Ohne Wasserstoff ist eine klimaneutrale Industrie nicht möglich, doch der Hochlauf hängt fest. In seiner Einführungsphase braucht Wasserstoff andere Maßstäbe als ein ausgereifter Markt. Technologien im Aufbau müssen sich zunächst technologisch, infrastrukturell und industriell etablieren, bevor sie sich dem vollen Wettbewerbsdruck stellen können. Eine Bewertung allein nach heutigen Kosten- und Marktparametern ist daher nicht angemessen. In diesem Kontext greift die Kritik des Bundesrechnungshofs an den heutigen hohen Kosten zu kurz.
Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) begrüßt die aktuelle Diskussion um die Chancen und Risiken des Wasserstoffhochlaufs in Deutschland. Wasserstoff – insbesondere grüner Wasserstoff – ist ein zentraler Baustein für die industrielle Transformation, die Versorgungssicherheit und die langfristige technologische Souveränität unseres Landes. Er bietet erhebliches Potenzial für neue Wertschöpfung, Beschäftigung und die Integration erneuerbarer Energien. Die Ursachen für die Probleme beim Wasserstoffhochlauf sind vielfältig. Der VDI hat auf Basis einer umfassenden Analyse fundierte, praxisnahe Handlungsempfehlungen und Maßnahmenpakete für einen beschleunigten Wasserstoffhochlauf vorgelegt.
„Der Bundesrechnungshof kritisiert zu Recht den bisherigen Status Quo beim Wasserstoffhochlauf, notwendig ist aber ein breiterer Blick auf die Ursachen. Trotz klar formulierter Ziele zur Förderung von grünem Wasserstoff der Bundesregierung ist eines der Hauptprobleme nach wie vor fehlender Pragmatismus und Überregulierung beim Einsatz von Wasserstoff“, so VDI-Direktor Adrian Willig. „Es wäre falsch, die bestehenden Probleme zu ignorieren und stattdessen die Nutzung von Wasserstoff voreilig abzuschreiben.“
Das Henne-Ei-Problem
Aus Sicht des VDI besteht neben der Überregulierung derzeit ein klassisches Henne-Ei-Problem: Grüner Wasserstoff ist aktuell teuer, weil seine Produktion und Infrastruktur sich noch im Aufbau befinden. Gerade weil er derzeit teuer ist, wird er weniger nachgefragt – und genau deshalb müssen erst Märkte, Nutzungsanreize und Skaleneffekte entstehen. Sowohl potenzielle Erzeuger als auch Anwender von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten sehen sich mit erheblichen Abnahme- beziehungsweise Versorgungsrisiken sowie hohen Erlösrisiken konfrontiert.
VDI-Direktor Adrian Willig bekräftigt: „Es braucht jetzt verlässliche Rahmenbedingungen auch über 2030 hinaus. Wasserstoff ist eine Zukunftstechnologie, die wie jede Schlüsselinnovation am Anfang Geduld braucht. In der Startphase gelten andere Spielregeln. Wir dürfen nicht die Risiken maximieren und die Chancen minimieren – sondern Verantwortung mit Weitsicht verbinden.“
Es steht außer Frage, dass Wasserstoff ein Schlüssel für die Transformation insbesondere energieintensiver Branchen und für den Industriestandort Deutschland ist und bleibt. Doch der Hochlauf stockt. Fehlende Planungssicherheit, komplexe Regulierung, unklare Finanzierungsmodelle und ein nicht synchronisierter Infrastrukturausbau bremsen Tempo und Investitionen. Im Rahmen seiner Initiative Zukunft Deutschland 2050 hat der VDI konkrete Vorschläge in einem Impulspapier zum Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland vorgelegt.