Vom Pilotprojekt zur vernetzten Produktion

Maschinenanbindung als Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit

Digitalisierung beginnt heute nicht am Schreibtisch, sondern an der Maschine.

Bild: iStock, CoreDesignKEY
09.12.2025

Während internationale Wettbewerber auf vernetzte Maschinen und digitale Geschäftsmodelle setzen, zögert der deutsche Maschinenbau noch. Ohne sichere Maschinenanbindung bleibt jede Strategie Theorie. Beispiele wie Vecoplan und Bäumer zeigen, dass der Schritt in die vernetzte Produktion zukunftsweisend und rentabel ist.

Seit jeher steht „Made in Germany“ für exzellente Ingenieurskunst. Doch im globalen Wettbewerb genügt technische Qualität allein nicht mehr. Immer stärker entscheiden digitale Vernetzung, Datensicherheit, Integrationsfähigkeit und Serviceorientierung über den Markterfolg. Kunden erwarten heute Komplettpakete: Maschinen kombiniert mit Software, Datenzugriff und passgenauen Services.

Damit wandelt sich auch die Rolle der Maschinenbauer. Aus klassischen Produzenten werden zunehmend datengetriebene Dienstleister. Wer seine Anlagen ohne digitale Infrastruktur ausliefert, verzichtet nicht nur auf zusätzliche Wertschöpfung – er läuft auch Gefahr, den direkten Kontakt zum Kunden dauerhaft zu verlieren.

Ohne Maschinenanbindung keine Digitalisierung

Dashboards, Analytics oder Pay-per-Use-Modelle sind nur sinnvoll, wenn Maschinen tatsächlich online sind. Die digitale Transformation beginnt daher nicht im Frontend, sondern ganz unten – auf der Steuerungsebene. In der Praxis bedeutet das: Maschinen müssen mit den richtigen Komponenten ausgestattet werden – etwa mit sicheren Industrie-Routern, verschlüsselten Verbindungen, Schnittstellen zu gängigen Steuerungen sowie Protokollstandards wie OPC UA oder MQTT. Hinzu kommen Edge-Funktionalitäten, die Daten lokal puffern und vorverarbeiten können.

Ebenso wichtig sind klare Sicherheitsstandards: Multi-Faktor-Authentifizierung, rollenbasierte Zugriffsrechte oder Audit-Trails gehören heute zum Pflichtprogramm. Wer Vorgaben wie ISO27001/IEC 62443 oder die neue NIS2-Richtlinie erfüllt, schafft nicht nur Sicherheit, sondern auch Vertrauen bei Kunden und Partnern. Maschinenanbindung ist damit kein technisches Add-on, sondern das Fundament, auf dem sich jede Digitalstrategie aufbauen muss.

Barrieren im Mittelstand: Wenn Strukturen zur Bremse werden

An der Technik scheitern die wenigsten Maschinenbauer. Die größeren Barrieren liegen in Organisation und Strategie. Digitalisierung wird oft noch als IT-Thema betrachtet, nicht als strategische Unternehmensinitiative. Sie gilt als Kostenfaktor statt als Wachstumstreiber. Hinzu kommen typische Stolpersteine: restriktive IT-Abteilungen, Datensilos in ERP- oder MES-Systemen, fehlende personelle Kapazitäten. Gleichzeitig wächst der regulatorische Druck: Vorgaben wie NIS2 oder CSRD zwingen Unternehmen, sich strukturiert mit Sicherheit, Datentransparenz und Compliance auseinanderzusetzen. Wer dies proaktiv angeht und offen kommuniziert, kann daraus einen Wettbewerbsvorteil ziehen – weil er Vertrauen aufbaut und Marktzugang sichert.

Schritt für Schritt zur vernetzten Produktion

Der Weg in die vernetzte Produktion gelingt nicht im „Big Bang“, sondern in klar definierten Etappen:

  1. Mit Zielbild starten: Maschinenbauer müssen sich zu Beginn fragen: Soll die Vernetzung vor allem Serviceprozesse beschleunigen, die Kundenbindung festigen oder neue Geschäftsmodelle eröffnen? Eine klare Zieldefinition bildet die Basis für alle weiteren Schritte.

  2. Überschaubare Use Cases wählen: Statt alles auf einmal umzusetzen, sind erste, konkrete Anwendungen sinnvoll – zum Beispiel Remote Access, automatische Alarmmeldungen oder die Analyse von Betriebsstunden. Solche Pilotprojekte liefern messbare Mehrwerte und schaffen Vertrauen bei internen wie externen Stakeholdern.

