Stillstand statt Effizienz Deutschland verpasst EU-Ziele und riskiert Milliardenverluste

Versäumte Reformen bremsen Energieeffizienz und Wirtschaft: Deutschland verfehlt EU-Vorgaben und riskiert Milliardenkosten durch verzögerte Gesetzgebung.

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14.10.2025

Deutschland ist beim Energiesparen gescheitert und hat die EU-Frist zur Energieeffizienzrichtlinie verpasst. Laut der DENEFF drohen dadurch Milliardenverluste, geringere Steuereinnahmen und eine höhere Abhängigkeit von Energieimporten. Anstatt Fortschritt droht ein politischer Rückschritt.

Deutschland hat die Frist zur Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED) zum 11. Oktober verpasst. Neben EU-Strafzahlungen drohen Steuermindereinnahmen und wirtschaftliche Einbußen in Höhe von mehreren Milliarden Euro. Noch immer sind wesentliche europäische Vorgaben nicht in nationales Recht überführt. Statt nachzusteuern, droht durch die neue Bundesregierung sogar eine Rolle rückwärts, wenn zur Umsetzung des Koalitionsvertrags das „Heizungsgesetz“ (65-Prozent-EE-Vorgabe für neue Heizungen in Paragraf 71 Gebäudeenergiegesetz) gestrichen und die Pflicht zu Energiemanagementsystemen in der Wirtschaft (EnMS) im Energieeffizienzgesetz so stark aufgeweicht wird, dass sie faktisch wirkungslos ist.

„Allein die Versäumnisse kosten Deutschland jedes Jahr zig Milliarden Euro – durch entgangene Steuereinnahmen und höhere Energiekosten inklusive der extremen Kosten unserer Importabhängigkeit“, warnt Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF). „Nicht die Energieeffizienz belastet unsere Wirtschaft, sondern die politische Zurückhaltung und die drohenden politischen Rollbacks. Jeder Euro, der nicht in Effizienz investiert wird, fehlt mehrfach und ist eine verpasste Chance für Aufschwung, Wettbewerbsfähigkeit und weniger Abhängigkeiten. Von Goldplating, also zu viel Ambition bei der Umsetzung von EU-Recht, kann keine Rede sein.“

Milliardenkosten durch politische Versäumnisse

Neben möglichen Milliardenstrafen wegen der Verfehlung der EU-Klima- und Energieeffizienzziele gehen durch die ausbleibenden Investitionen auch Steuereinnahmen verloren. Allein die Gebäudesanierung trägt mit 600.000 Beschäftigten (UBA, 2024) zu 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bei (Prognose 2025). Das entspricht über 20 Milliarden Euro Steuereinnahmen jährlich, schätzt die DENEFF.

Bis 2030 hat sich Deutschland verpflichtet, 26,5 Prozent Endenergie durch Energieeffizienzmaßnahmen einzusparen (gegenüber 2008). Bis 2024 hat Deutschland real lediglich 13 Prozent Einsparung gegenüber 2008 erreicht. Wenn die Politik weiterhin keine wirksamen Maßnahmen umsetzt und die Regelungen für Gebäudeheizungen und Unternehmen aufweicht, werden bis 2030 nur rund 18 Prozent erreicht – es verbleiben nur noch vier Jahre. Um die Ziele für das Jahr 2045 zu erreichen, müsse Deutschland „umso dringender aufholen“, so Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der DENEFF.

Die Ziellücke beläuft sich auf etwa 200 Milliarden KWh. Das entspricht dem Jahresverbrauch von etwa zehn Millionen Haushalten beziehungsweise 31 Milliarden Euro jährlichen Energiekosten (bei aktuellem Energiemix), die mit vorhandenen Effizienzlösungen wirtschaftlich eingespart werden könnten. Zudem wurden wichtige Rechtsvorgaben aus der EU-Energieeffizienzrichtlinie noch nicht umgesetzt, darunter die Vorbildrolle der öffentlichen Hand bei der Sanierung ihrer Gebäude sowie das „Efficiency First“-Prinzip bei Investitionsentscheidungen in die Energieinfrastruktur. Dies ist etwa bei der Ausschreibung neuer Kraftwerke zu berücksichtigen.

Mehr Abhängigkeit als nötig

Energieeffizienz reduziert nicht nur den Verbrauch, sondern auch die Abhängigkeit Deutschlands von Energieimporten. Statt die Importquote bis 2030 auf rund 55 Prozent zu senken, wie von der EU vorgesehen, dürfte sie bei etwa 60 Prozent verharren. Das entspricht vermeidbaren fossilen Energieimporten im Wert von rund 14 Milliarden Euro pro Jahr. „Deutschland verbessert seine Energieunabhängigkeit viel zu langsam“, sagt Christian Noll.

Offene und gefährdete Vorgaben:

  • Vorbildpflicht der öffentlichen Hand bei Sanierungen (Artikel 6 EED) – nicht umgesetzt.

  • Neue Heizungen: 65 Prozent Erneuerbar-Vorgabe (Paragraf 71 GEG) – steht politisch zur Disposition („Abschaffung Heizungsgesetz“).

  • Efficiency First-Prinzip bei Infrastruktur- und Investitionsentscheidungen – bisher ohne Anwendung im deutschen Energierecht oder bei Kraftwerksneubauten.

  • Pflicht zu Energiemanagementsystemen (EnMS) im EnEfG – droht aufgeweicht zu werden (Absenkung auf EU-Minimalanforderung).

  • Wegfall 2024 gemeldeter Maßnahmen im nationalen Energie- und Klimaplan (NECP), darunter ausgelaufene Umsetzungspflicht für hoch-wirtschaftliche Maßnahmen in Unternehmen (EnSiMiMaV), weggefallene Preisanreize durch Absenkung der Stromsteuer, Nicht-Umsetzung gemeldeter GEG-Änderung („Rest“, bedingte Sanierungspflichten).

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