Prof. Dr. Julia Arlinghaus, Fraunhofer IFF Neue Risiken in der smarten Fabrik managen

Prof. Dr. Julia Arlinghaus ist Leiterin des Fraunhofer IFF sowie Inhaberin des Lehrstuhls für Produktionssysteme und -automatisierung an der Universität Magdeburg. Mit ihrem Team erforscht sie Lösungen für den effizienten Fabrikbetrieb sowie die nachhaltige und resiliente Gestaltung globaler Wertschöpfungsketten. Seit 2021 ist sie Mitglied des Wissenschaftsrats der Bundesregierung.

Bild: Fraunhofer IFF, Juergen Loesel
17.11.2021

Die smarte Fabrik birgt riesige Potenziale im globalen Wettbewerb. Industrie-4.0-Projekte scheitern aber oft an unterschätzten Risiken. Eine besondere Rolle spielt dabei der Mensch. Wie gelingt es, neue Technologien in die Wertschöpfungsprozesse erfolgreich zu inte­grieren, Effizienz und Nachhaltigkeit zu steigern und Risiken aktiv zu managen?

Industrie 4.0 steht für die Digitalisierung und Vernetzung der industriellen Wertschöpfung. Neben der Steigerung von Effizienz, Flexibilität, Lieferservice und Qualität entstehen entlang der Wertschöpfungsnetze ganz neue Produkte, Services und datenbasierte Geschäftsmodelle. Die Vision der selbststeuernden, adaptiven Fabrik zieht immer mehr Unternehmen in ihren Bann. Der Einsatz neuer Technologien und die Vernetzung in Fabriken und Gebäuden, Anlagen und Produkten birgt aber auch neue bisher unterschätzte Risiken.

Im globalen Wettbewerb können höherer Lieferservice und verbesserte Qualität, steigende Produktivität und sinkende Kosten für Wartung, Instandhaltung und Lagerung sowie kürzere und effizientere Entwicklungsprozesse langfristig die Marktposition sichern. Der erhoffte Effizienzsprung von bis zu 45 Prozent in der smarten Fabrik wäre die vierte industrielle Revolution.

Zehn Jahre nach der Einführung des Begriffes Industrie 4.0 zeigt sich, dass viele dieser Potenziale bisher nicht realisiert wurden. Ein wesentlicher Grund dafür: Risiken wurden in Industrie-4.0-Projekten bisher oft nicht systematisch gemanagt. Der Projektfokus liegt häufig auf den vielfältigen Vorteilen und Potenzialen.

Die Basis für Computerisierung und Vernetzung bildet die operative Exzellenz. Durch den Abbau von Schnittstellen, die Standardisierung von Prozessen und Harmonisierung der IT-Landschaft müssen zunächst die Voraussetzungen für weitere Digitalisierungspotenziale geschaffen werden. Denn auch die hohe Komplexität, fehlende Flexibilität und mangelnde Interoperabilität gefährden neue Prozesslösungen. Auch fehlt es oft an den erforderlichen Kapazitäten für die Implementierung und für den operativen Betrieb: besonders Personal-, IT- und finanzielle Ressourcen müssen ausreichend vorhanden sein. Die Fehleranfälligkeit von Technologien und Prozessen ist der größte Risikofaktor für den Erfolg von Digitalisierungs- und Automatisierungsprojekten. Daher sollte ausreichend Zeit für Technologieauswahl, Pilotierung und Behebung von „Kinderkrankheiten“ eingeplant werden.

„Der Mensch im Zentrum der industriellen Wertschöpfung.“ Diese Vision hat die EU-Kommission Anfang des Jahres 2021 unter dem Begriff „Industrie 5.0“ präsentiert. Die menschen-zentrierte und resiliente Produktion. Unsicherheit, Unwissenheit über Projektziele und Motivation, fehlendes Knowhow und wenig Übung im Umgang mit neuen Technologien sind zentrale Hemmnisse und Risikofaktoren für die Fabrik der Zukunft. Ein systematisches Risikomanagement schließt auch menschliche Fehlerquellen ein.

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