Auf das richtige Know-how kommt es an Sicherheit bei Batteriespeichern

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06.04.2018

Der Speichermarkt in Deutschland wächst rasant: Allein im vergangenen Jahr wurden hierzulande rund 30.000 Batteriespeicher neu installiert – Tendenz steigend. Das Potenzial ist weiter riesengroß. Doch gibt es eine Batterietechnik, die sicherer ist als die andere? Ein Faktencheck.

Die Entscheidung ist gefallen: Bosch wird vorerst keine Batteriezellproduktion in Deutschland aufbauen. Das Risiko sei selbst für den Automobilzulieferer zu groß, verkündete der Mobility-Solutions-Manager des Konzerns Ende Februar. „Für eine angestrebte führende Position mit einem Marktanteil von 20 Prozent hätte es ein Investment von 20 Milliarden Euro gebraucht“, so Rolf Bulander. Bosch steckt das Geld jetzt lieber in die Geschäftsbereiche Vernetzung, Automatisierung sowie künstliche Intelligenz.

Fraglich wäre ohnehin gewesen, ob Bosch mit einer eigenen Zellfabrik als Newcomer eine Chance gegen die etablierten asiatischen Produzenten gehabt hätte. Aktuell ist Samsung der größte Batteriezellenhersteller der Welt: Das koreanische Unternehmen stellte 2016 rund 1,17 Millionen Lithium-Ionen-Zellen her und liegt damit vor Panasonic und LG Chem auf Platz eins. Getrieben von der steigenden Nachfrage nach Elektrofahrzeugen, werden die Kapazitäten in den kommenden Jahren steigen. Auch für stationäre Speichersysteme spielen die Zellen auf Basis des Alkalimetalls Lithium eine große Rolle.

Der Speichermarkt wächst

Die Speicherbranche in Deutschland legt zu. Bis Ende 2016 waren in Deutschland insgesamt etwa 50.000 Batteriespeicher installiert; alleine im vergangenen Jahr kamen nochmal 30.000 hinzu. Auch der Dresdner Systemanbieter Solarwatt, erst 2015 in den Speichermarkt eingestiegen, konnte seine Verkäufe 2017 steigern. Das Unternehmen stellt einen modular aufgebauten Batteriespeicher her, der sich per Baukastenprinzip flexibel an die Bedürfnisse der Kunden anpassen lässt. Solarwatt setzt dabei ebenso wie die Mehrzahl der Mitbewerber auf die Lithium-Ionen-Technik. Vereinzelte Anbieter auf dem Speichermarkt verwenden auch Lithium-Eisenphosphat (LFP). Auch Bleibatterien sind noch nicht ganz ausgestorben.

Batteriespeicher: Diskussion über Zelltyp

In der Speicherbranche hält sich bereits seit einiger Zeit hartnäckig das Gerücht, dass die Zellchemie einen Einfluss auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Batteriespeichers hat. Diese Behauptung führt bei Kunden und Installateuren gleichermaßen zu Verunsicherungen. Geführt wird diese Diskussion vorrangig in Märkten, die sich noch nicht lange mit der Lithium-Ionen-Technik beschäftigen, wie etwa Deutschland. In Asien, der Heimat der großen Zellhersteller, spielt dieses Thema überhaupt keine Rolle. Doch worum geht es genau? Bei Lithium-Ionen beziehungsweise Lithium-Eisenphosphat handelt es sich um das Kathodenmaterial der in einem Batteriespeicher verwendeten Batteriezelle. Bei Lithium-Ionen-Zellen besteht der positive Teil der Elektrode (Kathode) häufig aus einem Gemisch aus Lithium, Nickel, Mangan und Kobalt. Dieser sogenannte NMC-Zelltyp wird aufgrund seiner Kombination aus hoher Energiedichte, Zyklenfestigkeit und Sicherheitsverhalten vor allem in Elektrofahrzeugen verbaut.

Bei LFP-Zellen werden Lithium und Eisenphosphat für die Kathode verwendet. Dieser Zelltyp wird von seinen Befürwortern gerne als langlebiger und weniger brennbar beschrieben. So sagte Werner Tillmetz, Leiter des Geschäftsbereichs Elektrochemische Energietechnologien am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, im April 2017 in einem Beitrag der Stuttgarter Nachrichten, dass Lithium-Eisenphosphat-Akkus von Natur aus robuster seien und tiefe wie hohe Temperaturen beziehungsweise ein Überladen besser wegstecken würden. Auch ihre mechanische Belastbarkeit sei höher. Doch wie relevant ist überhaupt die Wahl des Kathodenmaterials der einzelnen Zelle für die Sicherheit des Batteriespeicher-Systems?

Vereinfachung führt nicht zum Ziel

Fakt ist, dass für die Beurteilung der Sicherheit viele Faktoren eine Rolle spielen. Die Kathode ist nur eine Komponente in einem komplexen System. Dies ist nicht zuletzt der Grund, weshalb der für Batteriespeicher relevante Sicherheitsleitfaden für Li-Ionen-Hausspeicher und die VDE-Anwendungsregel VDE AR-2510-50 so umfangreich sind, aber den Umfang dann für die Nutzer greifbar in einem einzigen Standard zusammenfassen. Bei einer Batterie ist das Zusammenspiel seiner Komponenten essenziell: Neben dem Kathodenmaterial sind unter anderem auch die Anode und der Separator wichtig. Hinzu kommt beispielsweise der generelle Aufbau des Speichers, die Größe und der Aufbau der Zelle, die Verschaltung der einzelnen Batteriezellen miteinander sowie die Bauart und Robustheit des Gehäuses, das die Batteriezellen schützt. Eine wichtige Rolle spielt das Batteriemanagement-System, das jede einzelne Zelle genau überwacht und sowohl für die Sicherheit als auch die Effizienz des Speichers sorgt.

