Zwischen Stabilisierung und Unsicherheit

Deutsche Wirtschaft zum Jahresende: Industrie legt zu, Ausblick bleibt verhalten

Die aktuellen Konjunkturdaten zeigen eine steigende Industrieproduktion, die Erwartungen in der Exportwirtschaft, im Handel und auf dem Arbeitsmarkt bleiben jedoch weiterhin verhalten.

Bild: ChatGPT, publish-industry
17.12.2025

Die deutsche Wirtschaft zeigt sich zum Jahresende 2025 insgesamt stabilisiert. Die Industrieproduktion und die Auftragseingänge legten zu, was auf die Inlandsnachfrage zurückzuführen ist. Doch eine schwache Exportperspektive, eine verhaltene Stimmung und strukturelle Risiken dämpfen die Aussichten.

Auf Basis der aktuell vorliegenden Daten zeigt sich die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland zum Jahresende 2025 insgesamt stabil. So legte die Produktion im Produzierenden Gewerbe im Oktober im Vormonatsvergleich um 1,8 Prozent zu, nachdem sie bereits im September angestiegen war. Dabei erholte sich die Industrieproduktion den zweiten Monat in Folge, aber auch das Baugewerbe und die Energieerzeugung stiegen zuletzt spürbar an. Gleichzeitig zeigt die Produktion in den energieintensiven Industriezweigen mit einem Anstieg um 0,6 Prozent Stabilisierungstendenzen. Auch die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe legten deutlich zu. Dabei standen rückläufigen Auslandsbestellungen eine kräftige Steigerung der Inlandsaufträge um knapp zehn Prozent gegenüber. Hierzu trug vor allem ein Großauftrag im Verteidigungsbereich bei.

Wirtschaftliche Stabilisierung zum Jahresende?

Die jüngsten Stimmungs- und Frühindikatoren lassen jedoch für die verbleibenden Monate noch keine durchgreifende konjunkturelle Verbesserung erwarten: Zwar waren die Unternehmen im November mit den laufenden Geschäften etwas zufriedener, laut ifo-Geschäftsklima haben allerdings die Erwartungen einen Dämpfer erfahren, insbesondere in der bedeutenden Automobilindustrie.

Eine Ursache dafür sind sicherlich auch die erneut rückläufigen Ausfuhrerwartungen, die die Stimmung in der deutschen Exportwirtschaft belasten. Auch der S&P-Einkaufsmanagerindex schwächte sich im November ab, vor allem infolge einer ungünstigeren Auftragslage aus dem Ausland sowie einer Verlängerung der Lieferzeiten, die sich zum dritten Mal in Folge ergab. Auch ifo-Umfragen zeigen zunehmende Schwierigkeiten der Unternehmen bei der Versorgung mit Vorprodukten. Für die Industrieproduktion im November deutet der jüngste LKW-Maut-Fahrleistungsindex nach dem starken Anstieg im Oktober auf eine Abschwächung hin.

Auch bei den binnenwirtschaftlich orientierten Dienstleistungen zeigt sich ein uneinheitliches Bild: So waren die Einzelhandelsumsätze im Oktober, vor allem infolge eines schwächeren Handels mit Nicht-Lebensmitteln, leicht rückläufig, während die Kfz-Zulassungen von Privatpersonen erneut spürbar zugenommen haben. Die Stimmung im Handel weist aktuell keine klare Tendenz auf. Einerseits führte laut dem GfK-Konsumklima ein Anstieg der Anschaffungsneigung und ein erneuter Rückgang der Sparneigung im November zu einer leichten Verbesserung des Konsumklimas zum Jahresende.

Andererseits sank die Konsumstimmung im Dezember auf das niedrigste Niveau seit Jahresbeginn, wie das HDE-Konsumbarometer zeigt, und das ifo-Geschäftsklima im Handel trübte sich im November wieder ein. Laut einer Umfrage des HDE zeigt sich der Einzelhandel mit dem für die Branche bedeutsamen Weihnachtsgeschäft bis zuletzt unzufrieden. Dies ist neben einer generell verhaltenen Konsumstimmung auch auf zunehmende Käufe bei ausländischen Online-Handelsplattformen zurückzuführen.

