Dr. Ina Nordsiek, Miele Start-up-Spirit im Familienunternehmen

Dr. Ina Nordsiek erschließt als Director of Intrapreneurship bei Miele neue Geschäfte durch die Verwendung des Innovationspotenzials der Mitarbeitenden. Vorher war sie Unternehmensberaterin für Unternehmensstrategie und Innovation bei Unity und anschließend verantwortlich für den Aufbau von Corporate Ventures bei der UnternehmerTUM.

Bild: Miele
26.10.2022

Um das Innovationspotenzial der eigenen Mitarbeitenden zu nutzen, installiert Miele ein eigenes Intrapreneurship-Programm. Start-up-Welt trifft auf Traditionskonzern – wie kann das funktionieren ohne die Organisation zu überfordern?

Intrapreneurship beschreibt Unternehmertum in einem etablierten Unternehmen und verfolgt das Ziel unternehmerisches Handeln innerhalb der Belegschaft zu fördern, um dadurch neues Geschäft aufzubauen. Zu diesem Zweck hat das Unternehmen das Miele Pioneers Camp gegründet. Es ermöglicht Mitarbeitenden eigenverantwortlich Ideen zu verfolgen, die entweder in einer neuen Organisationseinheit oder als Ausgründung in einem separaten Unternehmen umgesetzt werden können.

Alle Miele-Mitarbeitenden, vom Auszubildenden bis hin zur Führungskraft, können sich mit ihrer Idee für eine Teilnahme bewerben. Ein Bewerberteam muss allerdings aus mindestens zwei Personen bestehen und die Idee abseits des Kerngeschäfts vom Unternehmen liegen. Teilnehmende des Pioneers Camps können acht Monate einen Teil ihrer Arbeitszeit aufwenden, um ihre Idee voranzubringen. Die Teams erhalten Lean-Start-up Coaching und ein Startbudget von je in etwa 30.000 Euro. Über den Erfolg als Ausgründung oder neue Abteilung entscheidet eine interdisziplinäre Jury bei den regelmäßigen Pitches (Kurzpräsentationen) der Teams. Im Camp werden die Teams durch erfahrene Start-up-Coaches begleitet sowie durch ein großes Mentoren- und Expertennetzwerk unterstützt. Durch diese Community können auch Mitarbeitende ins Intrapreneurship involviert werden, die sich nicht als Intrapreneur sehen, aber dennoch durch ihren Beitrag unterstützen möchten.

Das Miele Pioneers Camp gibt es seit 2021. Seitdem prallen die Kulturen und Prozesse von Start-up-Welt und Traditionsunternehmen aufeinander. Die Konzern-Seite erfordert Qualitäts- und effizienzgetriebene Prozesse, risikoabwägende Entscheidungswege und abgesicherte Infrastrukturen, um wiederholbar exzellente Produkte an den Markt zu bringen. Intrapreneurship hingegen braucht schnelle und flexible Abläufe, Entscheidungen unter hoher Unsicherheit sowie pragmatische, temporäre Infrastrukturen, um neue Produkte schnell am Markt zu vertesten und zu iterieren.

Daher wird die Konzernorganisation mit ständigen Sonderfragen, Zeitdruck und einer Menge an Ideen und notwendigen Entscheidungen strapaziert. Auch jeder einzelne Mitarbeitende muss zunächst verstehen und darauf vertrauen, dass die eigene Idee unabhängig der Hierarchie vorangetrieben werden darf und was es heißt unternehmerische Verantwortung zu übernehmen. Vorgesetzte müssen lernen loszulassen, denn Mitarbeitende arbeiten nun nicht mehr nur an den eigenen Themen und werden auch durch andere Führungskräfte weiterentwickelt. Was hat uns geholfen diese Herausforderungen zu meistern?:

  • Die Unternehmensstrategie hat Intrapreneurship uneingeschränkt unterstützt und eine klare Richtung der Aktivitäten vorgeben. Dies verstärken wir durch eine direkte Beteiligung des Top-Managements in der Jury des Camps.

  • Wir haben eine kontinuierliche Kommunikation intern und extern, die die Erfahrungen des ersten Camps aus Sicht von Teilnehmenden, Vorgesetzten und Top-Management transparent macht.

  • Wir verstehen uns selbst als „Minimal Viable Product“ – wir probieren aus, welches Maß an Change die Organisation gerade vertragen kann und passen unser Programm ständig an.

Nach 1,5 Jahren resümiere ich: Intrapreneurship fördert eine Macherkultur – wir entdecken neue Talente und Geschäftsideen und werden attraktiver als Arbeitgeber wahrgenommen – es braucht aber ein starkes Standing in allen Bereichen des Unternehmens und eine hohe Anpassungsfähigkeit, um das Beste aus beiden Welten herauszuholen.

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