Hinter der Fassade: Wenn Führung zur Belastung wird Leadership Fatigue als stille Gefahr für Führungskräfte und Unternehmen

Leadership Fatigue macht sich oft schleichend bemerkbar, birgt jedoch erhebliche Risiken für Führungskräfte und Unternehmen. Doch durch Selbstführung und neue Führungsstrukturen kann die Belastung jedoch erheblich reduziert werden.

Bild: ChatGPT, publish-industry
11.08.2025

Die stetig wachsenden Anforderungen an Führungskräfte bringen viele von ihnen an ihre Grenzen. Leadership Fatigue, die stille Erschöpfung hinter der Fassade, bedroht nicht nur die Gesundheit von Führungspersönlichkeiten, sondern auch die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Erfahren Sie, warum Selbstführung und Selbstfürsorge essenziell sind und wie Organisationen durch neue Strukturen entlasten können.

Die Anforderungen an Führungskräfte verändern sich derzeit rasant. Digitalisierung, Fachkräftemangel, hybride Arbeitsmodelle und steigende Komplexität zehren an der mentalen und emotionalen Substanz. Doch oft bleibt die Erschöpfung unsichtbar, bis sie wie ein schleichendes Gift wirkt: Leadership Fatigue. Was steckt dahinter, welche Risiken drohen und warum sind Selbstführung und Selbstfürsorge entscheidend, um Führungskräfte langfristig zu erhalten?

Die stille Erschöpfung hinter der Fassade

Führung bedeutet heute weit mehr als nur Zielvorgaben und Kontrolle. Von modernen Führungskräften wird erwartet, dass sie Visionäre, Entscheider, Krisenmanager und emotionale Stabilisatoren zugleich sind. Neue Generationen fordern Sinn und Partizipation, Teams arbeiten zunehmend hybrid und über Grenzen hinweg, und Unternehmensprozesse gestalten sich immer komplexer. Hinzu kommen Dauerkrisen, wirtschaftliche Unsicherheiten und der Druck, permanent verfügbar zu sein.

Leadership Fatigue beschreibt die schleichende, oft unbemerkte Erschöpfung von Führungskräften. Anders als beim klassischen Burnout verläuft sie häufig subtiler. Sie äußert sich unter anderem in nachlassender Entscheidungsfreude, abnehmender Präsenz im Alltag, zunehmendem Zynismus angesichts der Krisen und dem Gefühl, trotz großen Einsatzes keine Wirkung mehr zu erzielen. Dieser Zustand gefährdet nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.

Warum besonders der Mittelstand betroffen ist

In vielen mittelständischen Unternehmen gibt es kaum Strukturen zur Entlastung von Führungskräften. Die Rollen im Betrieb überlappen sich zunehmend: Strategische Planung, operative Umsetzung und direkte Mitarbeiterführung vereinen sich in einer Person. Coaching, Supervision oder Reflexionsräume sind im Berufsalltag selten verankert, sodass viele Führungskräfte ihre Teams eher „aus dem Bauch heraus“ managen, ohne eine nachhaltige Entwicklungsbegleitung zu bieten. Das Ergebnis: Dauerstress entwickelt sich zur Normalität und Erholung zur Ausnahme. Leadership Fatigue ist hier weniger ein individuelles Versagen als ein Ausdruck einer überforderten Führungsrealität.

Selbstführung und Selbstfürsorge als Führungsaufgabe

Führen bedeutet nicht nur, andere zu lenken, sondern vor allem, sich selbst zu führen. Wer an seiner Position dauerhaft wirksam sein will, braucht eine klare innere Stabilität. Selbstführung bedeutet, die eigenen Grenzen zu kennen, Prioritäten zu setzen, Pausen einzulegen und die eigene Energie nachhaltig zu managen. Dazu gehört selbstverständlich auch der Mut, an manchen Stellen „Nein“ zu sagen und Aufgaben innerhalb des eigenen Teams bestmöglich weiterzugeben, um den Fokus über die gesamte Aufgabenbreite zu bewahren.

Selbstfürsorge ist dabei keine Luxusangelegenheit, sondern eine zentrale und entscheidende Kompetenz moderner Führung. Sie umfasst mentale, emotionale und körperliche Regeneration. Es geht dabei um ausreichend Schlaf und Bewegung, bewusste Auszeiten von der Arbeit sowie mentale Hygiene in Form des gesunden Umgangs mit Selbstzweifeln, Perfektionismus und Daueranspannung. Wer sich im Zuge seiner täglichen Arbeit selbst verliert, kann andere nicht führen. Wer sich selbst stabilisiert, bleibt auch in Krisen klar und entscheidungsfähig.

Neue Führungsstrukturen gegen Leadership Fatigue

Neben individueller Selbstführung braucht es ein systematisches Umdenken. Führung muss als lernender Prozess verstanden werden. Dafür sind klare Rollen, echte Austauschformate und strukturelle Unterstützung für die jeweiligen Führungskräfte notwendig. Möglichkeiten sind hier unter anderem Tandemmodelle, die Verantwortung verteilen, regelmäßige Peer-Gruppen zur Reflexion oder die gezielte Trennung von Fach- und Führungsaufgaben im Arbeitsumfeld. Unternehmen, die solche Rahmenbedingungen schaffen, schützen nicht nur ihre Angestellten, sondern sichern sich auch langfristig die Motivation im Team, die Innovationskraft im Unternehmen und die wirtschaftliche Stabilität.

Klarheit statt Erschöpfung

Leadership Fatigue ist ein klares Warnsignal für individuelle Belastung ebenso wie für strukturelle Defizite in Unternehmen. Wer Führungsstärke langfristig erhalten will, muss die Menschen hinter der Rolle stärken. Selbstführung und Selbstfürsorge sind keine Nebenthemen, sondern elementare Bausteine einer modernen Führungskompetenz. Und Organisationen tragen die Verantwortung, Führung nicht zur Dauerbelastung werden zu lassen. Denn gute Führung entsteht nicht aus Erschöpfung, sondern aus Klarheit, Balance und entsprechender Entwicklung.

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  • Ben Schulz, Unternehmensberater, Vorstand von Ben Schulz & Partner und Spiegel-Beststeller-Autor.

    Ben Schulz, Unternehmensberater, Vorstand von Ben Schulz & Partner und Spiegel-Beststeller-Autor.

    Bild: Uwe Klössing

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