Regionales Jobwachstum durch Patente Innovation als Motor? Arbeitsmarkt wächst ungleich

Innovation schafft Jobs – aber nicht für alle: Eine breite Innovationsstreuung steigert, die Beschäftigung, während fokussierte Bereiche hinterherhinken.

Bild: DALL·E, publlish-industry
01.07.2025

Beispiellose Innovationen treiben das Beschäftigungswachstum in den europäischen Regionen an. Das Bild ist jedoch differenziert. Eine aktuelle Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und der Universität Paris Dauphine zeigt, dass in breit aufgestellten Technologiefeldern besonders viele Arbeitsplätze entstehen. Gleichzeitig ist eine gezielte Bildungs- und Sozialpolitik erforderlich, um die ungleichen Chancen auszugleichen.

Regionen mit einem hohen Innovationsgrad verzeichnen ein deutlich stärkeres Beschäftigungswachstum. Im Durchschnitt führt eine Verdopplung der Patentaktivitäten zu einem Anstieg der Beschäftigung um 6 Prozent. Dieser Effekt ist besonders ausgeprägt in Regionen, die gut in globale Wissensnetzwerke eingebunden sind und aktiv am Forschungsaustausch teilnehmen. Gleichzeitig zeigt sich jedoch: Konzentriert sich Innovation zu stark auf nur wenige technologische Bereiche, verlangsamt sich das Beschäftigungswachstum. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie im Rahmen des von der EU geförderten Forschungsvorhabens RETHINK-GSC, das vom Kieler Institut für Weltwirtschaft geleitet wird.

Das Projekt „Rethinking Global Supply Chains: Measurement, Impact and Policy“ (RETHINK-GSC) erfasst die Auswirkungen von Wissensflüssen und Dienstleistungsinputs in globalen Supply Chains (GSC). Forscher aus 11 Instituten bringen ihr breites Fachwissen in einem multidisziplinären Ansatz ein, entwickeln neue Methoden und nutzen innovative Techniken, um die zunehmende Bedeutung immaterieller Güter in globalen Lieferketten zu analysieren, zu messen und zu quantifizieren und neue Einblicke in aktuelle und erwartete Veränderungen in globalen Produktionsprozessen zu gewinnen.

„Innovation schafft mehr und bessere Arbeitsplätze, als sie ersetzt. Die Vorteile werden jedoch nicht gleichmäßig verteilt“, sagt Farid Toubal, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Paris Dauphine und Mitautor der Studie: Knowledge, Jobs, and Unemployment in Regions. „Die größten Zugewinne finden im Verarbeitenden Gewerbe sowie bei MINT-Fachkräften und hochqualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern statt – was bestehende Ungleichheiten verschärfen kann. Aus Sicht der europäischen Kohäsionspolitik ist es daher entscheidend, Innovation nicht nur zu fördern, sondern sie auch durch Bildungs- und Umverteilungsmaßnahmen gezielt zu flankieren.“

Patentwachstum fördert Jobs - doch nicht überall gleich

Die Studie untersucht den Zusammenhang zwischen Innovation und Beschäftigung in 272 europäischen Regionen im Zeitraum von 2011 bis 2021 anhand umfassender Patentdaten. Sie geht über eine reine Zählung von Patenten hinaus, indem sie auch Zitiermuster und die Konzentration von Innovationsaktivitäten berücksichtigt. Dadurch entsteht ein differenziertes Bild regionaler Innovationsdynamiken. Ein besonders hohes Wachstum zeigen technologische Teilbereiche wie Nanotechnologie, Elektromaschinen, Oberflächentechnik und digitale Kommunikation.

Zudem zeigen die Ergebnisse: Eine höhere Innovationsqualität, gemessen daran, wie oft das Patent in anderen Patenten zitiert wird, führt zwar zu deutlich mehr Beschäftigung. Den mit Abstand größten Beschäftigungseffekt erzielt jedoch eine breite Verteilung der Innovationsaktivitäten über mehrere technologische Felder hinweg. Regionen, in denen sich Forschung und Entwicklung auf wenige Bereiche konzentrieren, verzeichnen trotz hoher Innovationsintensität ein vergleichsweise schwächeres Beschäftigungswachstum.

Die Studie knüpft damit an die breitere Debatte darüber an, ob Innovationen zu einem potenziellen Verlust von Arbeitsplätzen führen. Diese Frage wird in der Öffentlichkeit häufig diskutiert, da es Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von Automatisierung und Künstlicher Intelligenz auf die Beschäftigung gibt. Die Studie zeigt jedoch, dass Innovationen die Produktivität der Unternehmen steigern, die Nachfrage nach Arbeitskräften ankurbeln und letztlich das Beschäftigungswachstum fördern.

„Innovation ist für das Wachstum in Europa von entscheidender Bedeutung. Aber nicht jeder wird davon profitieren – und Bildung ist wichtig. Hier müssen die politischen Entscheidungsträger eingreifen, um sicherzustellen, dass Menschen und Regionen nicht auf der Strecke bleiben. Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas erfordert die Förderung vielfältiger Forschung und Entwicklung auf dem gesamten Kontinent, die Beseitigung struktureller Ungleichheiten in peripheren und kleineren Ländern sowie die Vertiefung der Integration in globale Wissensnetzwerke“, sagt Holger Görg, Projektleiter von RETHINK-GSC und Leiter der Forschungsgruppe „Internationaler Handel und Investitionen“ am Kieler Institut für Weltwirtschaft. „Die Abstimmung dieser Bemühungen mit Bildungs- und Umverteilungsmaßnahmen kann dazu beitragen, dass die Vorteile des technologischen Fortschritts gerechter verteilt werden – was letztlich sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch den Zusammenhalt Europas fördert.“

Bildergalerie

  • Innovationswachstum in Europa (2011 bis 2021)

    Innovationswachstum in Europa (2011 bis 2021)

    Bild: Kiel Institut für Weltwirtschaft

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