Technischer Weg zur Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs

Transformation der Logistik: Was für elektrische Lkw jetzt nötig ist

Elektrische Lkw sind technisch einsatzfähig: Doch die Reichweite und der Depotbetrieb werden durch die Ladeinfrastruktur und die betrieblichen Abläufe bestimmt.

Bild: ChatGPT, publish-industry
19.12.2025

Zwei Fallstudien des Öko-Instituts zeigen: E-Lkw können viele Fernverkehrsprofile erfüllen, stoßen aber beim Nachtladen an die Grenzen der Infrastruktur. Eine gemeinsame Analyse mit Rigterink und Dachser hat zudem ergeben, dass sich große Depots zwar technisch elektrifizieren lassen, dafür jedoch erhebliche Prozessanpassungen erforderlich sind.

In zwei neuen Fallstudien kommt das Öko-Institut zu dem Ergebnis, dass die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs grundsätzlich technisch machbar ist – sowohl im Fernverkehr als auch bei der vollständigen Elektrifizierung großer Lkw-Depots. Die Analysen stellen jedoch auch fest, dass dafür die Ladeinfrastruktur und die betrieblichen Prozesse gezielt weiterentwickelt werden müssen.

Beide Analysen entstanden im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung ELV-Live und wurden gemeinsam mit den Praxispartnern Rigterink Logistikgruppe und Dachser unter realitätsnahen Bedingungen erarbeitet. Sie beleuchten zwei zentrale Aspekte der Transformation: den praktischen Einsatz batterieelektrischer Lkw im Fernverkehr und die umfassende Elektrifizierung großer Fuhrparks.

Zuverlässiger Einsatz möglich – Ladeinfrastruktur entscheidend

Die Fernverkehrsstudie basiert auf 23 realen Tagestouren der Rigterink Logistikgruppe sowie auf der detaillierten Analyse von drei Beispielrouten. Aktuelle E-Lkw mit einer Batteriekapazität von rund 600 KWh erreichen Reichweiten von 500 bis 600 km. Damit lassen sich viele der untersuchten Fernverkehrstouren bereits ohne Zwischenladen bewältigen. Rund 40 Prozent der untersuchten Fahrten benötigen unterwegs zusätzliche Energie, jedoch meist nur in geringer Menge. Dieses Zwischenladen kann in der Regel gut in die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen integriert werden, sofern geeignete, für Lkws taugliche Ladepunkte zur Verfügung stehen.

Als kritischster Faktor erweist sich das Nachtladen: 87 Prozent der Fahrzeuge erreichen nachts kein Unternehmensdepot, während öffentliche Ladepunkte vielfach zu weit entfernt liegen oder baulich nicht geeignet sind. Dadurch drohen Konflikte mit den gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten, wenn lange Umwege zum nächsten verfügbaren Ladepunkt erforderlich werden.

„Elektrische Fern-Lkw können viele Einsatzprofile bereits heute abdecken“, betont Florian Hacker, Projektleiter am Öko-Institut. „Damit dies jedoch zuverlässig gelingt, muss eine deutlich breiter verfügbare Lkw-taugliche Ladeinfrastruktur entstehen – insbesondere für das Nachtladen.“

Elektrifizierung großer Depots – technisch machbar

Die zweite Fallstudie untersucht die potenzielle Vollelektrifizierung einer Niederlassung von Dachser mit rund 250 Fahrzeugen. Ohne Lademanagement würden beim gleichzeitigen Laden der Fahrzeuge nach ihrer Rückkehr ins Depot Lastspitzen von 22 bis 27 MW auftreten. Dies entspricht einem Vielfachen der am Standort geplanten Netzanschlussleistung. Durch zeitversetztes und standzeitbasiertes Laden könnte der Spitzenbedarf allerdings auf 4,3 MW reduziert werden. Durch den Einsatz eines Batteriespeichers sinkt dieser weiter auf 3,8 MW. Unter günstigen Standortvoraussetzungen ist die Elektrifizierung somit technisch grundsätzlich möglich.

Gleichzeitig bleiben betriebliche Herausforderungen bestehen. Viele notwendige Anpassungen – darunter häufiges Umparken, neue Abläufe, Priorisierungslogiken und die Integration in IT-Systeme – sind erforderlich und müssen im Praxischeck im Detail bewertet werden. Zudem hängt die technische und organisatorische Umsetzbarkeit einzelner Maßnahmen stark vom jeweiligen Standort ab. Die Autorinnen und Autoren betonen, dass vertiefende Analysen notwendig sind, etwa zu den Kosten der Ladeinfrastruktur, den Mehrkosten und der Machbarkeit der Veränderung betrieblicher Abläufe, dem Netzanschluss, stationären Speichern oder Umbauten.

Trotz dieser Einschränkungen zeigt die Analyse einen klaren möglichen Transformationspfad auf. Florian Hacker fasst zusammen, dass eine vollständige Elektrifizierung großer Depotflotten grundsätzlich technisch möglich ist, jedoch nicht „nebenbei“. Unternehmen benötigen dafür realistische Planungsgrundlagen, deutlich veränderte betriebliche Prozesse, Kostentransparenz, eine enge Zusammenarbeit mit Netzbetreibern und die Unterstützung weiterer zentraler Akteure. „Wenn diese Bausteine zusammenkommen, kann dieser tiefgreifende Wandel gelingen.“

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