Deutsche Unternehmen erwarten mehr Umsatz in UK Deutsch-britischer Handel so positiv wie seit dem Brexit nicht mehr

KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Nach Jahren des Rückgangs seit dem Brexit stabilisiert sich das Handelsvolumen allmählich, während neue Sicherheits- und Wirtschaftsabkommen sowie wachsende Investitions- und Kooperationschancen auf eine vorsichtige Wiederbelebung der bilateralen Beziehungen hindeuten.

Bild: iStock, DesignRage
13.10.2025

Der „German-British Business Outlook 2025“, den KPMG in Deutschland gemeinsam mit der British Chamber of Commerce in Germany (BCCG) bereits im siebten Jahr in Folge erstellt, belegt eine klare Trendwende: 85 Prozent der deutschen Unternehmen erwarten eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich, 40 Prozent rechnen sogar mit einer „deutlich engeren“ Kooperation.

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Treiber dieser Neubewertung sind die geopolitischen Spannungen: Der protektionistische und unvorhersehbare Kurs der USA sowie die akuten Sicherheitsbedrohungen in Europa und weltweit rücken die deutsch-britischen Beziehungen stärker in den Fokus. Der im Mai 2025 geschlossene UK-EU-Sicherheits- und Verteidigungspakt sowie der Freundschaftsvertrag Deutschland-UK vom Juli 2025 haben Signalwirkung für die Wirtschaft – sie schaffen neues Vertrauen in die bilateralen Beziehungen.

Gleichzeitig bleiben die Handelszahlen ein Mahnmal: Seit dem Brexit-Referendum 2016 ist das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern um rund ein Drittel von 38 Millionen Tonnen auf 25 Millionen t (2024) gesunken. Auch die zuletzt gestiegenen Exporte von Deutschland nach Großbritannien – von 65,0 Milliarden Euro (2021) auf 80,3 Milliarden Euro (2024) – sind maßgeblich auf höhere Goldverkäufe über die Londoner Goldbörse zurückzuführen. Bereinigt um diesen Effekt stagnierten die Exporte bei rund 73 Milliarden Euro.

Unternehmen wünschen sich Handelserleichterungen

60 Prozent der befragten Unternehmen wünschen sich von der britischen Regierung verbesserte Handelsbeziehungen zur EU, 43 Prozent sprechen sich für den Abbau von Handelshemmnissen aus. 55 Prozent der Unternehmen wünschen sich zudem, dass die deutsche Regierung die anstehende Überprüfung des EU-UK-Handelsabkommens im Jahr 2026 nutzt, um bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu erreichen. 43 Prozent plädieren für eine stärkere bilaterale Zusammenarbeit auf politischer und wirtschaftlicher Ebene.

„Die bevorstehende Überprüfung des Brexit-Abkommens bietet die Chance, die Wirtschaftsbeziehungen der beiden Länder für die Zukunft positiver zu gestalten und auf die weltweit zunehmenden geopolitischen Spannungen zu reagieren“, sagt Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

„Die 2025 geschlossenen neuen Abkommen zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich sind mehr als eine symbolische Geste – sie sind vielversprechende Bausteine einer neuen europäischen Architektur. Deutschland und das Vereinigte Königreich können gemeinsam ihre wirtschafts- und sicherheitspolitischen Beziehungen stärken und in Europa eine Führungsrolle übernehmen.“

Optimismus bei Umsatz und Investitionen nimmt spürbar zu

Die Geschäftserwartungen im deutsch-britischen Korridor hellen sich weiter auf: Für 2025 rechnet knapp jedes zweite Unternehmen (48 Prozent) mit steigenden Umsätzen. Im Fünfjahresausblick sind sogar 72 Prozent optimistisch. Gleichzeitig hat sich der Anteil der Pessimisten für den gleichen Zeithorizont mehr als halbiert – nur noch 11 Prozent erwarten langfristig Umsatzrückgänge (2024: 26 Prozent).

Auch die Investitionsbereitschaft wächst: Knapp jedes dritte deutsche Unternehmen (31 Prozent) plant in den kommenden fünf Jahren Investitionen von über fünf Millionen Euro, davon 8 Prozent sogar von mehr als hundert Millionen Euro. Auffällig ist der Zuwachs bei mittelgroßen Projekten: 12 Prozent der Unternehmen wollen zwischen 5 und 100 Millionen Euro investieren, verglichen zu 7 Prozent im Vorjahr. Dennoch bleibt die Zurückhaltung spürbar: Für das laufende Geschäftsjahr verfolgen 41 Prozent der Unternehmen keinerlei Investitionspläne.

