Mittelstand riskiert Wettbewerbsfähigkeit bei Nachhaltigkeits-Stillstand Transformation statt Stillstand: Chancen für nachhaltiges Wirtschaften

Nachhaltigkeit bleibt für den Mittelstand ein betriebswirtschaftlicher Erfolgsfaktor – auch ohne Pflicht zur CSRD-Berichterstattung.

Bild: iStock, William_Potter
16.09.2025

Nachhaltigkeitsbericht ade? Die neue Omnibus-Richtlinie entlastet viele Mittelständler von der CSRD-Pflicht. Doch laut Polymundo-Expertin Marina Schmitz ist Abwarten riskant: Wer Nachhaltigkeit vernachlässigt, verliert mittelfristig Wettbewerbsfähigkeit und Geschäftschancen.

Noch in diesem Jahr soll die neue Omnibus-Richtlinie in Kraft treten. Sie dürfte viele mittelständische Betriebe von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) entbinden. Marina Schmitz, Expertin für Organisationsentwicklung und Nachhaltigkeitsmanagement bei Polymundo, sagt jedoch, dass es ein kapitaler Fehler wäre, jetzt die Hände in den Schoß zu legen. Wer aufhöre, sich mit Nachhaltigkeit zu befassen, verabschiede sich mittelfristig aus dem Wettbewerb. Gerade jetzt, wo die CSRD-Pflicht aufgeweicht wird, rät die Expertin, das Potenzial ganzheitlichen Wirtschaftens zu nutzen.

Freiwillig statt Pflicht: Nachhaltigkeit richtig nutzen

Viele Unternehmen tun derzeit genau das Gegenteil. Sie nehmen die angekündigte Neuregelung zum Anlass, Nachhaltigkeitsthemen vorerst auf Eis zu legen. „Mit dem Inkrafttreten von Omnibus bleiben voraussichtlich nur rund 4.000 Unternehmen in Deutschland berichtspflichtig, der große Rest wähnt sich aus dem Schneider“, sagt Schmitz. „Doch Nachhaltigkeit ist mehr als ein reines Compliance Thema oder Nice-to-have. Sie ist betriebswirtschaftlich notwendig, wenn man auch in fünf Jahren noch zukunftsfähig am Markt bestehen will.“

Im Mittelstand begegne ihr jedoch immer wieder der Einwand, Nachhaltigkeit sei teuer und aufwendig. „Ein Irrglaube“, wie sie klarstellt. „Wer ökologische, ökonomische und soziale Interessen kombiniert, schafft reale wirtschaftliche Vorteile, ohne die Organisation auf links drehen zu müssen.“ Entscheidend sei es, die relevanten Stellschrauben zu identifizieren und gezielt zu justieren.

Aktion statt Compliance

Doch wie können Unternehmen diese Stellschrauben ausfindig machen? Die Spezialisten von Polymundo empfehlen den Einstieg über das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit – ein zentrales und nützliches Instrument der CSRD. „Es hilft Unternehmen, schnell und einfach die Nachhaltigkeitsthemen zu erkennen, die nicht nur ökologisch, sondern auch betriebswirtschaftlich relevant sind“, erklärt Schmitz. Welche ökologischen Aspekte haben finanzielle Auswirkungen auf mein Geschäft und welche meiner Geschäftstätigkeiten wirken sich auf Umwelt und Gesellschaft aus?

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„Haben Unternehmen die Fakten erst einmal schwarz auf weiß vor sich liegen, sind sie oft erstaunt, wie einfach sich daraus konkrete Handlungen ableiten lassen, um die Wertschöpfung zu steigern und gleichzeitig nachhaltiger zu gestalten“, so die Expertin. Als messbare Effekte aus vergangenen Projekten nennt sie die Reduktion der Energiekosten um 5 bis 30 Prozent, Einsparungen beim Einkauf von 30 bis 40 Prozent, eine Reduzierung der Abfallkosten um 10 Prozent und um 7 Prozent gesenkte Facility-Kosten.

Integratives Transformationsmodell

Das ist jedoch nur der erste Schritt. Noch bessere Geschäftsergebnisse lassen sich laut Polymundo erzielen, wenn Unternehmen Nachhaltigkeit integrativ begreifen und Schritt für Schritt in der DNA ihres Geschäftsmodells verankern. Gerade jetzt, wo die Fixierung auf Compliance wegfällt, ist ein guter Zeitpunkt, Nachhaltigkeit als ganzheitliches Projekt ins Rollen zu bringen. „Ziel sollte sein, das gesamte Team dafür zu begeistern und einzubinden“, betont Schmitz. „Nur so können Betriebe alle Nachhaltigkeitspotenziale aufdecken und nutzen.“

Ein einzelner Nachhaltigkeitsmanager kann dies unmöglich allein leisten. Durch Silo-Wissen und -Vorgehen bleiben zu viele Handlungsfelder im Dunklen und ungenutzt. Die Expertin empfiehlt, die Beauftragten regelmäßig mit der Geschäftsleitung und Experten aus allen Abteilungen zusammenkommen zu lassen, um mit einem ganzheitlichen und zielgerichteten Blick an Optimierungs- und Wachstumsmöglichkeiten zu arbeiten. So können Nachhaltigkeitskriterien sukzessive in immer mehr Geschäftsprozesse, Ausgaben- und Investitionsentscheidungen einbezogen werden, ohne dass der Aufwand überhandnimmt.

Nachhaltigkeit steigert die Profitabilität

Wie deutlich sich der Geschäftswert mit dieser Herangehensweise steigern lässt, zeigt eine Studie des IBM Institute for Business Value. Eine Befragung von 5.000 Führungskräften aus 22 Branchen und 22 Ländern ergab, dass Unternehmen mit integrativer, also ganzheitlicher, Nachhaltigkeitsstrategie signifikant erfolgreicher sind. Ihr Umsatzwachstum ist im Schnitt um 16 Prozent höher, ihre Profitabilität steigt um 52 Prozent und die Wahrscheinlichkeit, dass nachhaltige Maßnahmen zu einem deutlichen Umsatzeffekt führen, liegt bei 75 Prozent. Gleichzeitig steigt die Arbeitgeberattraktivität, in manchen Fällen um mehr als 50 Prozent. „Nachhaltigkeit in Geschäftsmodelle zu integrieren, ist demnach keineswegs teuer“, resümiert Schmitz. „Teuer ist, sie nicht zu integrieren.“

Die angekündigte Omnibus-Regelung ist für den Mittelstand demnach eine Chance. Unternehmen können die ökologische Transformation nun freiwillig, fokussiert und an ihre spezifischen Geschäftsmodelle angepasst umsetzen, statt sie wie bisher unter regulatorischem Zwang abzuarbeiten. Wie Schmitz betont, ist Nachhaltigkeit der entscheidende Wachstums- und Effektivitätstreiber für die nächsten fünf Jahre – ganz egal, wer dazu einen Report abgeben muss und wer nicht. Der einzige Unterschied sei: „Die, die jetzt loslaufen und ganzheitliches Wirtschaften verinnerlichen, werden morgen vorn sein. Der Rest läuft hinterher oder gar nicht mehr mit.“

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  • Marina Schmitz ist Autorin und Herausgeberin von über 40 Publikationen im Bereich CSR, Organisationsentwicklung und nachhaltiger Unternehmenstransformation.

    Marina Schmitz ist Autorin und Herausgeberin von über 40 Publikationen im Bereich CSR, Organisationsentwicklung und nachhaltiger Unternehmenstransformation.

    Bild: Polymundo AG

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