  3. Technische Voraussetzungen schaffen: Dazu gehören sichere Router und Gateways, definierte Datenpunkte, sauber eingerichtete Benutzerrollen sowie überprüfte Sicherheitsstandards. Entscheidend ist die Wahl einer Plattform, die mandantenfähig, skalierbar und offen für Integrationen ist, inklusive Rollen- und Rechtemanagement sowie Nachvollziehbarkeit aller Datenzugriffe.

  4. Standards für die Skalierung entwickeln: Wenn die Grundlagen gelegt sind, kann die Lösung in die Breite wachsen: durch einheitliche Standards für Schnittstellen, Datenpunkte, Supportprozesse und Onboarding. Nur so lassen sich Insellösungen vermeiden und ein Rahmen schaffen, in dem digitale Services über das gesamte Maschinenportfolio ausgerollt werden.

Wer Digitalisierung so Schritt für Schritt umsetzt, baut ein stabiles Fundament, das zunächst Sicherheit gibt – und später die Skalierung ermöglicht.

Vom Technology Center zur Remote-Inbetriebnahme

Wie das in der Praxis funktioniert, zeigt Vecoplan. Der Spezialist für Recycling- und Aufbereitungstechnik investierte bereits 2014 in ein eigenes Technology Center, in dem reale Anwendungen simuliert und datenbasiert angepasst werden. 2021 wurden alle Serienmaschinen mit einer standardisierten Anbindung ausgestattet – inklusive Remote-Zugriff, Live-Datenvisualisierung und Edge-Integration. Die Plattformlösung basiert auf sicherer Cloud-Infrastruktur mit EU-Hosting, erfüllt aktuelle Security-Standards und erlaubt granulare Benutzer- und Maschinenrechteverwaltung.

Besonders eindrucksvoll: Während der Corona-Pandemie konnte eine komplette Anlage in Peru vollständig remote in Betrieb genommen werden – inklusive Fernparametrierung und Funktionstests. Heute gehört die digitale Anbindung bei Vecoplan zur Serienausstattung, unter dem Namen VSC.connect.

Beispiel Albrecht Bäumer: ROI von 127 Prozent durch Vernetzung

Auch Albrecht Bäumer, Weltmarktführer für Schaumstoff-Schneidemaschinen, ging diesen Weg konsequent. Mit über 6.000 Maschinen weltweit und steigenden Serviceanforderungen setzte das Unternehmen frühzeitig auf eine skalierbare IIoT-Infrastruktur. Heute sind mehr als 700 Maschinen vernetzt, etwa die Hälfte davon permanent online. Die durchschnittliche Verbindungszeit zur Steuerung wurde von fünf auf eine Minute gesenkt, was zu einer spürbaren Erhöhung der Servicequalität führte. Die Plattform dient als Single Point of Entry für sämtliche digitalen Services – von Fernwartung über Monitoring bis zur Dokumentation. Durch das Angebot eines kostenlosen Remote-Service im Garantiezeitraum konnte ein ROI von 127  Prozent erzielt werden – eine Zahl, die nicht nur intern für Rückendeckung sorgte, sondern auch am Markt positiv wahrgenommen wurde.

Die Maschine als Ausgangspunkt der Digitalisierung

Diese Beispiele machen deutlich: Digitalisierung ist kein Tool, sondern ein Betriebsmodell. Sie verändert nicht nur Produkte und Prozesse, sondern die gesamte Kundenbeziehung. Der Kontakt endet nicht mehr mit der Auslieferung einer Maschine – er beginnt dort erst richtig. Hersteller entwickeln sich zu datengetriebenen Servicepartnern mit direktem Einblick in die Betriebsrealität ihrer Maschinen. Daraus entstehen bessere Produkte, planbare und wiederkehrende Erlöse sowie neue Formen der Zusammenarbeit.

Digitalisierung beginnt dabei nicht am Schreibtisch, sondern an der Maschine. Wer heute in sichere, skalierbare und technisch saubere Maschinenanbindung investiert, schafft die Grundlage für langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Und wer diesen Weg konsequent verfolgt – mit klarem Zielbild, interdisziplinären Teams und einem belastbaren technischen Fundament – profitiert doppelt: operativ durch Effizienz und strategisch durch Differenzierung am Markt.

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