Insgesamt befindet sich die deutsche Wirtschaft weiterhin in einem Spannungsfeld: Einerseits dämpfen außenwirtschaftliche Belastungen in Form einer schwachen Auslandsnachfrage, nachlassender Wettbewerbsfähigkeit und vereinzelter Engpässe bei bestimmten Vorprodukten, andererseits deutet sich eine schrittweise binnenwirtschaftliche Stabilisierung an, die auch von den zuletzt zunehmend spürbaren fiskalischen Impulsen getragen wird.

Robuster Welthandel, aber regionale Unterschiede

Nach einem vorübergehenden leichten Rückgang ist die weltweite Industrieproduktion im September wieder um 1,0 Prozent gegenüber dem Vormonat gestiegen. Die Ausbringungsmenge wurde dabei insbesondere in Japan, China und anderen asiatischen Volkswirtschaften gesteigert, während sie in den USA und im Euroraum nahezu stagnierte. Im Vergleich zum September 2024 lag die globale Produktion zum Ende des dritten Quartals somit 3,5 Prozent höher. Auch für die kommenden Monate stellt sich die Indikatorenlage derzeit robust dar. So deutet der PMI von S&P Global für die Weltwirtschaft trotz eines leichten Rückgangs um 0,3 Punkte auf 52,7 im November weiterhin auf ein solides Wachstum hin.

Im Dienstleistungsbereich signalisiert der Indikator mit 53,3 Punkten dabei nach wie vor eine höhere Aktivität als in der Industrie mit 50,5 Punkten. Die Stimmung unter Finanzinvestoren hat sich im Dezember mit Blick auf die Weltkonjunktur weiter aufgehellt. Mit einem Anstieg von 8,1 auf 10,4 Punkte erreichte der Indikator zum Jahresende sein höchstes Niveau seit Juni 2024. Die Anlegerinnen und Anleger schätzen dabei vor allem die Konjunkturaussichten in Osteuropa, Lateinamerika und Asien (ohne Japan) positiv ein.

Der Welthandel hat sich bis zuletzt als überraschend widerstandsfähig erwiesen. Nach einem leichten Rückgang um 0,4 Prozent im August legte er im September wieder um 1,1 Prozent zu und lag damit über 5 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Allerdings verbergen sich hinter diesen Zahlen deutliche Disparitäten. Haupttreiber des weltweiten Güterhandels war die Dynamik in vielen asiatischen Schwellenländern. Die Entwicklung in fortgeschrittenen Volkswirtschaften wie den USA, Europa und Japan stellte sich dagegen schwächer dar.

Ein ähnliches Bild zeigen auch die Oktober-Daten des RWI/ISL-Containerumschlag-Index: Zwar stieg der Gesamtindikator saisonbereinigt leicht von 136,8 auf 137,2 Punkte. Aufgrund des dritten Rückgangs in Folge reduzierte sich die Containerfracht in den deutschen und europäischen Häfen jedoch weiter deutlich. In den chinesischen Häfen ging der Umschlag dagegen nur leicht zurück. Da die höheren US-Zölle aufgrund von Lageraufbau, Umsetzungsverzögerungen oder Ausnahmen für sich bereits auf See befindliche Fracht noch nicht ihre volle Wirkung entfaltet haben dürften, rechnen Beobachter für die kommenden Monate mit einer Abschwächung der Dynamik des Welthandels.

Ausfuhren zuletzt im Plus, Absatzperspektiven aber herausfordernd

Zu Beginn des vierten Quartals waren die nominalen Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen nach dem vorangegangenen Anstieg saison- und kalenderbereinigt um 1,2 Prozent weiter angestiegen. Von Januar bis Oktober übertrafen sie das Vorjahresniveau um 1,1 Prozent. Dabei wurde vor allem deutlich weniger nach China (-11,5 Prozent) und in die USA (-7,5 Prozent) geliefert, während das Geschäft mit der EU stützte (+3,8 Prozent). Die nominalen Einfuhren von Waren und Dienstleistungen gingen im Oktober nach der vorangegangenen kräftigen Expansion um 0,4 Prozent gegenüber dem Vormonat zurück. Damit liegen sie seit Jahresbeginn in Summe um 4,6 Prozent über dem Vergleichszeitraum 2024, was vor allem auf die allmähliche Erholung der inländischen Konsumgüternachfrage zurückzuführen ist. Dabei wurden sowohl aus der EU (+3,2 Prozent) als auch aus Drittstaaten wie China (+8,3 Prozent) oder den USA (+2,6 Prozent) mehr Güter bezogen. Der monatliche Außenhandelsüberschuss erhöhte sich im Oktober saisonbereinigt von 7,7 Milliarden Euro auf 10,1 Milliarden Euro, da die Exporte stiegen und die Importe sanken. Von Januar bis Oktober fällt er im Vorjahresvergleich aber mit 100,4 Milliarden Euro nach wie vor um 48,2 Milliarden Euro geringer aus.

