Photovoltaik wird biegsam, leicht und überall einsetzbar Photovoltaik wird beweglich: Neue Solarzelle liefert Strom auf jeder Fläche

Prototyp einer flexiblen Perowskit-Organik-Solarzelle: Mit der Tandem-Technologie erzielte das Forschungsteam einen zertifizierten Wirkungsgrad von 26,4 Prozent.

Bild: ChatGPT, publish-industry
04.09.2025

Solarstrom aus der Jacke, vom Autodach oder von der Fassade: Ein internationales Forschungsteam, an dem auch DESY beteiligt war, hat eine flexible Perowskit-Organik-Tandemzelle mit einem Wirkungsgrad von 26,4 Prozent entwickelt.

Flexible Perowskit-Organik-Solarzellen erreichen 26,4 Prozent: Ein neuer Solarzellentyp soll Strom überall dort erzeugen, wo dies mit herkömmlichen Modulen schwierig ist. Auf dem Weg dorthin ist eine internationale Kooperation, an der DESY beteiligt ist, nun ein gutes Stück nähergekommen. Das Forschungsteam konnte eine spezielle Variante, die Perowskit-Organik-Tandemzelle, weiterentwickeln und einen neuen Effizienzrekord erzielen. Ihr Prototyp erreicht einen Wirkungsgrad von 26,4 Prozent und kann somit 26,4 Prozent der einfallenden Lichtenergie in Strom umwandeln.

Solarjacke statt Steckdose

Auf unseren Hausdächern finden sich Silizium-Solarzellen – sie sind bewährt und millionenfach im Einsatz. Doch Silizium fängt nur einen Teil des Sonnenlichts ein, nämlich den sichtbaren Bereich. Andere Wellenlängen, etwa im nahen Infrarot, bleiben ungenutzt. Hier setzt das Tandem-Prinzip an: Dabei werden zwei Materialien, die jeweils unterschiedliche Wellenlängen einfangen, übereinandergestapelt, sodass gemeinsam ein breiteres Spektrum – von ultraviolett bis infrarot – genutzt wird. Zellen, die neben Silizium den Halbleiter Perowskit verwenden, gibt es bereits seit kurzem zu kaufen. Sie besitzen überdurchschnittlich hohe Wirkungsgrade.

Ihr Nachteil ist, dass sie ebenso wie klassische Silizium-Module relativ schwer und starr sind. Deshalb forscht die Fachwelt an einer neuen Tandem-Variante. Dabei wird das Perowskit mit einer dünnen Schicht eines organischen Halbleiters kombiniert – es entsteht eine Solarzelle aus Plastik. „Solche Perowskit-Organik-Tandemzellen kombinieren das Beste aus zwei Welten“, erklärt DESY-Forscher Stephan Roth. „Durch die Verwendung zweier Materialien erzeugen sie hocheffizient Strom und durch die Nutzung des organischen Halbleiters können sie flexibel und biegsam sein.“

Neues Molekül für mehr Strom

Bei den bisherigen Prototypen schöpft die untere organische Schicht das infrarote Licht jedoch nur unzureichend aus. Konkret müssen die beiden funktionalen Bestandteile, die Elektronen abgeben bzw. aufnehmen – Donor und Akzeptor genannt – so angeordnet sein, dass sie klar voneinander getrennt, aber eng genug verzahnt sind, um möglichst effizient zusammenzuarbeiten. Genau hier setzte das Team unter Federführung der Universität Singapur an und entwickelte ein neues Akzeptor-Molekül. Dieses soll besser mit dem Donor zusammenarbeiten als frühere Prototypen und somit dabei helfen, einfallendes Infrarotlicht effizienter in Strom umzuwandeln.

Mehr zu organischer Photovoltaik!

Mit dem neuen Molekül stellten die Fachleute einen quadratzentimetergroßen Prototyp im Spin-Coating-Verfahren her, einem gängigen Labormodell für die Verarbeitung dünner Filme. Um herauszufinden, ob dieser Kandidat die passende molekulare Ausrichtung in der organischen Schicht zeigt, wurde der Prototyp an der Röntgenlichtquelle PETRA III des DESY sowie am Synchrotron in Taiwan untersucht. Das Ergebnis: „Mit einem speziellen Röntgenverfahren konnten wir erkennen, dass sich die Moleküle nebeneinandergelegt haben, statt hochkant zu stehen“, erklärt Roth. „Und das ist für den Ladungstransport sehr vorteilhaft.“

Außerdem zeigte sich, dass die Herstellung der Probe in Singapur überaus gut gelungen war: Die kleine Prototyp-Zelle wies eine sehr gleichmäßige innere Struktur auf und die Materialien waren ohne Klümpchen oder Störungen fein verteilt. Mit einer zertifizierten Effizienz von 26,4 Prozent gehört die Zelle zur Spitze aktueller Solarzellentechnologien und übertrifft viele siliziumbasierte Module. Der Rekord wurde von einem unabhängigen Labor bestätigt.

Solarzellen der nächsten Generation: Biegsam, leicht und hocheffizient

Die neue Tandemzelle ist nicht nur effizient, sondern auch leicht, biegsam und vielseitig. Stephan Roth sieht großes Potenzial für ihre Nutzung auf gekrümmten Flächen, beispielsweise an Fassaden, auf Autodächern oder sogar in Textilien. So könnte eine Jacke mit eingearbeiteten Perowskit-Organik-Tandemzellen das Smartphone unterwegs laden – selbst bei diffusem Licht oder im Schatten. Denn dank der hohen Infrarot-Empfindlichkeit könnte eine solche Zelle auch bei Innenbeleuchtung funktionieren.

Bis zur Marktreife gibt es jedoch noch einige Herausforderungen zu meistern: Die Produktion muss auf größere Flächen skaliert werden. Bisher funktioniert das Spin-Coating nur für kleine Proben. Die Fachleute denken deshalb über Alternativen wie die Sprühbeschichtung nach. Auch die Haltbarkeit und Umwelteinflüsse spielen eine Rolle. Organische Materialien sind empfindlich gegenüber Feuchtigkeit und Sauerstoff, weshalb eine Kapselung entscheidend ist. Zudem arbeiten die Forschenden an der Verwendung umweltfreundlicher Lösemittel und an Recyclingstrategien für die verschiedenen Komponenten einer solchen Perowskit-Organik-Zelle.

Ein DESY-Zukunftsprojekt soll bei der Weiterentwicklung dieser Technologie helfen. Die geplante Röntgenlichtquelle PETRA IV könnte weitaus präzisere Einblicke in die Funktionsweise von Solarzellen ermöglichen, beispielsweise durch zeitaufgelöste Studien zur Alterung der Materialien. „PETRA IV würde es uns erlauben, den kompletten Lebenszyklus einer Solarzelle in Echtzeit zu beobachten“, schwärmt Stephan Roth: „von der Herstellung über den Betrieb bis zum Recycling.“

Bildergalerie

  • Stephan Roth bei der Vorbereitung der Probe der Petrowskit-Solarzelle.

    Stephan Roth bei der Vorbereitung der Probe der Petrowskit-Solarzelle.

    Bild: DESY, Marta Mayer

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel