Die Umstellung des Pkw-Verkehrs auf Elektromobilität könnte die Verteilnetze teilweise an ihre Leistungsgrenze bringen. Um eine Überlastung zu verhindern, haben Forschende der TH Köln eine Lösung für kommunizierende Ladestationen entwickelt. Ein Algorithmus steuert auf Basis von Netzzustandsdaten die optimale Auslastung und berücksichtigt dabei auch die Ladepräferenzen der Nutzenden. Die Anwendung ist in den USA patentiert, in der EU wird sie noch geprüft.
E-Autos netzdienlich im Schwarm laden
„Wenn sich viele Haushalte in einem Wohnviertel ein Elektroauto anschaffen, kann das Laden der Fahrzeuge zu Herausforderungen für die Stabilität des Stromnetzes führen. Um einer Überlastung vorzubeugen, gibt es zwei aufwendige Möglichkeiten: Zum einen der kostenintensive und langwierige Netzausbau und zum anderen die Ausrüstung der Gebäude mit komplexer Messtechnik, was aufgrund regulatorischer Vorgaben zudem häufig schwierig umzusetzen ist. Wir verfolgen einen einfacheren Weg, um die Ladevorgänge untereinander koordiniert und netzdienlich zu steuern“, sagt Prof. Dr. Eberhard Waffenschmidt, Projektleiter am Cologne Institute for Renewable Energy (CIRE) der Fakultät für Informations-, Medien- und Elektrotechnik der TH Köln. „Unsere Lösung basiert auf dem Schwarm-Prinzip.“
Die entwickelte Anwendung sammelt Messdaten von in den Gebäuden bereits vorhandenen Ladestationen und kann auf dieser Grundlage den aktuellen Netzzustand ermitteln. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung, um Ladevorgänge so zu steuern, dass die Verteilnetze, also Kabel und Transformatoren, nicht überlastet werden und die erlaubten Spannungsbänder – die obere und untere Grenze der Spannung – nicht unter- beziehungsweise überschritten werden. „Unsere Lösung erfordert keine Anbindung an die Leitwarte des Netzbetreibers. Ein zusätzliches Steuergerät, um die verfügbare Ladeleistung zu verteilen, wird ebenfalls nicht benötigt. Wir setzen auf eine Ladeinfrastruktur, die sich nach der Installation selbstständig verwaltet, ohne dass eine zentrale Instanz die Kontrolle übernimmt. Das bedeutet weniger Aufwand bei Planung und Koordinierung“, erläutert Prof. Dr. Ingo Stadler, der zweite Projektleiter vom CIRE.
Algorithmus koordiniert netzdienliche Ladevorgänge
Um die Lösung zu erproben, entwarf das Projektteam im Labor ein Verteilnetz mit mehreren hundert Metern Kabeln sowie sechs simulierten Haushalten. Diese wurden mittels elektrotechnischer Komponenten wie Wechselrichtern, Batterien sowie Mess- und Steuereinheiten nachgebildet. Drei Racks waren mit einer Wallbox ausgerüstet. Die Steuerung des Systems übernahm ein Algorithmus, dessen grundlegende Funktionen in einem Vorgängerprojekt entwickelt wurden.
„Unser Algorithmus kann den Netzzustand bestimmen. Dafür nutzt er Messdaten wie die elektrische Spannung und die Stromstärke sowie Standardlastprofile zur Ermittlung des aggregierten Stromverbrauchs von Geräten wie Backofen oder Waschmaschine innerhalb eines Haushalts. Darauf aufbauend verteilt das Programm freie Netzkapazitäten auf zu ladende E-Autos. Dabei werden vorgegebene Spannungsgrenzen an allen Stellen des Netzes eingehalten“, erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter André Ulrich.
Zudem können die Besitzer und Besitzerinnen von Elektrofahrzeugen an den Wallboxen wählen, bis zu welcher Uhrzeit welcher Ladestand erreicht werden soll. Mithilfe dieser Daten sowie Informationen zur Netztopologie und zum aktuellen Netzzustand ist der Algorithmus in der Lage, die optimale Betriebsweise für das Gesamtsystem zu ermitteln. In einem Folgeprojekt soll die im Labor erprobte Anwendung um ein Energiemanagementsystem erweitert werden, um weitere steuerbare Stromverbraucher wie beispielsweise Wärmepumpen einbeziehen zu können.
Das Vorhaben GridMaximizer wurde von Prof. Dr. Eberhard Waffenschmidt und Prof. Dr. Ingo Stadler vom Cologne Institute for Renewable Energy der Fakultät für Informations-, Medien- und Elektrotechnik der TH Köln geleitet. Zum Projektteam gehörten die wissenschaftlichen Mitarbeitenden André Ulrich, Marcel Krämer und Sven Lorre. Die Laufzeit betrug 18 Monate. Das Land Nordrhein-Westfalen und der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sowie in einem Vorgängerprojekt der Electronic Components and Systems for European Leadership Joint Undertaking förderten das Vorhaben mit über 800.000 Euro.