die das kommende Jahr prägen werden.

1. Künstliche Intelligenz: Verbesserte Prozesse, aber wenig Vertrauen

Künstliche Intelligenz hält Einzug in Produktionsprozesse und Softwaresysteme. Bereits 51 Prozent der Hersteller setzen Künstliche Intelligenz für das Management von Lieferketten und Beständen ein. In PLM-Systemen sorgt KI für eine schnellere Bereitstellung benötigter Informationen und automatisiert Workflows.

In den DACH-Ländern liegt der interne Widerstand gegen KI-Technologien bei 29 Prozent, in den USA hingegen nur bei 19 Prozent. Auch bei den Kompetenzen zeigt sich eine Lücke. So beklagen 42 Prozent der DACH-Unternehmen fehlende KI-Fähigkeiten, in den USA sind es 31 Prozent. Experten betonen: „KI-Ergebnisse sollten nicht unkritisch übernommen werden.“ Das Vertrauen in die Technologie muss erst wachsen, denn Künstliche Intelligenz kann auch fehlerhafte Ergebnisse produzieren.

2. Digitaler Produktpass: Compliance wird zur Chance

Ab 2026 wird die Europäische Union den digitalen Produktpass schrittweise einführen. Die standardisierte Dokumentation erfasst den Lebenszyklus, die verwendeten Materialien und die Nachhaltigkeitskennzahlen eines Produkts digital. Zunächst betrifft die Verpflichtung jedoch nicht alle Hersteller. Dennoch empfehlen Branchenkenner, IT-Systeme und Datenmanagement frühzeitig vorzubereiten.

Der digitale Produktpass ist eng mit PLM-Lösungen verbunden. Er erfüllt regulatorische Anforderungen und schafft Transparenz gegenüber Kunden. Darüber hinaus werden datengetriebene Services möglich. Wer den digitalen Produktpass strategisch nutzt, verschafft sich Wettbewerbsvorteile.

3. Geopolitische Risiken: Näher ran an die Märkte

Handelskonflikte und Zölle wirken sich massiv auf globale Lieferketten aus. So haben 52 Prozent der Hersteller in den DACH-Ländern ihre Abhängigkeit von Regionen mit hohen Zöllen reduziert. 22 Prozent haben den US-Markt depriorisiert oder gar verlassen. Die Strategie der Industrie ist klar: Diversifizierung und Regionalisierung der Produktion.

Hersteller investieren verstärkt in digitale Risikomanagement-Tools, um Risiken in Echtzeit zu erkennen und schnell reagieren zu können. Bei der Standortwahl sind politische Stabilität und die Nähe zu Schlüsselmärkten entscheidend. Sollten die Handelsunsicherheiten anhalten, erwarten Unternehmen weitere strukturelle Veränderungen in der Produktion und in den Lieferketten. Schnelle Anpassungsfähigkeit wird somit zum kritischen Erfolgsfaktor.

4. Qualifikationslücke: Ohne Weiterbildung geht es nicht

Der Fachkräftemangel verschärft sich. Zu den gefragtesten Kompetenzen in der Fertigungsindustrie zählen Datenanalyse, Automatisierung und Cybersecurity. Hinzu kommt ein genereller Mangel an Fachkräften: Dem aktuellen MINT-Report zufolge fehlen derzeit 163.600 qualifizierte Arbeitskräfte. Ähnliche Entwicklungen sind auch in anderen europäischen Ländern zu beobachten.

Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Mitarbeitende. Digitale Kompetenz wird zur Grundvoraussetzung, einschließlich der Fähigkeit, mit PLM-Systemen, digitalen Zwillingen und cloudbasierten Kollaborationstools zu arbeiten. Dies betrifft nicht mehr nur Konstrukteure, sondern zunehmend auch Mitarbeitende aus den Bereichen Qualitätsmanagement, Compliance und dem kundenorientierten Team. Erfolgreiche Organisationen etablieren interne Akademien und fördern kontinuierliches Lernen, um ihre Teams für neue PLM-Funktionen, regulatorische Anforderungen und veränderte Kundenerwartungen zu rüsten.

5. Weniger ist mehr: Plattformen werden zusammengeführt

Die Konsolidierung von Technologie-Stacks gewinnt an Fahrt. Wie der Revalize-Report zeigt, bündeln 87 Prozent der Fertigungsunternehmen ihre Plattformen, um Komplexität zu reduzieren. Der Grund dafür ist, dass 58 Prozent der Unternehmen mit erheblichen Integrationsproblemen kämpfen, die Fortschritte bremsen und die Kosten in die Höhe treiben.

Vereinfachte Tech-Stacks hingegen beschleunigen die Einführung neuer Funktionen, senken die Betriebskosten und verbessern die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen. Hersteller setzen deshalb auf Lösungen, die nahtlos zusammenarbeiten und überflüssige Werkzeuge ersetzen. Die Interoperabilität zwischen Systemen wird somit zum entscheidenden Auswahlkriterium bei Softwareinvestitionen.

Datengetriebene Resilienz wird immer wichtiger

Steigende Energie- und Rohstoffkosten treiben Investitionen in effiziente und nachhaltige Technologien voran. In den DACH-Ländern beschleunigen die hohen Energiekosten Investitionen in effiziente Produktionsverfahren. Der digitale Produktpass unterstützt die Kreislaufwirtschaft, indem er Materialflüsse und Umweltauswirkungen lückenlos dokumentiert. Transparenz wird so zu einem Wettbewerbsvorteil.

Das Jahr 2026 wird zum Wendepunkt für die Fertigungsindustrie. Unternehmen, die digitale Technologien über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg integrieren, gewinnen an Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit. Entscheidend ist der Zugang zu Echtzeitdaten – von der Konstruktion über die Produktion bis hin zur Lieferkette. Erfolgreiche Hersteller investieren deshalb jetzt in Technologie, Talente und resiliente Strukturen. Die Fähigkeit zu schnellem, datenbasiertem Handeln ist entscheidend für den Erfolg.

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