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Effiziente Datenverarbeitung Unkonventionelles Computing nutzt Umgebungswärme statt Strom

Ein magnetischer Wirbel, genannt Skyrmion (grauer Punkt), wird in einer dreieckigen Geometrie durch elektrische Ströme in Ecken gedrückt und von den Kanten der Geometrie abgestoßen. Die roten Potenziale reichen so für Boolsche Logikoperationen aus.

Bild: Klaus Raab, JGU
06.12.2022

Neuartige Konzepte wie neuromorphes Computing nutzen anstelle von Strom andere, sparsamere Ansätze zur Energieversorgung. Physiker aus Mainz haben jetzt einen solchen Ansatz entwickelt, der zwei unkonventionelle Methoden kombiniert: die Verwendung von Wärmeenergie und magnetischen Wellen.

Ein Großteil der heutzutage genutzten Energie wird in Form elektrischen Stroms für die Verarbeitung und Speicherung von Daten und die entsprechenden Endgeräte verbraucht, wobei dieser Anteil zukünftig laut Prognosen noch weiter steigen wird. In einem Gemeinschaftsprojekt haben experimentelle und theoretische Physiker der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) nun eine Alternative entwickelt. Sie trägt den Namen „Brownsches Reservoir-Computing“.

Brownsches Reservoir-Computing ist eine Kombination von zwei unkonventionellen Computing-Methoden. Es nutzt aus, dass die Prozesse üblicherweise bei Raumtemperatur ablaufen und somit die Wärmeenergie der Umgebung verwendet werden kann. Dadurch wird Strom gespart. Die Wärmeenergie äußert sich meist als zufällige Bewegung von Teilchen, was Brownsche Bewegung genannt wird und somit der Namensgeber ist.

Beim Reservoir-Computing wird die komplexe Reaktion eines physikalischen Systems auf externe Anregungen ausgenutzt, um besonders ressourceneffizient Daten zu verarbeiten. Der Großteil der „Rechenarbeit“ wird dabei vom physikalischen System selbst geleistet, wofür keine zusätzliche Energie benötigt wird. Hervorzuheben ist hierbei auch, dass sich ein Reservoir-Computer sehr einfach an diverse Aufgaben anpassen lässt, da das physikalische System nicht eingestellt werden muss.

Erster Prototyp aus Mainz

Wissenschaftlern um Prof. Dr. Mathias Kläui vom Institut für Physik der JGU ist es mithilfe von Prof. Dr. Johan Mentink von der niederländischen Radboud-Universität Nijmegen gelungen, einen Prototyp zu entwickeln, der die beiden Computing-Methoden verbindet. Der Prototyp ist in der Lage, Boolsche Logikoperationen durchzuführen, die als Standardtests für Reservoir-Computing genutzt werden können.

Als physikalisches System wurden hierbei die in metallenen Dünnschichten vorkommenden magnetischen Skyrmionen gewählt. Diese magnetischen Wirbel verhalten sich wie Teilchen und lassen sich durch elektrische Ströme bewegen. Das Verhalten der Skyrmionen wird dabei nicht nur durch den angelegten Strom, sondern auch durch deren Brownsche Bewegung geprägt. Letzteres kann zu einer hohen Energieeinsparung führen, da die Brownsche Bewegung der Skyrmionen den Computer nach jeder Operation automatisch zurücksetzt und für die nächste Rechnung vorbereitet.

Potenzial von unkonventionellem Rechnen

Obwohl es in den letzten Jahren viele theoretische Konzepte für Skyrmion-basiertes Reservoir-Computing gab, hat erst die Kombination mit dem Brownschen Computing-Konzept dazu geführt, dass die Mainzer Wissenschaftler den ersten funktionsfähigen Prototyp entwickeln konnten. „Der Prototyp ist lithographisch einfach herzustellen und kann hypothetisch auf Nanometer-Größe verkleinert werden“, sagt der Experimentalphysiker Klaus Raab. Projektleiter Kläui ergänzt: „Ich freue mich, dass die Unterstützung durch einen Synergy Grant des European Research Council die Zusammenarbeit mit hervorragenden Kollegen aus der theoretischen Physik in Nijmegen möglich gemacht hat, woraus dann unsere gemeinsame Arbeit entstanden ist. Ich sehe großes Potenzial in unkonventionellem Rechnen, was hier in Mainz auch hervorragend durch die Carl-Zeiss-Stiftung im Projekt Emergent Algorithmic Intelligence gefördert wird.“

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