Dekarbonisierung industrieller Prozesse Biomasse in der Industrie: Potenziale für die Klimaneutralität

Biomasse kann in der Industrie zur Dekarbonisierung beitragen – eine gezielte Nutzung erfordert jedoch sektorübergreifende Anreize und eine klare Strategie.

Bild: iStock, claudiio Doenitz
19.08.2025

Die Industrie könnte Biomasse zum Gamechanger für die Dekarbonisierung machen – vorausgesetzt, ihr Einsatz wird effizient und strategisch gesteuert. Eine neue dena-Analyse zeigt, wo das größte Potenzial liegt und welche Hürden es zu überwinden gilt. Besonders schwer elektrifizierbare Sektoren wie die Chemie- oder Stahlindustrie könnten von Anwendungen und CO2-Abscheidung (BECCS) entscheidend profitieren.

Biomasse kann einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung der Industrie leisten – allerdings nur, wenn sie effizient und strategisch eingesetzt wird. Wie das gelingen kann, zeigt das neue Dossier „Gezielte Nutzung von Biomasse für eine klimaneutrale und wettbewerbsstarke Industrie“ der Deutsche Energie-Agentur (dena). Im Fokus stehen Anwendungsfelder mit hohem volkswirtschaftlichem und systemischem Nutzen sowie Empfehlungen für geeignete Anreize und eine sektorübergreifende Strategie.

„Angesichts begrenzter Potenziale der Biomasse kommt es darauf an, sie dort einzusetzen, wo sie den größten Mehrwert für das Energiesystem bringt – etwa bei der stofflichen Nutzung in der Industrie oder der Erzeugung von Hochtemperaturwärme“, sagt Corinna Enders, Vorsitzende der dena-Geschäftsführung.

Industriepotenziale bislang kaum erschlossen

Bisher dominiert die Verbrennung zur Erzeugung von Niedrigtemperaturwärme oder im Straßenverkehr den Biomasseeinsatz hierzulande. In einem klimaneutralen Energiesystem könnte sie jedoch besonders wertvoll für schwer elektrifizierbare Anwendungen sein, beispielsweise in der Chemie-, Stahl- und Aluminiumindustrie. Dort kann sie eine stoffliche Kohlenstoffquelle sein oder in Verbindung mit BECCS (Bioenergy with Carbon Capture and Storage) zur dauerhaften CO2-Speicherung beitragen.

Aktuell gibt es diese Anwendungen kaum: Fossile Alternativen wie Erdgas sind günstiger und der CO2-Preis entfaltet nur geringe Lenkungswirkung. Zudem wird Biomasse überwiegend über sektorspezifische Anreizinstrumente wie beispielsweise das EEG oder das GEG gesteuert – was eine sektorübergreifende effiziente Verwendung erschwert.

Wirksame Anreize schaffen

Das Dossier enthält konkrete Empfehlungen, wie wirksame Anreize für den Einsatz von Biomasse in der Industrie geschaffen werden können. So braucht es beispielsweise einen klaren Rahmen für die Verwendung von nicht-fossielem Kohlenstoff, damit stoffliche Anwendungen in der Industrie nicht durch energetische Nutzungen benachteiligt werden. Dazu müssen zunächst bestehende Instrumente wie der europäische Emissionshandel gestärkt werden, um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu beschleunigen.

Eine Bepreisung fossilen Kohlenstoffs am Ende seines Lebenszyklus würde einen fairen Wettbewerb fördern. Klimaschutzverträge (KSV) sollten zudem auch die stoffliche Nutzung von Biomasse ermöglichen. Geeignete Lenkungsinstrumente wie Quoten für bestimmte Produkte oder grüne Leitmärkte können die stoffliche Nutzung zusätzlich stärken. Solche Maßnahmen müssen technologieoffen sein und auch zirkuläre Ansätze zulassen.

Besonders sinnvoll ist es, den Einsatz von Biomasse in Kombination mit Technologien zur CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) zu fördern. Vor allem die Zement- und Kalkindustrie sowie die Müllverbrennung könnten davon profitieren, da sie gemeinsam schwer vermeidbare fossile Emissionen und biogenes CO2 abscheiden könnten. Dafür benötigen sie aber eine entsprechende Vergütung der Entnahmeleistung.

Gesamt-Roadmap für den gezielten Einsatz

Um einen sinnvollen und effizienten Einsatz von Biomasse langfristig zu gewährleisten, ist zusätzlich eine umfassende Strategie notwendig: Die Nationale Biomassestrategie (NABIS) sollte zügig abgeschlossen oder durch eine neue, kohärente Roadmap ersetzt werden. Das Ziel sollte darin bestehen, Förderungen besser aufeinander abzustimmen und Biomasse dort einzusetzen, wo sie den größten wirtschaftlichen und klimapolitischen Nutzen bringt – vor allem in der Industrie.

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