Die hiesige Branche steckt noch in den Kinderschuhen und muss in diesem Bereich noch eigenes Know-how aufbauen. Wichtig ist dabei, dass sich die Hersteller nicht auf Gerüchte oder Hinweise der Zellhersteller verlassen. Nur die Prüfung der Batteriesysteme als Ganzes in dafür vorgesehenen Testlaboren kann wirklich Aufschluss über die Beschaffenheit und Qualität des verwendeten Materials geben. Man stelle sich vor, ein Hersteller vernachlässigt die relevanten Prüfungen, weil er die Eigensicherheit der verwendeten Zelle falsch einschätzt. Dies könnte mitunter fatale Folgen haben. „Sicherheit muss bewiesen und nicht argumentiert werden“, sagt Thomas Timke. Der Senior Battery Expert, der die Solarwatt Gruppe berät, gilt als einer der Fachmänner in Bezug auf die Batteriespeicher-Technologie. Unter seiner Mithilfe entstand am Karlsruher Institut für Technologie in Zusammenarbeit mit Prüflaboren und Verbänden der bereits erwähnte Sicherheitsleitfaden.

Auch Timke ist der Meinung, dass viel mehr dazugehört, als die Sicherheit eines Speichersystems auf ein einzelnes Element zu reduzieren. „Das wäre in etwa so, als würde man aufgrund der geringeren Brennbarkeit von Diesel gegenüber Benzin behaupten, dass Diesel-Fahrzeuge generell sicherer sind als Benziner. Das ist kompletter Unfug, denn der Kraftstoff ist in diesem Fall auch nur eine einzelne Komponente, deren technische Umgebung ihren Eigenschaften entsprechend ausgelegt ist“, so der Batterieexperte. Solche Annahmen wären auch gefährlich, lässt Timke durchblicken. Deswegen sei es so wichtig, Speicher von akkreditierten Prüflaboren wie dem TÜV auf Herz und Nieren prüfen zu lassen, und sich nicht auf Gerüchte wie „LFP-Zellen sind eigensicher“ zu verlassen und Tests zu vernachlässigen.

Eine Reduzierung auf ein einzelnes Element ist nicht zielführend – dieser Meinung ist auch Stephan Scheuer vom TÜV Rheinland. Der Leiter der Abteilung Zertifizierung und Battery Storage in Köln testet regelmäßig einzelne Batteriezellen beziehungsweise ganze Speichersysteme, die für den hiesigen Markt vorgesehen sind. „Aus einer Einzeleigenschaft einer Zelle kann man niemals auf die Gesamteigenschaft der Zelle oder eines Systems schließen“, so Scheuer. Es sei zwar richtig, dass eine einzelne Zelle mit Lithium-Eisenphosphat etwas schwerer in einen Thermal Runaway zu versetzen ist. Werden die Zellen jedoch außerhalb ihres sicheren Betriebsfensters gebracht, reagieren Speicher mit LFP-Zellen und NMC-Zellen auf ähnliche Art und Weise. Bevor ein tatsächlicher Thermal Runaway einsetzt, müsste allerdings während der Entwicklung etwas falsch gelaufen sein und im Fehlerfall zusätzlich mehrere Umstände zusammenkommen.

Qualität der Batteriezelle im Mittelpunkt

Worauf kommt es in puncto Sicherheit an? Die Antwort ist einfach und kompliziert zugleich: Was zählt, ist die Qualität der gesamten Zelle und des Batteriesystems: „Eine Zelle darf während Analysen und praxisbezogenen Abuse-Tests, einzeln sowie in der Batterie verbaut, keine chemische oder thermische Reaktion zeigen oder erwarten lassen, die eine oder mehrere ihrer Komponenten soweit schädigt, dass ein zellexterner Fehler über die Lebensdauer auftritt oder zu erwarten ist“, fasst Timke die internen Batteriegesetze zusammen, nach denen die Zellen für den Solarwatt-Speicher MyReserve getestet werden. „Eine Zelle darf niemals das für sie vorgesehene Betriebsfenster verlassen“, sagt er. „Wir überprüfen bei unseren MyReserve-Speichern zu jeder Sekunde den Zustand jeder einzelnen verbauten Zelle. Sollte sich eine Zelle aus dem festgelegten Korridor bewegen, wird sie vom Batteriemanagement-System markiert und abgeschaltet“, so Timke weiter.

Bereits im Sommer 2016 sagte Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus im Handelsblatt: „Sicherheit ist nicht verhandelbar!“ Aber: Um ein sicheres Batteriespeicher-System zu bauen, benötigen die Hersteller ein großes Maß an Know-how und viel Erfahrung. Zwar habe die Solarbranche nach der Veröffentlichung des Sicherheitsleitfadens 2014 schon viele Mängel beseitigt, „doch noch immer gibt es Anbieter, die ihre Systeme nicht in unabhängigen Prüflaboren testen lassen“, weiß Timke. Dabei sei eine solche Zertifizierung ein wichtiges Qualitätssiegel und für Kunden und Installateure die einzige Möglichkeit, um zu überprüfen, ob der Speicher tatsächlich alle wichtigen Normen und Zusatzanforderungen erfüllt.

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