Nettostromerzeugung in Deutschland Wind und Photovoltaik legen 2022 deutlich zu

Nettostromerzeugung aus Kraftwerken zur öffentlichen Stromversorgung im Jahr 2022 (anklicken für komplette Grafik)

Bild: Bruno Burger, Fraunhofer ISE
10.01.2023

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hat seine Jahresauswertung zur Stromerzeugung in Deutschland 2022 vorgelegt. Das Jahr war einerseits von extremen Preisen, andererseits einem starken Wachstum der Erneuerbaren geprägt. Nur die Photovoltaik konnte dabei die vorgegebenen Ausbauziele erreichen.

Das Fraunhofer ISE hat seine Jahresauswertung zum deutschen Strommix veröffentlicht. Das Hauptergebnis: Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Nettostromerzeugung, das heißt dem Strom, der tatsächlich aus der Steckdose kommt, ist im Vergleich zu 2021 gestiegen. Doch nicht für alle Energieerzeuger fiel das Jahr gleich ertragreich aus.

Deutsche PV-Anlagen erzeugten 2022 etwa 58 TWh, wovon circa 53 TWh ins öffentliche Netz eingespeist und 5 TWh selbst verbraucht wurden. Der Zubau von EEG-Anlagen mit 6,1 GW erhöhte die installierte Leistung auf circa 66 GW (Stand November). Dies war der höchste Photovoltaik-Zubau seit 2013. Aufgrund dessen und des sonnigen Wetters stieg die Solarstromerzeugung um 19 Prozent gegenüber 2021. Von April bis August und im Oktober war die monatliche Stromerzeugung von PV-Anlagen höher als die von Steinkohlekraftwerken und von März bis September höher als die von Gaskraftwerken.

Mäßiges Jahr für Wind und Wasser

Für Onshore-Wind war 2022 ein durchschnittliches Jahr, offshore war es eher unterdurchschnittlich. Beides zusammen produzierte circa 123 TWh (gegenüber 112 TWh in 2021).

Am meisten Strom wurde aus Windenergie erzeugt, gefolgt von Braunkohle, Solar, Steinkohle, Erdgas, Biomasse, Kernkraft und Wasserkraft. Der Anteil der Onshore-Windstromproduktion betrug rund 99 TWh und die Offshore- Produktion rund 25 TWh, wovon circa 21 TWh in der Nordsee und 4 TWh in der Ostsee erzeugt wurden. Der Zubau von Wind sowohl onshore als auch offshore war erneut sehr schwach: Ende November 2022 lag die installierte Leistung von Onshore-Wind bei 58 GW (plus 2,1 GW gegenüber 2021) und von Offshore-Wind bei 8,1 GW (plus 0,3 GW). Gemeinsam produzierten Solar- und Windenergieanlagen im Jahr 2022 etwa 181 TWh, das sind rund 21 TWh mehr als 2021.

Die Wasserkraft lag aufgrund des heißen und trockenen Sommers in der Erzeugung mit 16 TWh deutlich unter dem Wert von 2021 (19 TWh). Die Biomasse lag mit 42,2 TWh leicht über dem Wert des Vorjahres. Die installierte Leistung hat sich kaum verändert.

Gesamter Zuwachs der Erneuerbaren

In Summe produzierten die erneuerbaren Energiequellen im Jahr 2022 circa 244 TWh und damit etwa 7,4 Prozent mehr als im Vorjahr (227 TWh). Ihr Anteil an der öffentlichen Nettostromerzeugung stieg auf 49,6 Prozent (2021: 45,6 Prozent) und ihr Anteil an der Last lag bei 50,3 Prozent.

Die gesamte Nettostromerzeugung beinhaltet neben der öffentlichen Nettostromerzeugung auch die Eigenerzeugung von Industrie- und Gewerbebetrieben, die hauptsächlich mit Gas erfolgt. Der Anteil der Erneuerbaren an der gesamten Nettostromerzeugung einschließlich der Kraftwerke der „Betriebe im verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erden“ liegt bei rund 44,5 Prozent.
Die Last im Stromnetz betrug 484 TWh, circa 20 TWh weniger als 2021. Aufgrund der hohen Strompreise und der höheren Temperaturen wurde wohl deutlich Strom eingespart. Die Last beinhaltet den Stromverbrauch und die Netzverluste, aber nicht den Pumpstromverbrauch und den Eigenverbrauch der konventionellen Kraftwerke.

