In den vergangenen Jahren haben die Unternehmen umfangreiche Maßnahmen zur Senkung ihrer Energiekosten umgesetzt. 93 Prozent setzen Energieeffizienzprogramme um und 86 Prozent verfügen über eigene Energieerzeugung, beispielsweise in Form von Photovoltaik, Windkraft oder Kraft-Wärme-Kopplung. 68 Prozent schließen zudem langfristige Direktlieferverträge mit Energieerzeugern ab. Ein Emissionshandels-Management haben 41 Prozent der Unternehmen aufgebaut, weitere planen dies nicht. Parallel berichten 83 Prozent von einer Verschlechterung der Planbarkeit, 67 Prozent sogar von einer deutlichen Verschlechterung. In dieser Gruppe haben 46 Prozent Investitionen bereits verschoben.
„Die Unternehmen haben die klassischen betriebswirtschaftlichen Hebel sehr konsequent genutzt: Effizienz, Eigenstrom, langfristige Verträge und Kostenkontrolle”, sagt Karsten Schulze, Vorstand und Partner bei FTI-Andersch. FTI-Andersch ist die auf Restrukturierung, Business Transformation und Transaktionen spezialisierte Beratungseinheit von FTI Consulting. „Die Allensbach-Daten zeigen klar: Diese Maßnahmen allein reichen vielen Unternehmen nicht mehr aus. Ein positiver Ausblick: In unserer Beratungspraxis erleben wir viele Eigentümer und Manager, die bereit sind, jetzt noch deutlich größere Transformationen anzugehen. Die Realität ist: Die meisten Unternehmen haben in der aktuellen Lage auch keine andere Wahl.“
Unternehmen verlageren gerade Produktionsschritte ins Ausland
Die Studie zeigt, dass strukturelle Anpassungen deutlich an Fahrt aufgenommen haben. Jeder dritte Betrieb (30 Prozent) reduziert oder streicht besonders energieintensive Produkte und jedes fünfte Unternehmen (22 Prozent) verlagert Produktionsschritte ins Ausland oder bereitet dies konkret vor. Gleichzeitig entsteht bei vielen Unternehmen eine neue Standortlogik: 33 Prozent haben bereits Produktionskapazitäten außerhalb Europas aufgebaut, elf Prozent planen dies konkret, vor allem in Asien.
„Produktreduktionen oder Verlagerungen sind ein bewusster Schritt, um das Unternehmen robuster aufzustellen – durch ein fokussiertes Portfolio, geringere Energierisiken oder eine flexiblere internationale Produktionsarchitektur“, sagt Karsten Schulze. „Sie sind kein Zeichen einer Resignation, wohl aber einer bewussten Neuausrichtung. Entscheidend ist, solche Schritte aktiv zu gestalten und nicht darauf zu warten, dass sich Rahmenbedingungen von selbst verbessern. Durch Standortdiversifizierung und eine klare Priorisierung von“
Transformationsdruck wird immer stärker
Mehr als die Hälfte der energieintensiven Unternehmen (56 Prozent) berichtet von starkem oder sehr starkem Wettbewerbsdruck durch außereuropäische Anbieter. Diese profitieren häufig von niedrigeren Energiepreisen, staatlichen Subventionen oder geringerer Regulierung. Um sich zu behaupten, investieren 91 Prozent der Unternehmen in Automatisierung und Digitalisierung. Zwei Drittel (66 Prozent) setzen auf spezialisierte Engineering-Lösungen und 71 Prozent nutzen Qualitäts- und Herkunftsstrategien wie „Made in Europe“. Ein kleinerer Teil setzt zudem auf verkürzte Entwicklungszyklen: Einer von vier Unternehmen (24 Prozent) nutzt bereits „Fast Engineering“, weitere sieben Prozent planen dies.
„Bemerkenswert ist: Ein Großteil dieser Maßnahmen ist nicht länger Zukunftsplanung, sondern bereits umgesetzt“, sagt Karsten Schulze. „Unter den bestehenden Rahmenbedingungen bleiben damit nur noch wenige zusätzliche Reaktionsmöglichkeiten. Umso wichtiger ist es jetzt, Prioritäten klar zu setzen und Entscheidungsfähigkeit herzustellen – und dabei operative Maßnahmen, technologische Hebel und strategische Standortfragen miteinander zu verbinden. Unternehmen, die diesen Dreiklang frühzeitig umsetzen, erhöhen ihre Chancen deutlich, trotz aller Belastungen auf einen stabilen Kurs zu kommen.“
Neue Chancen für energieintensive Betriebe
Neben Wettbewerb und Energiepreisen belasten weitere externe Faktoren die Unternehmen spürbar. 20 Prozent von ihnen berichten von einem erschwerten Zugang zu Fremdkapital. Wo dies der Fall ist, verschieben 77 Prozent Investitionen und 47 Prozent haben zuletzt Arbeitsplätze abgebaut oder planen dies jetzt. Zudem sehen 83 Prozent ihre Planbarkeit verschlechtert, die Mehrheit davon deutlich. 43 Prozent der Industrieunternehmen sind stark oder sehr stark vom zunehmenden globalen Protektionismus betroffen.
„Wenn energieintensive Produktionsstufen in größerem Umfang ins Ausland wandern, verschiebt sich zwangsläufig die Architektur der Lieferketten“, sagt Karsten Schulze. „Das betrifft auch Unternehmen, die weiterhin in Deutschland produzieren: Sie müssen ihre Beschaffungswege, Risikoarchitekturen und Kapazitätsplanungen anpassen. Dadurch entstehen neue Abhängigkeiten – aber auch neue Chancen, etwa durch internationale Partnerschaften oder eine stärkere Fokussierung auf höherwertige, weniger energieintensive Wertschöpfungsstufen.“
Methodik: Für den German Economic Pulse 2025 – State of German Industry hat das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Unternehmensberatung FTI-Andersch insgesamt 169 deutsche Industrieunternehmen telefonisch befragt. Im Fokus standen die Branchen energieintensive Industrie (64 Unternehmen), Maschinen- und Anlagenbau (58) sowie Automobil-Zulieferer (47). Die Stichprobe umfasst sowohl mittelständische Unternehmen (67 mit Umsatz < 100 Mio. Euro) als auch Konzerne (102 mit Umsatz > 100 Mio. Euro). Rund 80 Prozent der Interviews wurden mit Vorständen oder Geschäftsführern geführt, die restlichen mit budgetverantwortlichen Leitern der Bereiche Finance, Strategie und Vertrieb – die Ergebnisse spiegeln damit die Einschätzungen des Top-Managements wider.