Steuern in der Niederspannung – komplex und lösbar! CLS-Rollout, aber mit dem richtigen Fahrplan

VIVAVIS AG

Durch die Entwicklungen rund um die Energiewende und die Energiekrise haben ERP-Integration, CLS-Managementsystem, Netzführung et cetera zusätzlich an Dynamik gewonnen.

Bild: iStock, anyaberkut
11.09.2025

Von der ERP-Integration über das CLS-Managementsystem bis zur Netzführung: Wer die Einführung von CLS-Komponenten schrittweise in Teilprojekten angeht und alle relevanten Unternehmensbereiche frühzeitig einbindet, stellt die Weichen für eine zukunftsfähige Netzsteuerung.

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Seit der Einführung der Smart Meter Gateways (SMGW) sowie der zugehörigen technischen Richtlinie des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) existiert er: der Kanal für Controllable Local Systems (CLS). Über diesen Kanal hat das BSI von Anfang an eine Möglichkeit geschaffen, externe Geräte, die einen Mehrwert über das reine Smart Metering hinaus bieten, über den Local Metrological Network (LMN)-Kanal an ein SMGW anzuschließen. Hierzu zählen sowohl Submetering-Anwendungen als auch die Steuerung von EEG-Anlagen und steuerbaren Verbrauchseinrichtungen. Hiermit wird diesen Anwendungen die Möglichkeit gegeben, Teil der Digitalisierung der Energiewende zu werden.

Mit den Entwicklungen rund um die Energiewende und die Energiekrise hat genau dieses Thema zusätzlich an Dynamik gewonnen. Heute sprechen wir nicht mehr über den Smart Meter-Rollout, sondern explizit über den Steuer-Rollout. Der massive Umstieg auf Wärmepumpen – weg von Öl und Gas – sowie die Elektromobilität und das volatile Verhalten von EEG-Anlagen zeigen, dass im Niederspannungsnetz gehandelt werden muss. Nicht überall ist das Netz aktuell hinreichend stark ausgebaut. Der Schlüssel zur Lösung dieser Herausforderung ist der CLS-Kanal des SMGW.

Die CLS-Systemlandschaft

Damit der Prozess zum Steuern in der Niederspannung gemäß Paragraf 14a EnWG und Paragraf 9 EEG zuverlässig und effizient umgesetzt werden kann, muss dieser zukünftig vollautomatisiert ablaufen. Die große Anzahl an zu erwartenden Anlagen, die steuerbar ausgerüstet werden sollen, lässt eine manuelle Handhabung von der Inbetriebnahme bis zum Steuerbetrieb nicht mehr zu. Zur Umsetzung sind zahlreiche Systeme und Prozesse bei Messstellen- (MSB) und Netzbetreibern (NB) anzupassen und teilweise neu zu implementieren.

Das ERP-System als zentrales, stammdatenführendes System sowohl beim MSB als auch beim NB muss in der Lage sein, den sogenannten Universalbestellprozess der Marktkommunikation zu beherrschen. Dieser wurde 2022 von der Bundesnetzagentur eingeführt und dient der vollständigen prozessualen Abwicklung von Steuerungsvorgängen in Verbindung mit intelligenten Messsystemen. Über diesen Prozess wird nicht nur die initiale Bestellung einer Steuerung ausgelöst, sondern auch der Austausch von Konfigurationen für Steuerboxen sowie die Bestellung von Schaltbefehlen abgewickelt.

An der Einführung eines CLS-Managementsystems führt kein Weg vorbei. Es ist erforderlich, um den aktiven EMT, der Verbindungsaufbauten vom SMGW nach BSI-Vorgabe terminiert, bereitzustellen. Zudem übernimmt es die Rolle der Steuerbox-Administration. Dieses System benötigt diverse Schnittstellen, allen voran eine umfangreiche Schnittstelle zum ERP-System. Über diese Schnittstelle werden alle Daten aus dem Universalbestellprozess ausgetauscht, die für eine erfolgreiche Inbetriebnahme und den laufenden Betrieb – etwa das Ausrollen von Schalt- und Leistungskurvendefinitionen – erforderlich sind. Auch Informationen, die das ERP-System für die Bestellung via elektronischem Lieferschein benötigt, laufen über diese Schnittstelle.