Comeback der Kohleverstromung

Der Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 führte zu starken Verwerfungen an den Energiemärkten und einem Einbruch der Erdgasimporte aus Russland. In Europa führte dies in Kombination mit einem Ausfall der Hälfte des französischen Atomkraftwerk-Parks zu hohen Strompreisen.

Kompensiert wurde dieser Mangel teilweise durch einen Anstieg der Kohleverstromung, die nach einem seit 2013 rückläufigen Trend nun das dritte Jahr in Folge stieg. Die Braunkohle stieg auf 107 TWh (2021: 99 TWh), die Steinkohle auf 56 TWh (2021: 47 TWh). Die Nutzung von Erdgas zur Stromerzeugung sank dagegen von 52 TWh auf 47 TWh.

Durch die Abschaltung der drei AKWs Grohnde, Gundremmingen C und Brokdorf sank die Erzeugung aus Kernkraft um 50 Prozent, von 65 TWh auf 33 TWh.

Exportüberschuss und steigender Börsenstrompreis

2022 wurde beim Stromhandel (geplant beziehungsweise terminiert) ein Exportüberschuss von circa 26 TWh erzielt. Das sind 9 TWh mehr als 2021. Der Großteil der Exporte floss nach Österreich (16 TWh) und Frankreich (15,3 TWh), gefolgt von der Schweiz (6,6 TWh) und Luxemburg (3,9 TWh). Deutschland importierte Strom aus Dänemark (10,3 TWh), aus Norwegen (3,7 TWh ) und aus Schweden (3,1 TWh).

Der durchschnittliche volumengewichtete Day-Ahead-Börsenstrompreis lag bei 230,58 Euro/MWh beziehungsweise 23,058 Cent/kWh. Das ist ungefähr das 2,5-Fache von 2021 (93,35 Euro/MWh) und das 6,3-Fache von 2019 (36,65 Euro/MWh). Aufgrund der Corona-Pandemie sollte das Jahr 2020 nicht für Vergleiche genutzt werden.

Zur Datengrundlage

Die vorliegende erste Version der Jahresauswertung berücksichtigt alle Stromerzeugungsdaten der Leipziger Strombörse EEX und des europäischen Verbands der Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E bis einschließlich 31. Dezember 2022. Über die verfügbaren Monatsdaten des Statistischen Bundesamtes zur Elektrizitätserzeugung bis einschließlich September 2022 wurden die Viertelstundenwerte der EEX energetisch korrigiert. Für die restlichen Monate wurden die Korrekturfaktoren auf Basis von zurückliegenden Monats- und Jahresdaten abgeschätzt. Die hochgerechneten Werte von Oktober bis Dezember unterliegen größeren Toleranzen.

Zugrunde liegen die Daten zur deutschen Nettostromerzeugung zur öffentlichen Stromversorgung. Die Nettostromerzeugung ist die Differenz zwischen Bruttostromerzeugung und dem Eigenverbrauch der Kraftwerke. Sie wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Die komplette Stromwirtschaft rechnet mit Nettogrößen, beispielsweise für den Stromhandel, die Netzberechnung, Netzauslastung, Kraftwerkseinsatzplanung und so weiter. An den Strombörsen wird ausschließlich die Nettostromerzeugung gehandelt, die Übertragungsnetzbetreiber rechnen mit Nettoströmen, und bei den grenzüberschreitenden Stromflüssen werden nur Nettozahlen gemessen.

Die Nettostromerzeugung repräsentiert den Strommix, der tatsächlich zuhause aus der Steckdose kommt und dort verbraucht wird beziehungsweise mit dem auch Elektrofahrzeuge öffentlich geladen werden.

Bildergalerie

  • Anteil der erneuerbaren Energien an der elektrischen Last in Europa, 2022

    Anteil der erneuerbaren Energien an der elektrischen Last in Europa, 2022

    Bild: Fraunhofer ISE

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