Umsetzung stockt – aber Investitionsbereitschaft ist vorhanden Firmen ohne Plan: Digitale Souveränität bleibt Wunschdenken

Digitale Souveränität gilt als Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit – doch laut Studie von Adesso fehlt vier von fünf Unternehmen eine klare Strategie.

Bild: iStock, gremlin
29.09.2025

„Unternehmen verschenken Wachstumspotenzial“, so Adesso-CEO Mark Lohweber. Der „Index Digitale Souveränität“ von Adesso zeigt deutliche Abhängigkeiten deutscher Unternehmen bei Cloud, Software und KI – trotz hoher Investitionsbereitschaft für souveräne Lösungen.

Digitale Souveränität wird für die deutsche Wirtschaft zum Erfolgsfaktor, doch nur wenige Unternehmen haben eine entsprechende Strategie entwickelt. Das zeigt der erstmals ermittelte „Index Digitale Souveränität“, den das Unternehmen Adesso gemeinsam mit dem Handelsblatt Research Institute erhoben hat. Die branchenübergreifende Umfrage unter rund 500 Unternehmen und Organisationen der öffentlichen Hand macht deutlich, dass die deutsche Wirtschaft sich zwar für gut gerüstet hält, aber weiterhin mehrheitlich von digitalen Lösungen nicht-europäischer Anbieter abhängig ist.

Laut Studie halten zwar 92 Prozent der Befragten das Thema digitale Souveränität für wichtig. Doch das ist offenbar nur ein Lippenbekenntnis, denn nur 21 Prozent der befragten Unternehmen haben bisher eine dezidierte Strategie für ihre digitale Souveränität entwickelt. In nur 25 Prozent der befragten Unternehmen ist die Verantwortung für dieses Thema beim Vorstand angesiedelt. Und lediglich 13 Prozent haben digitale Souveränität in ihre Unternehmensstrategie integriert. 46 Prozent der Unternehmen überlassen das Thema der IT-Abteilung und die große Mehrheit reduziert es auf die Aspekte Cloud (72 Prozent) und Sicherheit (91 Prozent). Ebenfalls von digitaler Souveränität berührte Aspekte wie Recht und Regulierung, Weiterbildung und Kompetenzaufbau sowie Einkauf oder Supply-Chain-Management bleiben vielfach unbeachtet.

Reifegrad bei knapp 66 Prozent – kleine Unternehmen vorn

Basierend auf einer deutschlandweiten, branchenübergreifenden Umfrage unter knapp 500 Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden und Organisationen der Öffentlichen Hand, ermittelt der Index den aktuellen Reifegrad in Sachen digitaler Souveränität. Dieser setzt sich zusammen aus einer Bewertung der sechs Aspekte Hardware, Software, Cybersicherheit, Datenmanagement, Cloud und Künstlicher Intelligenz.

Im Schnitt liegt der Reifegrad der deutschen Wirtschaft über alle Organisationsformen und -größen hinweg bei 65,8 Prozent. Unternehmen schneiden mit 67 Prozent insgesamt etwas besser ab als die öffentliche Verwaltung mit 64 Prozent. Und kleinere Unternehmen (unter 2.500 Mitarbeitende) schneiden mit 68,9 Prozent wiederum besser ab als Großunternehmen (ab 2.500 Mitarbeitende) mit 64,2 Prozent. Vollkommene Souveränität ist bei einem Wert von 100 Prozent erreicht.

Hohe Abhängigkeit von nicht-europäischen Anbietern

Der Index zeigt, dass die befragten Unternehmen und Organisationen gerade bei Schlüsseltechnologien wie Cloud, Software und KI stark von nicht-europäischen Anbietern abhängig sind. Mehr als 60 Prozent der Unternehmen geben an, in diesen Bereichen auf Lösungen aus dem Ausland angewiesen zu sein. Im Bereich Künstliche Intelligenz bewerten 63 Prozent ihren Grad an digitaler Souveränität nur als „ausreichend“.

Bisher bremsen vor allem fehlende Kompetenzen, Fachkräftemangel und hohe Kosten vielerorts noch den Ausbau der digitalen Souveränität. Der Ernst der Lage scheint jedoch erkannt zu sein, denn die Bereitschaft, künftig in digitale Souveränität zu investieren, ist hoch: 80 Prozent der Unternehmen würden für souveräne Lösungen einen Aufpreis zahlen, im Schnitt in Höhe von 17 Prozent. Bei größeren Unternehmen liegt dieser Wert bei knapp 30 Prozent.

„Unser Index digitale Souveränität macht erstmals deutlich, wie sehr die große Mehrheit der deutschen Wirtschaft die strategische Relevanz der digitalen Souveränität unterschätzt“, sagt Mark Lohweber, CEO von adesso SE. „Dabei verhilft sie Unternehmen zu mehr Handlungsfreiheit, Innovation und damit Wettbewerbsfähigkeit. Diese wichtigen Hebel für Wachstum und Wertschöpfung bleiben noch weitestgehend ungenutzt.“

Gesucht: Balance statt kompletter Autarkie

Welches Maß an digitaler Unabhängigkeit für ein Unternehmen sinnvoll ist, hängt vom Anwendungsbereich und der Sensibilität der Daten ab. Laut Umfrage streben Unternehmen und öffentliche Hand daher auch keine komplette Autarkie an, sondern einen durchschnittlichen Souveränitätsgrad von 77,8 Prozent.

„Digitale Souveränität bedeutet in einer global vernetzten Wirtschaft und Politik nicht Abschottung, sondern Selbstbestimmung, Partnerschaft und Resilienz“, unterstreicht Lohweber. „Es gilt, den richtigen Weg zu einer passgenauen digitalen Souveränität zu finden – mit der optimalen Balance zwischen Unabhängigkeit und Wettbewerbsfähigkeit.“

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