Die Energiewende mit Datenaustausch voranbringen Dekarbonisierung braucht Daten: Wie Energienetze fit für die Zukunft werden

Die Dekarbonisierung der Stromnetze verlangt mehr als nur neue Technik: Es braucht einen reibungslosen, sicheren und standardisierten Datenaustausch.

Bild: iStock, jittawit.21
12.06.2025

In den kommenden Jahrzehnten gilt die Dekarbonisierung der Energieerzeugung als eine Schlüsselinitiative im Kampf gegen den Klimawandel. Die Herausforderung dabei ist, Millionen dezentraler „Mikro-Assets“ wie Solar-Panels und Batterien in Netze zu integrieren, die ursprünglich für die Unterstützung weniger zentraler Kraftwerke konzipiert wurden.

Der Energiesektor steht vor einem fundamentalen Wandel: Der Weg wird sich von zentralen fossilen Kraftwerken zu dezentralen erneuerbaren Energiequellen verlagern. Diese Transformation stellt die Netzbetreiber vor immense Herausforderungen bei der Netzstabilität. Denn während sich große Kraftwerke gut steuern lassen, hängt die Produktion von Solar- und Windkraftanlagen vom Wetter ab.

Zudem sind die Assets weit verteilt und gehören verschiedenen Eigentümern. Das macht die Planung der Energiemenge und die Prognose der Netzauslastung deutlich komplexer. Um hier Abhilfe zu schaffen, bietet sich intelligenter Datenaustausch zwischen allen Beteiligten an.

Um fundierte Entscheidungen treffen zu können, müssen Netzbetreiber und andere Beteiligte Daten erfassen, standardisieren und teilen. Bereits heute ist Datenaustausch im Energiesektor notwendig, etwa durch die wechselseitigen Abhängigkeiten von Netzwerken wie dem ENTSO-E-Netz. Doch künftig wird seine Bedeutung noch steigen.

Die größten Herausforderungen dabei:

  • Sicherheit und Zuverlässigkeit: Netze müssen unter allen Umständen zuverlässig sein, denn im schlimmsten Fall stehen bei einem Ausfall Leben auf dem Spiel. Das erfordert eine Modernisierung der Netze. Gleichzeitig müssen Unternehmen ihre Servicequalität beibehalten. Auch die Datenhoheit spielt eine wichtige Rolle. Die Herausforderung hierbei: Die Kontrollinstanzen befinden sich oft in anderen Ländern als der Standort des Rechenzentrums – und unterliegen somit anderen Gesetzen

  • Vertrauen: Die Menge sensibler Daten wird weiter ansteigen. Damit geht auch die Notwendigkeit einher, die Sicherheitsvorkehrungen zu verschärfen. Das schützt einerseits die Daten selbst und erzeugt andererseits Vertrauen – und damit einen Wettbewerbsvorteil.

  • Interoperabilität: Geteilte Daten helfen nur weiter, wenn jeder relevante Akteur sie auswerten kann. Die Branche muss sich also, wo noch nicht geschehen, auf technische und vertragliche Standards einigen und gemeinsame Prozesse etablieren.

  • Anpassungsfähigkeit: Mit der Weiterentwicklung des Energienetzes müssen auch die zugrunde liegenden IT- und OT-Infrastrukturen mithalten. Die noch häufig anzutreffenden monolithischen Systeme stoßen allerdings oft schnell an ihre Grenzen, wenn es um Interoperabilität, Flexibilität oder Weiterentwicklung geht.

So meistern Energieunternehmen den Wandel im Datenaustausch

Zwischen Stabilitätsanspruch und steigendem Innovationsdruck müssen Energieversorger neue Wege gehen. Vier zentrale Ansätze machen hier den Unterschied:

  1. Architektur mit Weitblick – robust und wandelbar: Moderne IT-Architekturen setzen auf einfache, schlanke Strukturen. Wer starre Monolithen in flexible Microservices überführt und auf CI/CD-Tools sowie Contract Tests setzt, stärkt die Kommunikationsfähigkeit seiner Systeme. Statt auf reine Cloud-Lösungen zu setzen, können Unternehmen Cloud-ähnliche Funktionen im eigenen Rechenzentrum etablieren – für mehr Kontrolle und Anpassungsfähigkeit.

  2. Product Thinking: Mit einem produktzentrierten Denkansatz rücken Datenqualität, Nutzbarkeit und Vertrauen in den Fokus. Das bedeutet: Bei jedem Datensatz die potentielle Verwendung und Wertschöpfung wie bei einem (verkaufsfähigen) Produkt zu managen. Das Konzept der Data Products ermöglicht es Teams, ihre Daten eigenverantwortlich und interoperabel bereitzustellen – klar strukturiert, sicher geteilt und kontinuierlich verbessert.

  3. Vertrauensräume für Daten schaffen: Um Daten sicher und effizient auszutauschen, braucht es verlässliche Rahmenbedingungen. Drei Modelle sind dabei am vielversprechendsten: Jeder teilt mit allen – per Point-to-Multipoint, Vermittlung über neutrale Datentreuhänder, Datenplattformen mit klar definiertem Zweck und Regulierung. Der Common European Energy Data Space und „Digital Spine“ sind erste Projekte in der EU und Großbritannien, die sich dem Datenaustausch verschrieben haben.

  4. Der Datenaustausch geht über die Daten hinaus: Es reicht nicht, nur die Dateninfrastruktur zu modernisieren. Die Netzanbieter müssen auch die zugrunde liegenden Anwendungen, Plattformen und Kommunikationssysteme weiterentwickeln. Erst durch die Kombination aus moderner Software, flexiblen Plattformdiensten und vernetzten Steuerungssystemen entsteht ein leistungsfähiges Ökosystem für den Datenaustausch von morgen.

Der Weg zur Dekarbonisierung wird herausfordernd sein. Doch mit gezieltem Teilen von Daten und den richtigen technischen wie organisatorischen Weichenstellungen kann die Transformation gelingen. Entscheidend wird sein, dass alle Akteure an einem Strang ziehen.

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  • Dr.-Ing. Sebastian Werner ist Principal Data Scientist und Head of AI & Data Solutions Manufacturing & Energy bei Thoughtworks Europa. Nach verschiedenen Management-Rollen in der chemischen Industrie, als CTO eines erfolgreichen Spin-offs und mit tiefgreifender Expertise im Bereich Wertschöpfung aus Telemetriedaten konzentriert er sich auf auf strategische Themen an der Schnittstelle von Datenarchitektur und Datenökonomie.

    Dr.-Ing. Sebastian Werner ist Principal Data Scientist und Head of AI & Data Solutions Manufacturing & Energy bei Thoughtworks Europa. Nach verschiedenen Management-Rollen in der chemischen Industrie, als CTO eines erfolgreichen Spin-offs und mit tiefgreifender Expertise im Bereich Wertschöpfung aus Telemetriedaten konzentriert er sich auf auf strategische Themen an der Schnittstelle von Datenarchitektur und Datenökonomie.

  • Das Stromnetz des Verbandes Europäischer Übertragungsnetzbetrieber.

    Das Stromnetz des Verbandes Europäischer Übertragungsnetzbetrieber.

    Bild: ENTSO-E

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