Wenn Digitalisierung das Netz überlastet Rechenzentren, KI und Strommangel: Europas infrastrukturelles Dilemma

Jeff Wittich, Chief Product Officer bei Ampere

Bild: Ampere Computing
06.05.2025

In Europa wächst die digitale Infrastruktur mit KI, Cloud und Rechenzentren rasant. Doch wie Beispiele aus Spanien, Irland und Großbritannien zeigen, kann das Stromnetz mit diesem technologischen Tempo oft nicht Schritt halten. Unternehmen wie Red Eléctrica oder Initiativen wie die „Coalition for Sustainable AI” arbeiten deshalb an Lösungen, um digitale Innovation und Energiewende miteinander zu vereinen.

Europäische Länder arbeiten mit Hochdruck daran, ihre Rolle in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Cloud Computing und digitale Transformation auszubauen. Doch mit der wachsenden technologischen Präsenz stehen sie vor einer zunehmenden infrastrukturellen Herausforderung: dem Stromnetz. Jüngste Stromausfälle und Energiespannungen in Teilen Europas könnten als Warnsignale dienen. Erneuerbare Energiequellen wie Wind- und Solarenergie sind entscheidend für die Dekarbonisierung, bringen jedoch zusätzliche Komplexität mit sich. Ihre schwankende Stromproduktion stellt neue Anforderungen an Stromnetze, die sich noch in der Modernisierung befinden und dabei nicht immer mit dem Tempo der digitalen Entwicklung Schritt halten.

Digitale Überlast

Ein gutes Beispiel ist der jüngste Stromausfall in Spanien. Der staatliche Netzbetreiber Red Eléctrica vermutet, dass der fast 18-stündige Blackout, der zu weitreichenden Störungen führte, durch eine unerwartet geringe Stromproduktion aus Solarenergie, gefolgt von einem Rückgang anderer erneuerbarer Energien, ausgelöst wurde.

Solche Netzprobleme sind kein Einzelfall. In Irland wurde das Wachstum von Rechenzentren derart energieintensiv, dass der nationale Netzbetreiber vor Engpässen warnte. Dies führte bereits in einigen Regionen zu einem Aufnahmestopp für neue Rechenzentren. In West-London kam es zu einer ähnlichen Situation. Netzengpässe führten zu einem Baustopp für neue Wohngebiete und Rechenzentren. Diese Fälle machen deutlich, dass digitales Wachstum nur dann gelingen kann, wenn eine tragfähige Infrastruktur dieses unterstützt.

Werden die Länder in Europa eine digitale Zukunft gestalten, die im Einklang mit der Energiewende steht oder mit ihr in Konflikt gerät? Das digitale Wachstum steht hier nun an einem Scheideweg.

Mehr Effizienz statt nur mehr Energie

Erneuerbare Energien waren ein entscheidender Faktor dafür, dass viele europäische Länder für Großinvestitionen in Rechenzentren attraktiv wurden. Regionen mit viel Wind- und Sonnenenergie positionieren sich als ideale Standorte für nachhaltige digitale Infrastruktur. Doch die jüngsten Netzprobleme zeigen, dass dieses Versprechen mit Vorbehalten verbunden ist. Die Annahme, dass große Mengen an erneuerbarer Energie allein ausreichen, um das Wachstum von Rechenzentren zukunftssicher zu machen, greift somit zu kurz.

Deshalb muss die Reduktion des Energieverbrauchs Hand in Hand mit dem Ausbau nachhaltiger Energiequellen gehen. Einer der wirksamsten und unmittelbarsten Hebel dafür liegt in der Art und Weise, wie wir die Server in unseren Rechenzentren betreiben. Letztere gehören bereits heute zu den weltweit am schnellsten wachsenden Stromverbrauchern. Mit dem Aufstieg von KI und großflächigem maschinellem Lernen wird dieser Bedarf weiter steigen. Laut der Internationalen Energieagentur werden Rechenzentren bis 2030 mehr Energie benötigen als das Doppelte von ganz Deutschland 2024. Moderne KI-Anwendungen auf veralteten CPUs oder stromhungrigen GPU-Architekturen auszuführen, ist schlichtweg nicht nachhaltig. Und das weder für die Umwelt noch für das Stromnetz.

Moderne Prozessorarchitekturen, die auf hohe Energieeffizienz ausgelegt sind, spielen somit eine zentrale Rolle für ein nachhaltiges Wachstum von Rechenzentren. Durch leistungsfähige und stromsparende Chips kann der Energieverbrauch deutlich gesenkt und gleichzeitig die Skalierbarkeit digitaler Infrastruktur verbessert werden, ohne das Stromnetz zusätzlich zu belasten.

Wie Technik und Umwelt zusammenspielen müssen

Im Rahmen verschiedener internationaler Initiativen entstehen derzeit Kooperationen, die darauf abzielen, die Entwicklung von KI in Einklang mit ökologischen Zielen zu bringen. Die Coalition for Sustainable AI in Frankreich ist beispielsweise eine internationale Initiative, die darauf abzielt, Innovationen im Bereich KI umweltfreundlich zu gestalten. Ziel dieser Bestrebungen ist es, eine nachhaltige technologische Grundlage für KI zu schaffen, die sowohl Innovationspotenzial als auch Umweltverantwortung berücksichtigt.

Energiewende und digitale Transformation vollziehen sich gleichzeitig und genau jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem politisch Verantwortliche, Infrastrukturanbieter und Technologieunternehmen neue, ganzheitliche Wege denken müssen. Bleibt eine durchdachte Strategie aus, die Effizienz konsequent in alle Ebenen der digitalen Infrastruktur integriert, droht eine Wiederholung vergangener Fehler. Und zwar technologisches Wachstum, das die Stromnetze überlastet und Innovation letztlich selbst behindert. Um beides miteinander in Einklang zu bringen, müssen digitale Technologien so konzipiert sein, dass sie möglichst wenig Energie verbrauchen und dennoch leistungsfähig bleiben. Nur auf dieser Grundlage lässt sich eine widerstandsfähige und nachhaltige digitale Zukunft aufbauen.

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