„Die Unternehmen signalisieren ein klares Comeback des britischen Marktes. Entscheidend ist, dass aus ersten Investitionssignalen ein stabiler Trend wird. Dafür braucht es Verlässlichkeit in der Wirtschaftspolitik“, so Michael Schmidt, Präsident der Britischen Handelskammer in Deutschland (BCCG).

Wachstumschancen im Vereinigten Königreich

Knapp jedes zweite deutsche Unternehmen (48 Prozent) sieht das Vereinigte Königreich als wachsenden Absatzmarkt (2024: 44 Prozent). Besonders attraktiv sind die sich transformierenden Sektoren – von Advanced Manufacturing und Clean Energy über digitale Technologien und Life Sciences bis hin zu Verteidigung. 30 Prozent der Befragten sehen hier konkrete Chancen (2024: 24 Prozent).

Ebenfalls 30 Prozent schätzen die Vorteile einer weniger restriktiven Regulierung im Vereinigten Königreich im Vergleich zur EU (2024: 24 Prozent). Gleichzeitig fordern 66 Prozent der deutschen Unternehmen von der deutschen Bundesregierung einen konsequenten Bürokratieabbau.

Die deutlichste Veränderung gegenüber dem Vorjahr betrifft die Handelsabkommen des Vereinigten Königreichs: Jedes vierte deutsche Unternehmen (25 Prozent) sieht in den 2025 abgeschlossenen Handelsabkommen mit Indien und den USA einen relevanten Wachstumstreiber – nach lediglich 8 Prozent im Vorjahr sowie 7 Prozent im Jahr 2023.

„Unternehmen schätzen am Vereinigten Königreich das wirtschaftsfreundliche Umfeld mit mehr Freiräumen und weniger Regulierung. Hinzu kommt die Möglichkeit, eigenständig Handelsabkommen abschließen zu können – ohne Rücksicht auf andere Länder“, betont Glunz.

Zentrale Kooperationsbereiche: Digitalisierung und Verteidigung

Die Digitalisierung bleibt der Schwerpunkt der deutsch-britischen Zusammenarbeit. Nahezu unverändert zum Vorjahr sehen 45 Prozent (im Vorjahr 47 Prozent) der deutschen Unternehmen hier Chancen für Kooperationen. Der am stärksten wachsende Bereich ist Sicherheit und Verteidigung: Er ist jetzt für 43 Prozent der Befragten relevant – eine direkte Folge der veränderten geopolitischen Sicherheitslage und des gerade geschlossenen UK-EU-Sicherheits- und Verteidigungspakts. Im Vorjahr waren es nur 26 Prozent.

„Der Ukraine-Krieg zeigt: Die Handlungsfähigkeit Europas beruht auf starken Allianzen. In einer europäischen ‚Koalition der Willigen‘ können Sicherheit und Verteidigung zum Katalysator für technologische und wirtschaftliche Stärke werden,“ betont Glunz.

Neue Regulierungen zwischen UK und EU belasten Unternehmen

Seit 2024 greifen im deutsch-britischen Wirtschaftsraum schrittweise neue Vorschriften, die nach dem Brexit zunächst verschoben wurden. Am stärksten wirkt sich die Einführung der „Electronic Travel Authorization“ (ETA) im Jahr 2025 aus: 32 Prozent der Unternehmen erleben dadurch Belastungen.

Knapp jedes vierte Unternehmen (23 Prozent) sieht erhebliche Auswirkungen durch die bereits beschlossenen sowie die noch erwarteten Änderungen im britischen Einwanderungsrecht (2024: 20 Prozent).

Andere Regelungen wurden hingegen mittlerweile verarbeitet und haben an Schärfe verloren – vor allem das 2024 neu eingeführte Importkontrollsystem („Border Target Operating Model“). 2024 nannten dies noch 34 Prozent eine große Belastung, aktuell sind es nur noch 18 Prozent. Auch die Substitution von EU-Regularien durch neues UK-Recht spielt in der Wahrnehmung deutscher Unternehmen mittlerweile eine geringere Rolle: Ihr Einfluss sank von 28 Prozent im Vorjahr auf 17 Prozent in diesem Jahr.

„Unternehmen auf beiden Seiten des Ärmelkanals haben sich an die neuen Realitäten nach dem Brexit angepasst und die wirtschaftlichen Auswirkungen getragen. In einer Welt, in der protektionistische Tendenzen zunehmen, müssen wir jetzt Brücken bauen, statt neue Mauern zu errichten. Der deutsch-britische Korridor ist nur dann zukunftsfähig, wenn die politischen Entscheidungsträger jetzt den Weg freimachen. Analog zum geopolitischen Schulterschluss und den langfristigen Verträgen im Bereich der Verteidigung sollte auch für die Wirtschaft jetzt ein entsprechendes Abkommen mit substantiellen Verbesserungen und Erleichterungen folgen“, so das Fazit von Michael Schmidt (BCCG).

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