Die Einfuhrpreise sind im Oktober saisonbereinigt erneut um 0,1 Prozent gestiegen. Während sich die Preise für Energieimporte vergünstigten, kam Preisdruck vor allem von den Vorleistungsgütern. Da die Ausfuhrpreise mit +0,2 Prozent im Vormonatsvergleich etwas stärker zunahmen, verbesserten sich die Terms of Trade geringfügig um 0,1 Prozent. In realer Rechnung dürfte der Zuwachs bei den Ausfuhren entsprechend geringer und der Rückgang der preisbereinigten Einfuhren höher ausgefallen sein. Trotz der nach wie vor recht resilienten Entwicklung der Weltwirtschaft senden die Frühindikatoren für den deutschen Außenhandel bislang kaum positive Signale. Die Auftragseingänge aus dem Ausland bleiben volatil. Nach dem vorangegangenen Anstieg sind sie im Oktober wieder um 4,0 Prozent gegenüber dem Vormonat zurückgegangen, wobei insbesondere die Nachfrage nach Investitions- und Vorleistungsgütern aus dem Nicht-Euroraum nachließ.

Im Sonstigen Fahrzeugbau sowie bei den elektrischen Ausrüstungen kam es hier nach kräftigen Orderzugängen im September zuletzt zu einer Gegenbewegung. Ohne die stark schwankenden Großaufträge lagen die Bestellungen aus dem Ausland zuletzt insgesamt um 0,5 Prozent im Plus. Die ifo-Exporterwartungen haben sich im November wieder deutlich eingetrübt – von +2,2 auf -3,4 Saldenpunkte. Nach zwei hoffnungsvollen Monaten rechnet die Automobilwirtschaft wieder mit rückläufigen Exporten. Auch im wichtigen Maschinenbau wird lediglich eine Stagnation des Auslandsgeschäfts erwartet.

Die aktuelle Datenlage deutet zu Beginn des Schlussquartals lediglich auf eine Stabilisierung, nicht aber auf eine durchgreifende Erholung der Exportwirtschaft hin. Basierend auf aktuellen Prognosen dürften die negativen Auswirkungen der Zollanhebungen auch um die Jahreswende 2025/26 noch deutlich spürbar sein. Damit bleiben die Absatzperspektiven für die deutschen Exporteure in den kommenden Monaten herausfordernd.

Stabile Preisentwicklung im November

Die Inflationsrate, also der Anstieg der Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat, lag im November bei 2,3 Prozent. Damit blieb sie gegenüber Oktober unverändert, verlangsamte sich aber gegenüber dem Sommer. Der Preisauftrieb verlagerte sich weiter von Gütern zu Dienstleistungen. Während die Kernrate minimal sank, blieben die Dienstleistungspreise mit einem Wachstum von 3,5 Prozent der stärkste Preistreiber. Waren verteuerten sich um 1,1 Prozent, während sich die Nahrungsmittelpreise nur noch um 1,2 Prozent erhöhten.