Ein integraler Bestandteil des Universalbestellprozesses ist die BDEW-Web-API. Anders als bei anderen Marktprozessen erfolgt die Kommunikation nicht über EDIFACT-Nachrichten, sondern über eine moderne Web-Service-Schnittstelle, mit der kurzfristige Steuerbefehle realisiert werden können. Diese Schnittstelle muss vom Messstellenbetreiber über das CLS-Managementsystem allen berechtigten Marktpartnern – etwa Lieferanten oder Netzbetreibern – zur Verfügung gestellt werden.

Auch der Gateway-Administrator (GWA) spielt im Steuerprozess eine zentrale Rolle: Er ist weiterhin der einzige Akteur, der Zugriff auf ein SMGW hat, um es zu administrieren und Konfigurationen aufzuspielen. Der bestehende Konfigurationsprozess muss nun um die Einrichtung der Steuerbox am SMGW erweitert werden. Idealerweise erfolgt dies über das ERP-System, um Stammdaten- und Prozessführung nicht auf zwei Systeme – ERP und CLS-Management – zu verteilen. Auch zwischen GWA und CLS-Management existiert eine Schnittstelle, zum Beispiel zur Bestellung von Verbindungsaufbauten des SMGW zum aEMT, damit dieser mit der Steuerbox kommunizieren kann. Darüber hinaus übernimmt diese Schnittstelle eine wichtige Rolle bei Störungs- und Wartungsprozessen.

All diese Systeme sind notwendig, um vorbereitend eine Schalthandlung in einer Messstelle durchführen zu können. Doch wer entscheidet, dass an einer bestimmten Stelle geschaltet oder gedimmt werden muss? Hier kommt nun ein weiteres neues System ins Spiel: Die Niederspannungsnetzführung. Sie bildet beim Netzbetreiber die Instanz, die das Niederspannungsnetz inklusive aller Betriebsmittel abbildet, Messdaten erfasst, diese analysiert und daraus Steuerentscheidungen ableitet, die wiederum über das CLS-Managementsystem umgesetzt werden. Dabei nutzt sie die BDEW-Web-API und erhält alle notwendigen Informationen zu einer Steuerbox und den angeschlossenen Anlagen über die ERP-Schnittstelle – also aus dem Universalbestellprozess. Die Messdaten, etwa zur aktuellen Einspeiseleistung und zum Netzzustand, werden vom SMGW aus der modernen Messeinrichtung ausgelesen, als TAF 9 und 10 an einen pEMT bei MSB oder NB gesendet und von dort an die Niederspannungsnetzführung weitergeleitet. Zusätzlich fließen auch Messdaten der Abgänge der Trafostation in die Netzsituationserfassung ein.

Die FNN-Steuerbox

Eine zentrale Komponente zur Steuerung von Anlagen in der Niederspannung ist die FNN-Steuerbox. Sie wurde auf Basis eines Lastenhefts – ähnlich wie bei den SMGW – spezifiziert, um eine interoperable Lösung zu ermöglichen und standardisierte Inbetriebnahme- und Wechselprozesse zu gewährleisten.

Die Steuerbox kann mit vier Teileinheiten kompakt neben dem SMGW auf die moderne Messeinrichtung montiert werden. Sie bietet eine Relaisvariante, die sich besonders für Bestandsanlagen eignet, die bislang per Rundsteuertechnik betrieben wurden. Alternativ können über EEBus moderne Anlagen wie Wärmepumpen, Wallboxen oder Wechselrichter angebunden werden.

Die Steuerbox arbeitet grundsätzlich mit Fahrplänen. Das heißt, Schaltungen können über einen längeren Zeitraum im Voraus definiert werden, einschließlich Schaltzeiten und Leistungskurven. Dabei funktioniert die Steuerbox autark und benötigt keine permanente Verbindung zum Backend.

Steuerung mit Nachweisführung im SMGW

Ein aktuell kontrovers diskutiertes Konzept ist die Steuerung mit Nachweisführung im SMGW oder weniger kompliziert: das Steuern aus dem Gateway heraus. Hierbei soll das SMGW um eine Funktion erweitert werden, die es ermöglicht, steuerbare Verbrauchseinrichtungen per Protokoll wie EEBus direkt anzusprechen – ohne zusätzliche Geräte. Die Steuerung erfolgt dann über das GWA-System. Relaisvarianten sind in diesem Konzept nicht vorgesehen.

