Wir erleben gerade einen tiefgreifenden Epochenbruch, dessen Evidenz überwältigend ist. Die Idee von globaler Governance und Kooperation scheint am Ende. Internationale Institutionen wie die WTO sind de facto zu optionalen Referenzrahmen degeneriert, und die großen multilateralen Foren wie die G20 und G8 haben ihre Relevanz verloren; selbst die G7 zeigen Auflösungserscheinungen. Wir sind quasi am "Nullpunkt" der internationalen Ordnung angekommen – G0.
Besonders deutlich zeigt sich dies im Aufstieg Chinas: In den letzten drei Jahrzehnten hat das Land nicht nur einen historisch einzigartigen Zuwachs an Wirtschaftsmacht erzielt und ist heute die größte Handelsmacht der Welt. Es verfolgt auch eine aggressive geoökonomische Strategie, um weltweit einseitige Abhängigkeitsverhältnisse zu etablieren. Parallel fordern Länder des globalen Südens Eigenständigkeit und stellen westliche Wertvorstellungen zunehmend in Frage. Gleichzeitig sind die USA mit massiven Haushaltsdefiziten und wachsender innenpolitischer Polarisierung konfrontiert. Ihre Rolle als globale Ordnungsmacht – lange Zeit getragen von Sicherheitsgarantien und ökonomischer Stabilität wird von weiten Teilen der Trump Administration abgelehnt und dabei das Allianzsystem unterminiert.
Vor diesem Hintergrund stellt sich für Europa die Frage nach der eigenen Handlungsfähigkeit. Handelspolitisch und regulatorisch stark, fehlt es der EU jedoch an außen- und sicherheitspolitischer Schlagkraft. Auch die Entwicklung einer europäischen Verteidigungs- und Rüstungsbasis kommt nur langsam voran. Ungeachtet dessen liegt vor allem im Binnenmarkt erhebliches ungenutztes Potenzial.
Außerhalb des Westens formieren sich neue Kräfte. Die BRICS-Staaten nutzen ihren Verbund zunehmend als Gegenpol zum Westen, während viele asiatische Länder in einem Dilemma stecken, das ein japanischer Thinktank treffend auf den Punkt brachte: „We need the US for our security and China for our economy.“
Für Unternehmen ergibt sich daraus ein klarer Handlungsauftrag. Szenarioanalysen müssen zum Standard werden, um die Tragfähigkeit von Standort- und Investitionsentscheidungen unter veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen zu prüfen. Diversifizierung von Lieferketten, Finanzierungsquellen und Absatzmärkten wird zum entscheidenden Instrument, um Risiken abzufedern.
Gleichzeitig entstehen Chancen: Indien, ASEAN und ein wachsender afrikanischer Binnenmarkt bieten neue Optionen für Kooperation und Handel. Auch im Energiesektor kann der internationale Wettbewerb Innovation und Tempo fördern, wo träge Kooperation lange gebremst hat.
Die Zukunft der Industrie wird von Unsicherheit geprägt sein – aber ebenso werden sich Handlungsspielräume öffnen. Entscheidend ist, diese aktiv zu nutzen. Unternehmen sind gefordert, ihre Stimme einzubringen, strategische Impulse zu geben und ihre eigene Resilienz zu sichern. Werjetzt handelt, gestaltet nicht nur sein Geschäft, sondern gibt auch wichtige Impulse für ein wettbewerbsfähiges Europa in einer neuen Weltordnung.