Auf in eine neue Dimension

Wie 6G industrielle Grenzen verschiebt

Der nächste Schritt für Funktechnologien: 6G befindet sich derzeit in Entwicklung und wird voraussichtlich zu Beginn der 2030er Jahre eingeführt werden.

Bild: iStock, SergeyNivens
13.11.2025

Industrielle 5G-Infrastrukturen befinden sich immer noch im Ausbau – doch schon heute zeigen sich Szenarien, in denen selbst diese Technologie an ihre Grenzen stößt. 6G soll nicht nur höhere Datenraten und geringere Latenzen liefern, sondern auch Kommunikation und Sensorik vereinen. Der Beitrag gibt einen Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand, neue Modulationsverfahren und die Perspektiven für künftige industrielle Anwendungen.

Die Einführung von 5G war 2019 ein bedeutender Meilenstein in der Entwicklung der drahtlosen Konnektivität. Schon lange vor den ersten Anwendungsfällen waren die wichtigsten Vorteile bekannt, darunter die geringe Latenz, die hohe Zuverlässigkeit und die beispiellose Gerätedichte mit bis zu einer Million Endpunkten pro Quadratkilometer. Im Jahr 2025 befindet sich die 5G-Infrastruktur weltweit noch im Ausbau, doch die Branche wirft bereits den Blick voraus. Die Arbeiten am kommenden 6G-Standard sind im Gange. Diese Anstrengungen begegnen der Tatsache, dass viele neue Anwendungen 5G bald an seine Grenzen bringen werden. Gründe dafür sind die Bandbreite und Latzenz-bedingte Einschränkungen.

Technologien wie Augmented Reality, Virtual Reality, autonome Systeme oder die industrielle Automatisierung erfordern ein Leistungsniveau, das heutige Netze (bald) nicht mehr erbringen können. Von 6G sind Geschwindigkeiten auf Terabit-Niveau, Latenzzeiten im Mikrosekundenbereich und nahtlose Konnektivität zu erwarten. 6G befindet sich derzeit in Entwicklung und wird voraussichtlich zu Beginn der 2030er Jahre eingeführt werden.

Wichtige Leistungskennzahlen

Beim Vergleich von 5G und 6G fallen vor allem drei Parameter ins Auge: Geschwindigkeit, Latenz und Kapazität.

  • Geschwindigkeit: 5G erreicht unter Idealbedingungen eine Maximalrate von rund 20 Gb/s. Für 6G existieren noch keine endgültigen Werte, doch das Ziel ist eine bis zu tausendmal höhere Geschwindigkeit als bei 5G.

  • Latenz: Bei 5G ist die Latenzzeit mit etwa einer Millisekunde bereits recht kurz. Doch bei Prozessen, die blitzschnelle Reaktionen erfordern, beispielsweise in autonomen Fahrzeugen bei hohen Geschwindigkeiten von über 80 km/h, können selbst diese Latenzen kritisch werden. 6G soll die Verzögerungen in den Mikrosekundenbereich drücken.

  • Kapazität: Eine der Stärken von 5G ist die Unterstützung von bis zu einer Million Geräten pro Quadratkilometer, wobei die messbare Leistung in der Praxis schwankt. Gebäude, bestimmte Baumaterialien und dichte Menschenmengen können diesen Wert erheblich senken, zum Beispiel in Sportstadien oder in Industriewerken, die mit reflektierenden Oberflächen ausgekleidet sind. 6G-Netze können voraussichtlich mehr Endpunkte gleichzeitig unterstützen als 5G.

Industrielle Anwendungsszenarien von 6G

5G-Netze ermöglichen bereits den Datenaustausch in Echtzeit, doch die beschränkte Bandbreite birgt Problemstellungen. Bei ferngesteuerten Robotern oder fahrerlosen Transportsystemen etwa kann es zu verlangsamten Bewegungen oder verzögerten Reaktionen kommen. Bei autonomen Pkw, die mit hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn fahren, wären solche Latenzen inakzeptabel.

OT-Systeme (Operational Technology) setzen bereits auf 5G, doch 6G wird die Konnektivität und insbesondere die Kommunikation von IIoT-Geräten wie Sensoren und Wearables weiter verbessern – durch mehr Zuverlässigkeit und konsistentere Abdeckung.

Ein weiterer Fortschritt im Zusammenhang mit 6G liegt in der gemeinsamen Funk-Kommunikation und ­Sensorik (Joint Communication and Sensing, JCAS). Mit dieser Fähigkeit können Übertragungsdaten auch zur Umgebungserkennung verwendet werden, eine Doppelfunktion, die in Bereichen wie Fertigung, Logistik und Gesundheitswesen großen Nutzen entfalten kann.

Digitale Modulationsverfahren für 6G-Netze

Im Rahmen der Entwicklungsarbeit erforschen Fachleute weltweit neue Ansätze für die digitale Modulation, um Grenzen früherer Funktechnologien zu überwinden. Einfach ausgedrückt ist die digitale Modulation die Methode zur Übertragung digitaler Daten über analoge Medien wie Funkwellen, Telefon- oder Glasfaserleitungen. Digitale Binärdaten werden in eine Trägerwelle kodiert, indem deren Eigenschaften entsprechend angepasst werden. Modulation gibt es zwar schon seit geraumer Zeit, doch die Anforderungen von 6G gehen über den technischen Status quo hinaus.

Es gibt mehrere Kandidaten, die für die Modulation von 6G in Frage kommen.

