Risiko für Deutschlands Innovationskraft

Zukunftsrisiko Fachkräftemangel – Deutschland fehlen Ingenieure

Der aktuelle VDI-/IW-Ingenieurmonitor zeigt, Ingenieurberufe bleiben trotz Konjunkturflaute gefragt – vor allem in der Energie-, Bau- und Maschinenbau-Branche.

Bild: iStock, Stadtratte
30.10.2025

Der neue VDI-/IW-Ingenieurmonitor zeigt, dass der Fachkräftemangel in Ingenieur- und IT-Berufen trotz schwächerer Konjunktur bestehen bleibt. Der VDI fordert deshalb mehr Nachwuchs, internationale Fachkräfte und moderne Lehrpläne für Zukunftskompetenzen.

Der aktuelle VDI-/IW-Ingenieurmonitor zeigt eine Abkühlung auf dem Arbeitsmarkt für Ingenieur- und Informatikberufe. Im zweiten Quartal 2025 verringerten sich die offenen Stellen um 22,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, das heißt, es blieben 106.310 Arbeitsplätze unbesetzt. Gleichzeitig meldeten sich 54.926 Personen aus diesen Berufszweigen arbeitslos, was einer Steigerung von 19,1 Prozent entspricht. Dies ist der höchste Stand seit Beginn der Datenerfassung im Jahr 2011. Dennoch ist in den kommenden Jahren mit einem steigenden Bedarf an Ingenieurinnen und Ingenieuren zu rechnen, weshalb die Nachwuchsgewinnung weiterhin ein wichtiges Thema bleibt.

Der Fachkräftemangel bleibt trotz Konjunkturflaute akut

Die Beschäftigungstrends variieren deutlich je nach Berufsfeld: Besonders stark betroffen ist derzeit die technische Forschung und Produktsteuerung. Hier stieg die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr um fast 40 Prozent. In der Rohstofferzeugung fiel der Anstieg hingegen mit rund 8 Prozent deutlich moderater aus. Insgesamt bleibt der Fachkräftemangel in IT- und Ingenieurberufen bestehen. Im Durchschnitt kamen auf 100 arbeitslose Ingenieure und IT-Fachkräfte 194 unbesetzte Positionen. Diese sogenannte Engpasskennzahl ist mit 194 offenen Stellen pro 100 Arbeitslose nun geringer als im Vorjahr (296 offene Stellen pro 100 Arbeitslose), aber immer noch auf einem hohen Niveau.

„Die schwächelnde Wirtschaft beeinflusst auch den Ingenieurarbeitsmarkt, die Lücke bei den Fachkräften schließt sich damit jedoch nicht“, erklärt VDI-Arbeitsmarktexperte Ingo Rauhut. „In wichtigen, Branchen wie Bau, Energie- und Elektrotechnik oder Maschinenbau sind qualifizierte Fachkräfte weiterhin sehr gesucht.“ Die größten Engpässe bestehen in den Ingenieurberufen Bau, Vermessung, Gebäudetechnik und Architektur (314 offene Stellen pro 100 Arbeitslose), Energie- und Elektrotechnik (284) sowie den Ingenieurberufen Maschinen- und Fahrzeugtechnik (222).

Ingenieurberuf als Schlüssel für den Innovationsstandort

Der längerfristige Trend zeichnet trotz der aktuellen Lage ein positives Bild am Ingenieurarbeitsmarkt: Seit 2012 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Ingenieur- und Informatikberufen um 58,5 Prozent auf 1,53 Millionen gestiegen. Besonders stark entwickelten sich dabei die Branchen Informatik (+151 Prozent) und Bauwesen (+54 Prozent). Laut VDI-IW-Ingenieurmonitor Q1 2025 entfällt rund ein Viertel des gesamten Beschäftigungszuwachses in Ingenieurberufen auf internationale Fachkräfte – ein Beleg für deren zunehmende Bedeutung zur Sicherung der Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Die größten Gruppen stellen Fachkräfte aus Indien (13.893), der Türkei (9.136), Italien (6.916) und China (6.690) dar. Besonders die Zuwanderung über Hochschulen trägt zum Erfolg bei. So stieg der Anteil internationaler Studierender in ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen von 15 Prozent im Jahr 2010 auf 33 Prozent im Jahr 2023.

„Ingenieurinnen und Ingenieure sind und bleiben der Schlüssel für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland“, betont VDI-Direktor Adrian Willig. „Deshalb müssen wir internationale Fachkräfte langfristig integrieren und gleichzeitig junge Menschen früh für Technik begeistern, um den Nachwuchs zu sichern.“

Der Nachwuchsmangel verschärft sich

Die Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften in IT- und Ingenieurberufen ist insgesamt gestiegen und wird voraussichtlich weiter steigen, doch die Situation bei der Nachwuchsgewinnung bleibt angespannt. So schließen in Deutschland jährlich lediglich 90.000 bis 100.000 junge Ingenieurinnen und Ingenieure ihr Studium ab.

„Wenn wir den wachsenden Ingenieurbedarf der kommenden Innovationsphase decken wollen, müssen wir jetzt handeln. Unsere jüngste Publikation im Rahmen der Initiative ‚Zukunft Deutschland 2050‘ zum Thema Bildung und Qualifikation zeigt: Es reicht nicht mehr aus, einfach nur Fachwissen in klassischen Lehrplänen zu vermitteln. Zukunftskompetenzen wie KI-, Digital- und Nachhaltigkeitskompetenz sowie interdisziplinäres Arbeiten müssen systematisch in die Ingenieurausbildung eingebaut werden”, so Willig.

Mit dem Impulspapier „Impulse zur Bildung und Qualifikation der Zukunft“ legt der VDI klare Handlungsempfehlungen vor, wie Technikbildung und die Ingenieurausbildung fit für die Zukunft werden können. Dazu gehören die systematische Verankerung von Future Skills, die Förderung innovativer Lehrmethoden und eine stärkere Verzahnung von Hochschule und Wirtschaft. „Mit den richtigen Kompetenzen sichern wir nicht nur die Innovationskraft Deutschlands, sondern auch die wirtschaftliche Stärke unseres Standorts“, betont Willig.

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