Interview über integrierte Schaltschrankkühlung „Wir reduzieren den Aufwand“

Michael Schell ist Hauptabteilungsleiter Produktmanagement Industrie bei Rittal

Bild: Rittal
28.08.2018

Schaltschränke ohne aktive Kühlung sind kaum mehr anzutreffen. Doch anstatt das Kühlgerät selbst in der Seitenwand oder auf dem Dach zu montieren, bietet Rittal eine im Schaltschrank integrierte Kühllösung an. Welche Vorteile und Möglichkeiten Kunden damit erhalten, erläutert Michael Schell, Hauptabteilungsleiter Produktmanagement Industrie bei Rittal, im Gespräch mit A&D.

Weniger Schnittstellen, keine zusätzliche Montagezeit, weniger Fehlerquellen: Welche weiteren Vorteile sehen Sie durch die integrierte Kühllösung?

Die wichtigsten Argumente haben Sie schon erwähnt. Hinzu kommt weniger Aufwand bei der Produktselektion, denn die Komponenten, die durch die integrierte Kühllösung bereits verbaut sind, müssen ebenfalls nicht mehr separat ausgewählt werden – beispielsweise der Türpositionsschalter und die anschlussfertige Verkabelung. Für den neuen VX25-Schaltschrank mit inte­grierter Kühllösung brauchen Sie nur eine Bestellnummer, und in ein paar Tagen ist das fertige Produkt beim Kunden – inklusive einer zusammenhängenden Dokumentation. Letztendlich bietet der Schaltschrank auch ein gleichmäßigeres Design.

Wieviel Zeit kann ein Schaltschrankbauer durch die integrierte Lösung typischerweise einsparen?

Hier können Sie von ungefähr 1,5 Stunden weniger Montagezeit bei einem Schaltschrank ausgehen. Nimmt man eine externe Kühllösung, die typischerweise auf dem Dach des Schaltschranks montiert wird, so müssen über Schablonen die Aussparungen eingezeichnet, Zentrierlöcher gesetzt, Löcher gebohrt und die Stichsäge angesetzt werden. Ein Nachbearbeiten der Kanten für saubere Dichtigkeit ist ebenfalls notwendig. Wenige große Schaltschrankbauer arbeiten zwar mit digitalen Bohrschablonen und automatisierter Bearbeitung der Aussparung, aber das Groß unserer Kunden muss hier noch viel manuelle Arbeit leisten. All das fällt bei der Integrationslösung weg.

Platz ist oft Mangelware im Schaltschrank, die integrierte Kühllösung lässt noch weniger Platz übrig. Was spricht abseits der erwähnten Vorteile dennoch für die neue Lösung?

Natürlich kommt es immer auch auf den Anwendungsfall an und ob das reine Platzangebot absolute Priorität hat. Unsere neuen VX25-Schaltschränke sind ja bereits extrem auf Raumoptimierung ausgelegt – egal ob mit oder ohne integrierte Kühllösung. Doch bedenken Sie auch das Transportthema der Schaltschränke, die meist auf einer Palette stehend im LKW verstaut werden. Der 2,20 Meter hohen Schrank mit integrierter Kühlung passt in jeden standardmäßigen Transport-LKW rein. Doch wenn noch ein externes Kühlgerät oben verbaut ist, wird es schwierig – es muss daher häufig für den Transport abgeschraubt werden.

Welche Kühlleistung hat das integrierte Blue e+ System?

Das integrierte Blue e+ Kühlsystem besitzt eine Kühlleistung von 1,5 kW. Wir starten damit, weil diese Leistungsklasse bei unseren externen Kühlgeräten am beliebtesten bei unseren Kunden ist. Das gilt auch für den VX25 mit den Maßen von 800 x 2200 x 600 mm. Aber wir werden natürlich sukzessive das Angebot weiterer Schaltschrankvarianten und Kühlleistungen für integrierte Lösungen ausbauen.

Kühlsysteme benötigen auch mal Wartung. Sind hier die externen Dachkühler durch die freie Zugänglichkeit nicht von Vorteil?

Nein, sind sie nicht! Der integrierte Kühler lässt sich bei Bedarf ganz einfach nach vorne ohne Werkzeug herausziehen. Damit hat das Wartungspersonal vollen Zugang. Bei Dachkühlgeräten wird eine Leiter benötigt. Um Wartungen durchführen zu können, müssen die Geräte gelöst und heruntergehoben werden. Und egal ob bei Servicearbeiten oder der Schaltschrank-Aufstellung, bei der Integrationslösung muss man sich keine Gedanken über Freiräume links, rechts oder oben machen. Unsere Blue e+ Kühlgeräte saugen die Luft vorne an und führen sie an der Front auch wieder heraus.

