Was qualifiziert Führungskräfte: fachliche Kompetenz oder Erfahrung? In der Realität erleben vor allem junge Menschen mit Führungsverantwortung, dass sie stark über ihr Alter und weniger über ihre Leistungen und Entscheidungen in dieser Position definiert werden. Diese erfahrungsbasierte Evidenz haben Dr. Christoph Daldrop, Postdoktorand am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), Prof. Dr. Astrid C. Homan von der Faculty of Social and Behavioural Sciences der Universität Amsterdam und Prof. Dr. Claudia Büngeler vom Institut für Betriebswirtschaftslehre der CAU in einer kürzlich veröffentlichten Studie wissenschaftlich fundiert. „Wir wollten vor allem den zugrunde liegenden Mechanismus erklären: Warum passiert das, wie passiert das. Der zweite Punkt ist, dass wir zeigen wollten, dass es nicht für alle gleich ist. Also wer wen abwertet“, umreißt Dr. Daldrop das Ziel der Studie.
Kompetenz oder Alter – was Führung wirklich ausmacht
Am Anfang der Studie stehen zwei Hypothesen:
Hypothese 1: Junge Führungskräfte werden systematisch abgewertet, weil sie nicht dem etablierten Bild einer Führungskraft entsprechen, insbesondere in Bezug auf die Wahrnehmung von Kompetenz, Empathie und Integrität.
Hypothese 2: Altersstereotype gegenüber jungen Führungskräften sind insbesondere bei älteren Beobachter und Beobachterinnen stärker ausgeprägt als bei jüngeren.
Um zu klären, ob diese Hypothesen durch empirische Daten gestützt werden, führten die Autoren und Autorinnen zwei Experimente durch. Im ersten Schritt wurden Probanden und Probandinnen gebeten, anhand einer Liste von etwa 50 Eigenschaften wie Intelligenz, Dominanz, Warmherzigkeit oder Kreativität das Bild einer „typischen“ und einer „idealen“ Führungskraft zu beschreiben. Im zweiten Schritt sollten dann andere Probanden und Probandinnen unterschiedliche Altersgruppen anhand derselben 50 Eigenschaften bewerten.
Die Untersuchungen wurden mit insgesamt 912 Probanden und Probandinnen in den USA durchgeführt, da sich die Vorstellungen von typischen und idealen Führungskräften in westlichen Ländern wie den USA und Deutschland als relativ ähnlich erweisen. Laut Dr. Daldrop sind vorhandene kulturelle Unterschiede nicht so stark, dass sie die Ergebnisse wesentlich verändern würden.
Junge Erwachsene weniger kompetent?
Das Ergebnis zeigt eindeutig, dass junge Erwachsene als kreativ, innovations- und anpassungsfähig wahrgenommen werden. Gleichzeitig werden ihnen aber Impulsivität, weniger Kompetenz und weniger Zuverlässigkeit zugeschrieben. Älteren Personen hingegen wird automatisch mehr Kompetenz, Verlässlichkeit und Empathie zugeschrieben.
Hinweise, dass jüngere Führungskräfte tatsächlich weniger kompetent oder effektiv sind, gibt es laut Studie hingegen nicht. Jedoch beeinflusse die Abweichung vom Bild der „typischen“ Führungskraft die Bewertung. Und auch der Einfluss des Alters der bewertenden Person auf die Bewertung konnte nachgewiesen werden: „Der Unterschied zwischen den Vorurteilen, die Jüngere gegenüber Jüngeren haben und den Vorurteilen, die Ältere gegen Jüngere haben, der war schon sehr groß“, fasst Dr. Daldrop zusammen. Je älter der Proband oder die Probandin, desto eher spricht sie jüngeren Menschen Führungsqualitäten ab. Andersherum konnte der gleiche Effekt nicht beobachtet werden.
In der Praxis ist es selten nur das Alter, das das Bild einer Person prägt. Doch andere Untersuchungen zeigen, dass das Alter in Bezug auf die Wahrnehmung der Kompetenz als Führungskraft einen ähnlich großen Einfluss hat wie beispielsweise das Geschlecht.
Wir können uns Altersdiskriminierung nicht leisten
„Wir sollten junges Alter mit in die Diskussion um Diskriminierungsformen aufnehmen“, fordert Prof. Dr. Büngeler als logische Konsequenz der Studienergebnisse. Altersdiskriminierung gegenüber jüngeren Menschen sei deutlich akzeptierter als andere Diskriminierungsformen, da es sich um einen vorübergehenden Zustand handelt und jeder einmal älter wird. „Da altersbezogene Abwertung potenziell jede Person im Laufe ihres Lebens betrifft, erscheint Altersdiskriminierung gesellschaftlich oft weniger problematisch als etwa geschlechtsbezogene Diskriminierung“, beschreibt Prof. Dr. Buengeler einen der Gründe, warum Altersdiskriminierung an vielen Stellen noch nicht viel Beachtung findet. Die Lösung könne jedoch nicht darin bestehen, jüngeren Menschen zu raten, abzuwarten, bis sie ein bestimmtes Alter erreichen.
Denn die Studie zeigt, dass es nicht um tatsächliche Eigenschaften geht, sondern um die Wahrnehmung – mit weitreichenden Auswirkungen für junge Führungsanwärter und Führungsanwärterinnen, Organisationen und die Gesellschaft. Strukturelle Veränderungen wie altersgemischte Teams, Sensibilisierungsprogramme gegen unbewusste Vorurteile oder zeitlich befristete Führungspositionen könnten helfen. Doch für eine weitreichende Veränderung braucht es ein Umdenken. Ein schnelles Umdenken. Denn „eine moderne, innovative Gesellschaft kann es sich nicht leisten, junge Menschen systematisch auszubremsen“, so die Autoren und Autorinnen.