Johannes Linden „Made in USA“: Risiko oder Vorteil?

Johannes Linden ist seit über 20 Jahren als Allein- und Konzerngeschäftsführer bzw. Vorstand mittelständischer, international operierender Lösungsanbieter in der Automations- und Maschinenbaubranche tätig. Seit Januar 2023 verantwortet er bei PFISTERER als Sprecher des Vorstands die Ressorts Finance und Operations.

Bild: PFISTERER
28.10.2025

Die mediale Berichterstattung über die USA ist oft von Schlagzeilen geprägt, die den Blick auf das Wesentliche vernebeln können. Bei Pfisterer sehen wir jenseits des medialen Rummels eine klare strategische Notwendigkeit: Der US-Markt hat ein riesiges Potenzial, das wir nicht vom Spielfeldrand aus beobachten wollen. Warum ist unser Engagement dort unumgänglich?

Die Stromnetze der Gegenwart stehen unter Druck. Steigender Verbrauch, technologische Umbrüche und infrastrukturelle Alterung erzeugen weltweit Handlungsbedarf – besonders an jenen Punkten, an denen Verbindungen entstehen. Dort, wo Kabel enden und Anlagen beginnen, zeigt sich, wie robust ein Netz tatsächlich ist. Pfisterer entwickelt seit über hundert Jahren genau für diese Schnittstellen: Verbindungselemente und Isolationslösungen, die im Stromfluss nicht auffallen sollen – und es dennoch nicht dürfen.

Die Nachfrage ist hoch. Elektrifizierung und Dekarbonisierung verändern Netze strukturell. Der weltweite Stromverbrauch wächst jährlich, getrieben durch Wärmepumpen, Elektromobilität und KI-Anwendungen. Gleichzeitig sind viele bestehende Infrastrukturen veraltet – in Teilen 40 bis 60 Jahre alt – und auf neue Anforderungen wie Bidirektionalität oder volatile Spitzenlasten kaum vorbereitet. Für Komponentenhersteller wie Pfisterer bedeutet das: steigende Komplexität, aber auch klare Marktperspektiven.

Der Blick auf die eigenen Wachstumsfelder zeigt dabei deutlich: Die größten Impulse kommen aus Nordamerika. Nicht wegen günstiger Rahmenbedingungen – im Gegenteil. Hohe Arbeitskosten, widersprüchliche Förderlogik und ein komplexes Zollsystem machen Investitionen dort nicht einfacher. Dennoch gibt es einen zentralen Grund für die Präsenz vor Ort. Der Markt in den USA ist der größte Markt weltweit.

Deshalb wurde der Standort Rochester im Nordosten der Vereinigten Staaten gezielt ausgebaut. Die Strategie dahinter ist bewusst pragmatisch: inkrementelles Wachstum, Übertragung etablierter Prozesse, lokale Organisation. Ziel ist es, innerhalb von sechs Jahren die Produktionsmenge in den USA zu versechsfachen – mit einer entsprechenden Erhöhung des lokal produzierten Anteils. In Teilsegmenten wie Verbundisolatoren ist der Markt besonders dynamisch: Für diesen Bereich wird bis 2032 ein jährliches Wachstum von rund 26 Prozent erwartet.

Die Entscheidung für lokale Produktion ist dabei kein Selbstzweck, sondern eine operative Notwendigkeit. Anforderungen an Reaktionszeiten, Serviceverfügbarkeit und Kundenbindung lassen sich aus Europa kaum erfüllen.

Parallel zeigt sich: Viele politische Diskussionen über Energiepolitik in den USA verlaufen an der Realität vorbei. Der Umbau der Netze und der Ausbau erneuerbarer Energien findet – weitgehend unabhängig von Parteizugehörigkeiten – dort statt, wo er wirtschaftlich sinnvoll ist. Texas, Oklahoma oder North Carolina zählen zu den aktivsten Bundesstaaten beim Ausbau regenerativer Kapazitäten – nicht aus ideologischer Überzeugung, sondern aufgrund von Produktionskosten. Subventionen spielen dabei eine Rolle, aber selten in der pauschalen Form, wie sie medial diskutiert wird.

Die übergeordnete Einschätzung bleibt stabil: Der zugrunde liegende Trend ist halt korrekt und der passt – und den werden wir verfolgen.
Investitionen erfolgen dabei nicht spekulativ, sondern auf Basis technischer Erfahrung, Marktbeobachtung und klarer Einschätzungen zur Nachfrageentwicklung. Für Pfisterer bedeutet das keine schnellen Bewegungen, sondern kontinuierliches Anpassen – mit einem klaren Kompass: Marktnähe, Qualität, operative Unabhängigkeit.

Dass dabei auch Risikoanteile bestehen, wird nicht bestritten – wohl aber eingeordnet: Wir müssen schon auch bereit sein, ein bisschen Risiko zu tragen – nicht verrückt, ein bisschen.

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