Daniel Heidrich Abwärtsmigration eines ostdeutschen Automobilzulieferers

Als Daniel Heidrich, CEO bei EBK Krüger, seinen Geburtsort verließ, um in Bayern seinen Lebensunterhalt zu verdienen und eine Karriere zu starten, war die Arbeitslosenquote in Berlin und Brandenburg bei 20 Prozent. 2007 kehrte er als einziger seines Jahrgangs nach Berlin zurück und trat die Unternehmensnachfolge in einem ostdeutschen Mittelständler an. Mit viel Mut und Glück ist eine moderne Unternehmensgruppe entstanden, die in Sachen Unternehmensführung und Digitalisierung wahrscheinlich zu den besten Unternehmen Deutschlands gehört.

Bild: EBK Krüger
23.10.2023

Die Produktion von PKWs mit Verbrennungsmotoren in Deutschland erreichte 2016 einen Höhepunkt von 5,75 Millionen Stück pro Jahr. 2022 sank diese Zahl um 50 Prozent auf das Niveau von 1963. Trotzdem erzielen die Automobilhersteller Rekordgewinne. Wir haben bewusst entschieden, den herkömmlichen Ansätzen der Unternehmensführung nicht zu folgen. Statt detaillierter Pläne und Businesspläne setzen wir auf Prinzipien und betrachten unser Unternehmen als Teil eines Ökosystems. Warum haben wir das gemacht und wie gehen wir weiter vor?

Als Jahrgang 1975 bin ich in einem System aufgewachsen, das uns nicht sehen ließ, was für Außenstehende vielleicht bereits deutlich zu erkennen war. Ich war 14 und sah die Menschen auf der Mauer sitzen. Das hätte ich 3 Monate im Voraus niemals geglaubt. Im Nachhinein betrachtet, war es jedoch offensichtlich. Die sowjetischen Zeitungen wurden verboten, da sie zu kritisch waren. Es wurde mir klar, dass in mir eine Vorstellung von Stabilität eingepflanzt wurde, die in Wahrheit gar nicht existiert.

Seit einigen Monaten kämpfen wir mit Problemen in der Automobilindustrie. Im Juni 2023 hatte ich ein Gespräch mit einem Insolvenzanwalt – zwei Jahre zu früh. Aber wir haben uns darauf vorbereitet, kein Opfer zu sein. Im Jahr 2017 haben wir in Deutschland noch 5,2 Millionen Verbrennungsmotoren gebaut. Im Jahr 2022 waren es nur noch 2,2 Millionen Stück. Hätten wir keinen Krieg in der Ukraine, hätten wir andere Nachrichten. In Süddeutschland wird es bald Entlassungen geben - eine völlig ungewohnte Situation für die Stuttgarter. Volkswagen, der große Motor dieser Industrie, hat in China nur 2 Prozent Marktanteil bei Elektroautos. Das Ende dieser Industrie steht fest. Auf Rettung können wir nicht hoffen.

Aber wie schafft man ein anti-fragiles Unternehmen? Mit Resilienz allein ist es nicht getan. Antifragilität bedeutet, dass ich durch die Erschütterungen stärker werde. Die Menschen gehen heute Risiken ein, ohne die Verantwortung dafür übernehmen zu müssen.

Wir haben unser ganzes Geld genommen und einen neuen Standort gebaut, hier in Adlershof. Wir haben alles investiert und Komplexität abgebaut, um die Kontrolle zu bewahren. Unsere Produktion konzentriert sich jetzt nur noch auf den Standort Berlin. Weg von den Plänen, an ihre Stelle sind Prinzipien getreten. Die Optionen und der Zufall sind für uns zu zentralen Themen geworden: Statt uns auf detaillierte Unternehmensziele und langfristige Pläne zu verlassen, haben wir unsere Unternehmensführung auf Prinzipien gegründet – flexibel und offen für Optionen und Zufälle.

Das Verkleinern stellt uns vor große Herausforderungen, denn die Rechtslage macht es schwierig, langfristige Arbeitsverträge aufzulösen und trotzdem weiter zu produzieren. Wichtig ist aber, dass die Risiken verteilt werden und das Unternehmen in verschiedene Geschäftsbereiche aufgeteilt wird. Das haben wir getan: Indem wir die „LeitArt“ und andere Unternehmen gegründet haben, haben wir Optionen geschaffen. Daraus entwickelt sich hoffentlich etwas Neues. Durch eine Vielzahl von Optionen haben wir die Chance, auf Veränderungen in der Branche reagieren zu können.

Es ist nicht möglich, immer und überall erfolgreich zu sein. Das müssen wir auch akzeptieren. Manchmal werfen wir Geld zum Fenster hinaus, damit es durch die Tür wieder hereinkommt. Dazu braucht es die Bereitschaft, Fehler zu machen und zu lernen.

In der Automobilindustrie ist die Realität so, wie sie ist. Transformation entsteht aber durch Konflikte. Wir gehen radikal vor, weil wir wissen, was es heißt, alles zu verlieren und neu anzufangen. Unsere jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten zusammen, wenn es ernst wird - sie sind bereit, zusammenzuhalten. Ich kann den Ausgang der Geschichte nicht vorhersagen. Aber ich stehe hier, weil wir all diese Maßnahmen ergriffen haben und auf eine positive Entwicklung hoffe.

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