Die Energiepreise bleiben zwar rückläufig, allerdings weniger deutlich als im Sommer. Dienstleistungen erklären den Großteil des Preisanstiegs und kompensieren den weiterhin negativen Beitrag der Energiepreise. Der Beitrag des Preisanstiegs bei Waren zur Gesamtinflation schwächte sich weiter ab, da die Preissteigerungen niedrig blieben und nicht mehr so deutlich nachließen wie zuvor. Lebensmittel trugen nur noch marginal zur Gesamtinflation bei. Damit wird die Verbraucherpreisentwicklung zunehmend von Dienstleistungspreisen (zum Beispiel in den Bereichen Pflege und soziale Dienste) und weniger von Import- und Energiepreisen bestimmt. Die Verbraucherpreise dürften auch in den kommenden Monaten knapp oberhalb von zwei Prozent verbleiben, wobei die Dienstleistungspreise weiter überproportional steigen dürften – unter anderem wegen höherer Tarifabschlüsse, vor allem in der Pflege. Die Preise auf den vorgelagerten Stufen (Erzeugerpreise) sind dagegen im Trend rückläufig, am deutlichsten bei den Agrarprodukten, aber auch in der Industrie.

Stagnation am Arbeitsmarkt setzt sich im Schlussquartal fort

Zum Jahresende zeigt der Arbeitsmarkt eine saisonübliche Entwicklung. So blieb die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit im November mit einem Plus von einer Tausend Person nahezu unverändert. Die Unterbeschäftigung nahm abermals leicht um acht Tausend Personen ab. Auch die Zahl der Erwerbstätigen stagnierte im Oktober gegenüber dem Vormonat mit einem Rückgang um 2.000 Personen. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung legte im September um 12 Tausend Personen zu und liegt damit in etwa auf Vorjahresniveau. Die Inanspruchnahme konjunktureller Kurzarbeit stieg im September mit einem Plus von 37 Tausend Personen erstmals seit Jahresbeginn. Dies entspricht jedoch dem üblichen Anstieg nach Ende der Sommerferien.

Gleichzeitig bewegt sich die Zahl der Kurzarbeiteranzeigen weiterhin auf dem Niveau der Vormonate. Bisher lassen die Frühindikatoren keine Belebung der Arbeitsnachfrage erkennen. Zwar erhöhte sich die Zahl der bei der Bundesagentur gemeldeten offenen Stellen im November spürbar, dies ist jedoch auf die gesammelte Erfassung der Meldungen eines einzelnen Unternehmens zurückzuführen und deutet nicht auf eine Trendwende beim Arbeitskräftebedarf hin. Der anhaltende Stellenabbau zeigt sich auch am deutlichen Rückgang des ifo-Beschäftigungsbarometers. So verschlechterten sich die Beschäftigungsperspektiven im Verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor abermals spürbar. Während der Stellenabbau im Handel anhält, zeichnet sich lediglich im Bauhauptgewerbe ein leicht steigender Arbeitskräftebedarf ab. Angesichts der anhaltend schwachen konjunkturellen Entwicklung ist eine Belebung der Arbeitsnachfrage daher bisher nicht absehbar.

Unternehmensinsolvenzen weiterhin auf hohem Niveau

Nach amtlicher Statistik ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im September um 2,0 Prozent gegenüber dem Vormonat auf 1.940 beantragte Verfahren zurückgegangen. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2025 wurden insgesamt 18.125 Unternehmensinsolvenzen gemeldet, was einem Anstieg von 11,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Dies ist der höchste Stand seit 2014 (18.199). Die voraussichtlichen Forderungen sanken in den ersten drei Quartalen 2025 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 12,0 Prozent, die Zahl der betroffenen Beschäftigten um 11,9 Prozent. Als Ursachen für die weiterhin dynamische Entwicklung des Insolvenzgeschehens sind mehrere Faktoren zu nennen, darunter die anhaltend gedämpfte gesamtwirtschaftliche Entwicklung, strukturelle Herausforderungen, gestiegene Kosten und geopolitische Unsicherheiten.

Der IWH-Insolvenztrend für Personen- und Kapitalgesellschaften, der methodisch enger gefasst ist und zeitlich aktuellere Daten liefert als die amtliche Statistik, weist im November mit 1.293 Insolvenzen einen Rückgang von 17 Prozent gegenüber dem Vormonat sowie von 3 Prozent gegenüber November 2024 aus. Die Zahl der betroffenen Beschäftigten nahm mit 9.000 Personen im Vergleich zum Oktober um 30 Prozent ab und lag damit 25 Prozent unter den Werten von November 2024. Auch für den Dezember erwartet das IWH ein weiterhin rückläufiges Insolvenzgeschehen, prognostiziert aber gleichzeitig für den Jahresbeginn wieder höhere Werte.

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