„Ob in der Automobilbranche, dem Gesundheitswesen oder der Kommunikationstechnologie: Die globale Nachfrage nach Chips steigt stetig. Nur acht Prozent der Fertigungsstandorte sind in Europa angesiedelt“, sagt Toni Mattila, Head of Microelectronics, Photonics and Quantum (HW Tech) – „The Chips Campaign“ bei Business Finland. Um die technologische Souveränität zu stärken und resilienter gegenüber geopolitischen Spannungen und Lieferengpässen aus Asien oder den USA zu sein, hat die EU-Kommission 2022 den EU Chips Act ins Leben gerufen. Das klare Ziel: Europas Marktanteil an der globalen Chipproduktion bis 2030 auf 20 Prozent verdoppeln. „Um Europas Position nachhaltig zu stärken, braucht es eine Bündelung der Kräfte – nicht nur zwischen Forschung und Industrie, sondern auch über Ländergrenzen hinweg“, betont Mattila.
„Chips from the North“: Finnlands ehrgeizige Ziele
Finnland positioniert sich als Schlüsselpartner, um diese europäischen Ziele zu erreichen. Die Stärke des Landes liegt in der engen Verzahnung von Forschung und Industrie. Die nationale Wachstumsstrategie „Chips from the North“, herausgegeben vom Verband der finnischen Technologieindustrien, unterstreicht diese Ambitionen: Der Branchenumsatz soll von 1,6 Milliarden Euro (2022) bis 2035 auf 5 bis 6 Milliarden Euro nahezu vervierfacht werden. Die Zahl der in der Branche Beschäftigten soll in diesem Zeitraum von 7.000 auf 20.000 steigen. Die Strategie forciert die Wachstumsbereiche hochentwickelte Materialien, Prozesstechnologien, Chipdesign, Sensoren (insbesondere Micro-Electro-Mechanical Systems, MEMS), Photonik und Quantentechnologie.
Unternehmen wie Vaisala, ein weltweit führender Anbieter von Umwelt- und Industriemesssystemen, tragen aktiv zum finnischen Mikroelektronik-Ökosystem bei. Dazu setzen sie auf fortschrittliche Sensortechnologien, hochpräzise Messgeräte sowie die Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung für Wetter-, Luftqualität- und industrielle Überwachungsanwendungen.
Internationale Kooperation: Motor für Innovation
Grundlage für das angestrebte Wachstum ist das unternehmensfreundliche Umfeld Finnlands, das erhebliche Anreize für finnische sowie internationale Unternehmen bietet, darunter Zuschüsse zur Forschung und Entwicklung sowie die Förderung einer engen Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Industrie. So gründeten etwa das niederländische Unternehmen ASM und die Universität Helsinki 2022 gemeinsam ein Exzellenzcenter für die Atomlagenabscheidung (Atomic Layer Deposition, ALD) – eine Schlüsseltechnologie für die Herstellung von Chips in Smartphones und Computern.
Auch Bosch Sensortec setzt auf die finnische Expertise: Das deutsche Unternehmen betreibt zwei Standorte in Oulu und Espoo. Gemeinsam mit finnischen Fachkräften treibt Bosch Sensortec die Entwicklung von MEMS-Sensoren und das Chipdesign voran.
Fachkräfte im Fokus: Talente für die Zukunft sichern
Das Erreichen der Ziele steht und fällt mit der Verfügbarkeit hochqualifizierter Fachkräfte. Auch hier liefert Finnland konkrete Lösungsansätze: Die Forschungs- und Entwicklungsstrategie des nationalen Exzellenznetzwerks Microelectronics Finland umfasst die Fortführung des 2024 ins Leben gerufenen Pilotprojekts MIELI (MIcroELectronics). Dieses gemeinsame Projekt der Universitäten Aalto, Tampere und Oulu sowie des Forschungszentrums VTT schafft 30 Doktorandenstellen und verfolgt die Ziele, die Anzahl der Expertinnen und Experten im Bereich Mikroelektronik zu erhöhen, die Dauer der Promotion auf drei Jahre zu verkürzen und eine sofortige Anstellung der Absolvierenden zu ermöglichen.
Darüber hinaus plant Finnland den Ausbau der Ausbildungskapazitäten und die gezielte Rekrutierung internationaler Studierender in Kooperation mit der Industrie. Zudem will das Land eine nationale Graduiertenschule für Mikroelektronik etablieren, um eine kontinuierliche Talentpipeline für Grundlagen- und Spitzenforschung zu gewährleisten.
„Indem wir die finnische Expertise im Bereich Mikroelektronik konsequent ausbauen und die Zusammenarbeit zwischen Forschungsinstituten und Unternehmen auf internationaler Ebene stärken, können wir die europäische Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt langfristig sichern“, sagt Mattila.