Wie resilient sind Seekabel? Sicherheitslücke Tiefsee: Schutzstrategien für globale Datenleitungen

Eine Studie ordnet die weltweiten Schutzmaßnahmen für Unterseekabel einem Resilienzmodell zu und zeigt, wie sich Schwachstellen systematisch erfassen lassen.

Bild: TU Darmstadt
04.08.2025

Internationale Organisationen stufen Internet-Unterseekabel zunehmend als kritische Infrastruktur ein. Bisher fehlte jedoch eine systematische Untersuchung zur Wirksamkeit der unterschiedlichen Schutzmaßnahmen. Jonas Franken, Forscher am Nationalen Forschungszentrum für angewandte Cybersicherheit ATHENE der TU Darmstadt, hat an einer entsprechenden Studie des UNIDIR mitgewirkt. In dieser wurden internationale Schutzmaßnahmen für Unterseekabel im Internet untersucht. Das neue Resilienzmodell soll dabei helfen, Schwachstellen systematisch zu erfassen.

Fast 99 Prozent des weltweiten Datenverkehrs zwischen Kontinenten werden über Unterseekabel übermittelt. Schnelle und zuverlässige Internetverbindungen hängen von ihnen ab. Die Kabel werden häufig beschädigt, sei es versehentlich durch Fischernetze oder Schiffsanker oder gezielt durch Sabotageakte, wie in der Ostsee vermutet. Um diese Kabel besser schützen zu können, stufen immer mehr Staaten sie als kritische Infrastruktur (KRITIS) ein.

Der Wissenschaftler Jonas Franken von der TU Darmstadt war an einer Studie des UNIDIR (United Nations Institute for Disarmament Research) beteiligt, die diese Lücke schließen soll. Sie ordnet staatliche Schutzmaßnahmen für Unterseekabel einem Resilienzmodell zu. Anhand dieses Modells können Staaten und Betreiber ableiten, wie gut sie auf Störungen ihrer Unterseekabel vorbereitet sind. Das Modell hilft dabei, Schwachstellen systematisch zu erkennen und gezielte weitere Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Drei Kategorien für den Seekabel-Schutz

Für die Studie wurden weltweit spezifische Schutzmaßnahmen unterschiedlicher Länder gesammelt und auf dieser Grundlage ein Resilienzmodell entwickelt, das die Schutzmaßnahmen in drei Kategorien einteilt. Die erste Kategorie ist die sogenannte „absorptive Kapazität”, also die Fähigkeit, Schäden vorzubeugen. Australien hat beispielsweise ein präventives Genehmigungssystem für das Verlegen von Unterseekabeln. Kabel dürfen nur in bestimmten geschützten Zonen anlanden, wodurch Risiken durch Fischerei oder Schifffahrt stark reduziert werden. Frankreich hat eine zentrale Cybersicherheitsstelle, die kritische Infrastrukturen überwacht. Dazu gehört auch das Monitoring von Seekabeln sowie die Koordinierung mit dem Militär.

Die zweite Kategorie ist die wiederherstellende Kapazität, also die Frage, wie schnell und effektiv ein zerstörtes Seekabel repariert werden kann. In Japan wurden nach dem schweren Seebeben im Jahr 2011, das einen Tsunami in Fukushima auslöste, auch mehrere Seekabel zerstört. Durch die regionale Koordination der Kabelschiffe und Abkommen mit internationalen Firmen war eine schnelle Reparatur dieser Schäden möglich. Ein anderes Beispiel ist Singapur, wo viele redundante Kabel verlegt sind. Fällt eines aus, wird der Datenverkehr automatisch über andere Kabel umgeleitet.

Die dritte Kategorie umfasst adaptive Kapazitäten, also wie schnell aus Vorfällen gelernt und neue Regeln oder Technologien zum besseren Schutz eingeführt werden. In der Studie wird beispielhaft die EU angeführt, die nach mehreren Störfällen – unter anderem in der Ostsee – ihre Strategien angepasst und die NIS2-Richtlinie, ein Cyberresilienzgesetz sowie gemeinsame Risikoanalysen eingeführt hat. Außerdem entstehen neue Plattformen zur Koordination zwischen Ländern und Betreibern von Seekabel-Infrastruktur. So entwickelt das Vereinigte Königreich seit dem Brexit eigene Kabelschutzrichtlinien und fördert neue Technologien wie Tiefsee-Sensoren, um Angriffe oder Störfälle so früh wie möglich zu erkennen.

Seekabel systematisch stärken

Das Ziel dieser systematischen Erfassung besteht darin, die Seekabel-Infrastruktur international sicherer und robuster gegen Ausfälle zu machen. Das Modell hilft Staaten und Betreibern dabei, Schwachstellen zu erkennen und ergänzende Maßnahmen zu ergreifen. Damit leistet die Studie einen wichtigen Beitrag zu einer umfassenden „Cable Security Toolbox“, wie sie unter anderem von der Europäischen Union gefordert wird. Darüber hinaus enthält die Studie allgemeine Empfehlungen, wie Seekabel sicherer gemacht werden können.

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