Die Ursache der Schwankungen von bis zu mehreren hundert Prozent innerhalb eines Tages liegt darin, dass unsere Stromnetze nur durchleiten können. Sie halten Energie nicht über die Zeit hinweg verfügbar. Wenn viel Wind weht oder die Sonne scheint, muss der Überschuss ins Ausland exportiert oder abgeregelt werden – oft gegen Entschädigung, die die Allgemeinheit trägt.
Wenn dagegen Flaute herrscht, müssen teure fossile Erzeuger einspringen, und die Preise steigen rapide an. Dieses ständige Hyperventilieren des Marktes ist kein Zeichen von Stabilität, sondern ein klarer Hinweis auf eine strukturelle Krankheit. Und sie kostet uns allen richtig viel Geld.
Speicher als Zeitmaschinen der Energiewende
Nur Speicher können hier Abhilfe schaffen. Sie wirken wie Zeitmaschinen, die Strom aus Stunden des Überflusses in Stunden der Knappheit transportieren. Damit glätten sie die Preiskurven, senken die Kosten für Redispatch und Netzausbau und entlasten Haushalte wie Industrie. Jede eingesetzte Speicherkapazität senkt die Nervosität des Systems und spart bares Geld.
Gleichzeitig müssen wir den Blick nach vorne richten: Die Zukunft liegt im „electrified state“. Sektoren wie Wärme, Mobilität, KI und immer mehr Industrieprozesse werden zunehmend elektrifiziert, damit fossile Energien systematisch verdrängt werden können. Das bedeutet zwangsläufig, dass der Strombedarf deutlich steigen wird, auch wenn jüngste Berichte, wie der der Bundesnetzagentur, noch von einem vergleichsweise geringen Zuwachs ausgehen. Wer ernsthaft den „fossil state“ hinter sich lassen will, muss jedoch wollen, dass der Strombedarf wächst. Jeder Zuwachs an Stromverbrauch bedeutet zugleich einen Rückgang fossiler Energie. Genau deshalb ist es so entscheidend, dass Speicher von Beginn an Teil dieser Entwicklung sind: Sie sichern den steigenden Bedarf ab und machen Elektrifizierung überhaupt erst verlässlich möglich.
Fehlende Priorität in der Politik
Das Papier „Klimaneutral werden – wettbewerbsfähig bleiben“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zeigt zu Recht, dass Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz im Einklang gedacht werden müssen. Es betont die Bedeutung von Flexibilität, Digitalisierung und Marktmechanismen. Dies alles sind Felder, in denen Speicher heute schon konkret Wirkung entfalten können. Jede eingesetzte Speicherkapazität reduziert Redispatch-Kosten, glättet Preisspitzen und macht den Strommarkt verlässlicher. Speicher leisten so einen direkten Beitrag zur Entlastung von Haushalten, Industrie und Staatshaushalt.
Gerade deshalb sehen wir mit Sorge, dass das Papier Speicher nicht ins Zentrum seiner Strategie stellt. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf neuen Gaskraftwerken, die über einen Kapazitätsmarkt gefördert werden sollen und auf Technologien wie CCS und CCU, die noch aufwendig entwickelt werden müssen. Diese Priorisierung läuft Gefahr, das eigentliche Problem – die Speicherlücke – zu verlängern. Denn solange überschüssige erneuerbare Energie nicht gespeichert wird, entstehen teure Überschüsse, steigende Netzkosten und volatile Märkte. Speicher könnten diese Symptome schon heute lindern.
Die Speicherwende als Heilung
Eine konsequente Speicherwende sollte daher integraler Bestandteil der Energiewende sein. Speicher dürfen nicht nur als Ergänzung am Rande betrachtet werden, sondern müssen als Schlüsseltechnologie für Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz anerkannt werden. Ein Kapazitätsmarkt, der Gaskraftwerke bevorzugt, ohne Speicher gleichrangig zu berücksichtigen, verfehlt dieses Ziel. Eine Energiepolitik, die Milliarden in fossile Übergangstechnologien und deren Akzeptanzkampagnen lenkt, statt in sofort wirksame Speicherlösungen, zögert die Heilung hinaus.
Die Krankheit des Stromsystems – die Speicherlücke – lässt sich nicht mit Gas, CCS oder weiteren Übergangstechnologien heilen. Sie wird nur verschwinden, wenn Speicher endlich ins Zentrum der Energiepolitik rücken. Speicher sind die Medizin, die das Fieber senkt, das System beruhigt und die Energiewende dauerhaft gesund macht.