Welche thermischen Analysen sind über Eplan Pro Panel beim VX25 mit inte­grierter Kühlung möglich?

Die Software führt im komplett digital vorliegenden Zwilling des Schaltschranks und seiner verbauten Komponenten eine Luftstromanalyse durch. Dadurch lassen sich Hotspots identifizieren und vermeiden. Der Planer sieht mit dieser ‚Thermal Design Integration‘ genannten Funktion, wo Flächen wie durchströmt werden. Entsprechend kann er dann die Positionierung der zu verbauenden Komponenten optimieren oder zusätzliche Luftleitbleche installieren. Schaltschrankplaner bekommen also ein visuelles Bild davon, wie sich die Temperatur im Schaltschrank basierend auf den verbauten Komponenten und der Kühlleistung des integrierten Blue e+ Systems verhält.

Ihre Blue e+ Kühlgeräte lassen sich mit dem Rittal IoT-Interface ausstatten. Welche typischen Kennzahlen werden damit ausgelesen?

Das geht los von der simplen Positionserkennung des Schaltschranks, was gerade bei großen Installationen den Servicetechniker Zeit und Wegstrecke sparen kann. Dann übermitteln unsere Blue e+ Kühlgeräte über das IoT-Interface Laufzeiten, Übertemperatur- und Fehlermeldungen. Faktoren wie Rauch, Luftfeuchte oder Zugangsmeldungen durch Öffnen der Schranktür sind durch die entsprechende Sensorik ebenfalls über das IoT-Interface auslesbar. Wir sehen unser IoT-Interface als Kommunikationsschnittstelle zur Außenwelt. Damit ist dann ein Condition Monitoring der Schaltschränke ebenso möglich wie automatisierte Alarme bei Servicefällen.

Da landen wir dann schnell beim Thema Predictive Maintenance der Schaltschrankkühlung. Das ist doch dann der nächste logische Schritt?

Genau! Wir arbeiten deshalb auch mit Anbieter wie Axoom, Siemens mit seiner MindSphere sowie IBM und deren Watson-Technologie zusammen, um unseren Kunden aufzuzeigen, welche Möglichkeiten und Einsparpotentiale sich durch die Analyse der Schaltschrankdaten künftig ergeben. Hier fahren wir derzeit viele Feldversuche und sammeln ausgiebig Daten, denn erst dann lassen sich seriöse und für unsere Kunden auch nutzwertige Services für vorausschauende Wartung anbieten. Aber was wir jetzt schon sehr zeitnah als Service sehen, ist eine Effizienzanalyse der Kühlgeräte, ob das Gerät beim Kunden ideal im Teillastbereich operiert oder unter- beziehungsweise überdimensioniert ist.

Aber Sie favorisieren jetzt nicht eine bestimmte Cloud- oder Analytics-Lösung?

Nein, denn unser Kunde muss selbst wählen können, welche Cloud-Lösung er gerne in seinem Unternehmen nutzen will. Hier fahren wir von Rittal aus die Strategie, auf offene Schnittstellen und Standards zu setzen. Kunden müssen ihre Schaltschrankdaten auch mit eigenen Analytics-Diensten verwerten können, wir wollen und werden sie nie in etwas hineindrängen. Natürlich ist es unser Bestreben, dass unsere Kunden künftig Services wie Predictive Maintenance von Rittal verwenden, weil wir mit Qualität und Nutzwert überzeugen. Aber nochmals, unser Credo ist hier Support offener Standards.

Kunden sehen Schaltschrankkühlung wie das lästige Thema Backup – niemand will sich damit befassen, aber es muss sein. Stimmen Sie dieser Interpretation zu?

Ja, sehr treffend interpretiert! Deshalb ist unser Bestreben, es dem Kunden so einfach wie möglich mit der Schaltschrankkühlung zu machen. Der VX25 mit Integrationslösung sowie künftige digitale Services sind weitere Schritte, sowohl dem Schaltschrankbauer als auch Anlagenbetreibern möglichst viel Arbeit abzunehmen. Weil wir rund um den Schaltschrank vom Engineering bis hin zu digitalen Services die komplette Wertschöpfungskette im Angebot haben, sehen wir uns als idealer Lösungsanbieter für unsere Kunden.

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