Diese Lösung bietet Vorteile wie eine geringere Platzanforderung und potenzielle Kosteneinsparungen, sofern die SMGW-Preise moderat bleiben. Gleichzeitig bringt sie aber Herausforderungen mit sich. So ist beispielsweise unklar, ob jedes an den CLS-Kanal angeschlossene Gerät eine Zertifizierung nach TR-03109-5 benötigt – analog zu den Steuerboxen. Das würde bedeuten, dass jede Wallbox, jede Wärmepumpe und jeder Wechselrichter einer EEG-Anlage zertifiziert werden müsste, bevor ein Anschluss an das SMGW möglich ist. Hier ist das BSI gefordert, eine klare Rechtslage zu schaffen.

Bestandsanlagen, die per Relais geschaltet werden müssen, sind von diesem Konzept ausgenommen und sind weiterhin über eine Steuerbox anzubinden. Daraus ergibt sich eine Übergangsphase, in der zwei Infrastrukturen parallel betrieben werden müssen – bis hin zu den Backendsystemen wie dem CLS-Managementsystem. Diese Situation bleibt bestehen, bis alle Anlagen auf digitale Schnittstellen umgerüstet sind.

Hinzu kommt, dass das SMGW ein Single Point of Failure ist: Fällt es aus, fällt auch die Steuerfunktion weg. Die Steuerbox hingegen kann aufgrund ihrer Spezifikation auch ohne Verbindung zum SMGW und dem Backend autark ihre Fahrpläne abarbeiten.

iRLMSys

Ein weiteres aktuelles Thema ist die Datenerfassung im Bereich der registrierenden Leistungsmessung (RLM) – also für Energieverbrauch >100.000 kWh. In diesem Bereich haben Zuverlässigkeit und Datenvollständigkeit höchste Priorität, da ein Großteil der Einnahmen von Energieversorgern auf diesen Zählern basiert.

Lange Zeit vertrat das BSI die Auffassung, dass RLM-Zähler ausschließlich über den LMN-Bereich des SMGW angebunden werden dürfen. Inzwischen wurde jedoch auch der Anschluss über den CLS-Kanal zugelassen.

Diese pragmatische Lösung erlaubt es, vorhandene Mittel zu nutzen, um umfangreiche RLM-Daten zentral zu erfassen – ohne dass dies dezentral im SMGW und anschließend per Datenversand an einen pEMT erfolgen muss.

Das SMGW stellt – analog zur Steuerbox – einen Kanal am aEMT bereit, über den eine Zählerfernabfrage (ZFA) mittels des etablierten Kommunikationsprotokolls DLMS/COSEM möglich ist. Der zuvor mit dem SMGW verbundene Zähler kann dabei im Push- oder Pull-Betrieb abgefragt werden.

Der große Vorteil: Die bestehende ZFA-Infrastruktur bleibt erhalten. Sie hat sich bewährt und muss lediglich um die Abfrage über den CLS-Kanal ergänzt werden. Sämtliche Prozesse – von Vollständigkeits- und Plausibilitätsprüfungen über Ersatzwertbildung und Stammdatenaustausch bis hin zur ERP-Integration – bleiben bestehen. Der RLM-Zähler wird damit zu einem weiteren, standardisierten Zähler innerhalb der ZFA.

Fazit

Die Einführung von CLS-Komponenten stellt zweifellos eine komplexe, aber lösbare Aufgabe dar. Auch wenn mitunter – trotz gesetzlich klar definierter Einbauverpflichtungen – noch Spielräume suggeriert werden, ist es sinnvoll, sich jetzt dieser Aufgabe zu stellen. Idealerweise erfolgt die Umsetzung iterativ in Form überschaubarer Teilprojekte – unter frühzeitiger Einbindung aller im Unternehmen betroffenen Zuständigkeiten.

Bildergalerie

  • System- und Prozesswelt für das Steuern in der Niederspannung.

    System- und Prozesswelt für das Steuern in der Niederspannung.

    Bild: Vivavis

  • iRLMSys über CLS-Kanal auslesen.

    iRLMSys über CLS-Kanal auslesen.

    Bild: Vivavis

  • Die Vivavis FNN-Steuerbox STBF24C bildet eine zentrale Komponente zur Steuerung von Anlagen in der Niederspannung.

    Die Vivavis FNN-Steuerbox STBF24C bildet eine zentrale Komponente zur Steuerung von Anlagen in der Niederspannung.

    Bild: Vivavis

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