Eine aktuelle Studie des TransHyDE-Projekts „Systemanalyse“ kommt zu dem Ergebnis, dass eine kosteneffiziente, robuste und strategisch sinnvolle Wasserstoffversorgung möglich ist, wenn Europa frühzeitig konsistente Entscheidungen trifft. Die Studie zeigt zudem auf, welche Auswirkungen aktuelle politische Weichenstellungen – etwa der Ausbau von Pipelines, Importstrategien, die CO2-Bepreisung und Förderinstrumente – auf Europas Wasserstoffsystem bis 2050 haben werden. Durch die Kombination von Energiesystemmodellierung, Untersuchung industrieller Transformationspfade, globalen Importanalysen und Infrastrukturplanung haben die Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Wirtschaft ein umfassendes Werk zum Wasserstoff-Markthochlauf in Deutschland und Europa erstellt.
„In TransHyDE konnten wir die technologischen und regulatorischen Grundlagen im Bereich der Infrastrukturen für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft fundiert erarbeiten. Die Zukunft des Wasserstoffs in Europa liegt weiter in unseren Händen, wenn wir bis zum Ende des Jahrzehnts die Hebel umlegen“, unterstreicht Mario Ragwitz, einer der Hauptautoren der Studie, Koordinator von TransHyDE und Leiter des Fraunhofer IEG. „Wichtig ist nun einerseits, dass wir den politischen Rahmen setzen, und zweitens, dass die wirtschaftlichen Akteure sich vernetzen und in Umsetzungsprojekten zusammenfinden, die Wasserstoffwertschöpfung in Deutschland sichtbar machen.“
Industrie bleibt Haupttreiber, aber Unsicherheiten sind groß
Der größte Wasserstoffbedarf wird langfristig in der Industrie entstehen, vor allem in Prozessen der Stahl- und Chemieindustrie. Wie stark die Nachfrage wächst, hängt jedoch von den globalen Wettbewerbsbedingungen, dem CO2-Preis und den Kosten für grünen Wasserstoff ab. Die Spannbreite möglicher Entwicklungen ist groß.
Europas Eigenproduktion hängt am Ausbau von Wind und Solar
Die Studie zeigt: Nur ein schneller und konsistenter Ausbau erneuerbarer Energien ermöglicht eine Versorgung Europas aus eigener Produktion. Bleibt dieser Ausbau hinter den Zielen zurück, steigen sowohl die Wasserstoffkosten als auch die Importabhängigkeit deutlich.
Wasserstoff bleibt teuer, Förderinstrumente weiterhin entscheidend
Laut Studie erfordert eine wirtschaftliche Transformation der Stahl- und Chemieindustrie CO2-Preise von mehr als 200 Euro/t. In den nächsten Jahren werden daher gezielte Maßnahmen und Förderinstrumente entscheidend sein, um den Wasserstoffhochlauf ökonomisch effizient zu beschleunigen. Zu nennen sind:
die Schaffung eines spezifischen Wasserstoff-Segments in den nächsten Runden der Klimaschutzverträge,
eine zügige Neuregelung der THG-Minderungsquote im Verkehr und einer Unterquote für erneuerbare Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs (RFNBOs), um Anreize für den Wasserstoff-Einsatz in Raffinerien zu setzen,
die Kombination dieser Maßnahmen mit Differenzkostenverträgen (CfDs) auf der Brennstoffseite, um Preisrisiken abzusichern, sowie
die Etablierung von Leitmärkten für klimafreundliche Grundstoffe.
Pipelineimporte wirtschaftlich, Derivate nur in Nischen
Der Transport von Wasserstoff über Pipelines aus Regionen wie Nordafrika oder Südosteuropa bleibt langfristig die wirtschaftlichste Lösung. Ammoniak oder Methanol spielen nur dort eine Rolle, wo eine direkte Wasserstoffnutzung schwer möglich ist.
Umnutzung bestehender Gasleitungen spart Zeit und Kosten
Beim Aufbau einer künftigen europäischen Wasserstoff-Infrastruktur kann auf bestehende Erdgasleitungen zurückgegriffen werden, indem diese auf Wasserstoff umgestellt werden. Das verringert die Kosten und reduziert den Bedarf an neuen Großprojekten. Dies setzt jedoch eine frühzeitige Koordination voraus.
Wesentliche Schlüsselfaktoren
Die Studie identifiziert vier relevante Kernaussagen für ein effizientes europäisches Wasserstoffsystem:
Tempo des Ausbaus erneuerbarer Energien
Internationaler Wettbewerb und Entwicklung globaler Wertschöpfungsketten
Infrastrukturentscheidungen der nächsten fünf Jahre (Pipelines, Speicher, CO2-Netz)
Regulatorische Absicherung von Investitionen (CO2-Preise, Förderinstrumente, Importstrategien)
Die Studie zeigt: Wenn Europa frühzeitig konsistente Entscheidungen trifft, ist eine kosteneffiziente, robuste und strategisch sinnvolle Wasserstoffversorgung möglich.
Unterschätzte Risiken
Die Analysen weisen auf erhebliche regionale Unterschiede in Europa hin. Industriestarke Regionen mit geringer eigener Erzeugung von erneuerbaren Energien werden stärker auf Importe angewiesen bleiben, während windreiche Regionen zu Wasserstoffexporteuren werden könnten. Fehlanreize beim Infrastrukturausbau bergen das Risiko kostenintensiver Stranded Assets, also unrentabler Investitionen. Die Studie weist daher auf eine entscheidende Perspektive hin: Eine Wasserstoffpolitik muss differenziert gedacht und eng mit der (regionalen) Raumplanung verknüpft werden.