  • Die OTFS-Modulation (Orthogonal Time Frequency Space) ist ein großer Fortschritt im Vergleich zu OFDM (Orthogonal Frequency-Division Multiplexing), das bei 4G und 5G Standard ist. OTFS beruht auf der Abbildung von Signalen im Delay-Doppler-Bereich unter Verwendung von Mehrwegreflexion und Bewegungseffekten. Dank der Kodierung von Daten über Zeit- und Frequenzdimensionen bietet OTFS hohe Resilienz gegen Kanalbeeinträchtigungen und eignet sich besonders für mobile oder komplexe Umgebungen.

  • ODDM (Orthogonal Delay Doppler Multiplexing) geht einen ähnlichen Weg: Es konzentriert sich direkt auf die Dopplereffekte, die durch die Bewegung von Sender oder Empfänger entstehen. Wie bei einem vorbeifahrenden Krankenwagen, dessen Sirene die Tonhöhe ändert, nimmt ODDM die Frequenzverschiebungen auf, um schnelle Bewegungen zu erfassen und sich anzupassen. Bei Szenarien mit Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen oder Drohnen verspricht diese Technologie hohe Effektivität.

  • OCDM (Orthogonal Chirp Division Multiplexing) eröffnet mit der Verwendung von Chirp-Signalen eine weitere Alternative. Dabei handelt es sich um Wellenformen, deren Frequenz sich mit der Zeit ändert: Sie nimmt entweder zu oder ab. Aus diesem Grund ist OCDM weniger anfällig für schmalbandige Interferenzen und Mehrwege-Fading. Ein weiteres positives Merkmal ist die ausgeprägte Autokorrelationsfähigkeit. Dies ermöglicht eine präzisere Zeitsteuerung und Synchronisierung. Dazu kommt eine hohe Doppler-Stabilität, weshalb sich die Technologie gut für schnell bewegte Anwendungen eignet.

  • Auch AFDM (Affine Frequency Division Multiplexing) setzt auf Chirp-Signale. Es platziert Symbole auf gekrümmten Bahnen im Zeit-Frequenz-Pfad. Diese Konzept erweist sich als wenig empfindlich gegenüber Doppler-Verschiebungen und Frequenzwahl.

Kommunikation und Sensorik im Verbund (JCAS)

Neben neuen Modulationsarten bietet 6G auch die Fähigkeit, Kommunikation und Sensorik durch so genanntes Joint Communication and Sensing (JCAS) zu vereinen. Anders als bei 5G, das sich in erster Linie auf die Konnektivität konzentriert, werden bei 6G Radar-artige Erfassungsfunktionen direkt in die Kommunikationsinfrastruktur integriert. Das bedeutet, dass dieselben Signale, die zur Datenübertragung verwendet werden, auch zur Erkennung von Hindernissen, zur Analyse von Umgebungen und sogar zur Identifizierung von Materialtypen aufgrund der Absorption bzw. Reflexion von Terahertz-Frequenzen genutzt werden können. Dies kann insbesondere in der Fertigung, Logistik oder im Gesundheitswesen wertvoll sein, wo Präzision und Sicherheit unverzichtbar sind.

6G und KI

In der heutigen Zeit ist ein technischer Beitrag erst dann vollständig, wenn er die Brücke vom behandelten Gegenstand zur KI schlägt. In industriellen Umgebungen beobachten wir derzeit deutliche Einschränkungen der KI-Nutzung bei bestimmten Anwendungen, z. B. bei geführten Installationen, vorausschauender Wartung oder Fehlersuche.

Damit KI in einem Werk effektiv funktionieren kann, muss sie mit großen Datenmengen trainiert werden, und das fortlaufend. Gegenwärtig findet dieses Training vornehmlich offline statt. So werden Maschinendaten aus der Produktion häufig nur am Schichtende an eine Cloud- oder Edge-Plattform übertragen. KI-Modelle werden zu Stillstandszeiten trainiert, und die aktualisierte Version wird später wieder ins System eingespeist.

5G-Netze ermöglichen beim Zusammenschluss von KI und Konnektivität zwar die ersten Schritte, sind aber bislang nicht in der Lage, die riesigen Datenmengen zu verarbeiten, die für kontinuierliches KI-Lernen erforderlich sind. Cloud-Bottlenecks sind absehbar. Hier kommt 6G ins Spiel: Dank höherer Übertragungsraten und Kapazität wird es mit 6G möglich sein, KI-Anwendungen nativ in der Cloud auszuführen, ohne sie mit einem Endpunkt zu verbinden.

Die Architektur von 6G mit ihren Benutzergeräten, Zugangsnetz und Core-Komponenten wird auf hoher Abstraktionsebene zunächst vertraut wirken. Doch auf Zugangsebene führt 6G neue Fähigkeiten ein oder baut bestehende erheblich aus. Dies bezieht sich beispielsweise auf eine präzisere Signallenkung, insbesondere durch Strahlformung, die durch rekonfigurierbare intelligente Oberflächen (RIS) erreicht wird. Wird dieser Prozess durch KI gesteuert, können wir die Art und Weise, wie und wohin die Signale geleitet werden, hochgradig optimieren, um Interferenzen zu minimieren und hohe Effizienz zu erzielen.

Jenseits heutiger Grenzen

Die Evolution von 5G zu 6G bietet der Industrie die Chance, die Modalitäten ihrer Kommunikation, Automatisierung und Betriebsprozesse neu zu definieren. Während die Forschung an neuen Modulationsverfahren, Sensorikfunktionen und KI-Architekturen voranschreitet, gewinnen praktikable industrielle Anwendungen noch an Gestalt.

Die genaue Beobachtung dieser Entwicklung ist für Unternehmen, die auf zuverlässige und leistungsfähige Kommunikationssysteme angewiesen sind, keine Option, sondern ein Muss. Wenn sie wissen, wohin der Wind dreht, können sie dafür sorgen, dass ihre Infrastruktur möglichst aufwandsarm und nutzbringend aufgerüstet werden kann.

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