Schaltschrankbau 4.0 Neue Studie erklärt zukünftige Fertigung von Schaltschränken

Ein Schaltschrank.

26.02.2018

Wie sieht die Fertigung von Schaltschränken in der Zukunft aus? Dieser Frage ging ein Institut der Universität Stuttgart nach. Der Forschungsbericht fußt auf einer Felduntersuchung bei deutschen Schaltschrankbauern. Die Wissenschaftler analysieren den Ist-Zustand, geben Handlungsempfehlungen und skizzieren Trends im Zeitalter durchgängiger Informationsketten und intelligenter, selbst agierender Maschinen.

320 Seiten umfasst ein Stromlaufplan (SLP) im Durchschnitt – die durchschnittliche Verdrahtungszeit auf SLP-Basis beträgt 54 Stunden und damit 49 Prozent der gesamten Fertigungszeit. 16,74 Stunden werden bei durchschnittlich 500 Drähten pro Schaltschrank allein für das Lesen der Dokumente aufgewendet. Das sind beispielhafte Erkenntnisse der Studie „Schaltschrankbau 4.0 - Eine Studie über die Automatisierungs- und Digitalisierungspotenziale in der Fertigung von Schaltschränken und Schaltanlagen im klassischen Maschinen- und Anlagenbau“, die das Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen der Universität Stuttgart erstellt hat.

Aus den gesammelten Daten leiten die Wissenschaftler ab, dass Unternehmen, die heute noch projekt- oder aufgabenorientiert arbeiten, durch den Umstieg auf funktionsorientiert aufgebaute, modulare Stromlaufpläne bei ihrem Engineeringprozess bereits 45 Prozent der benötigten Zeit einsparen können. Stromlaufpläne und Konstruktionszeichnungen müssen dafür in modulare und funktionale Einheiten unterteilt werden. Diese Einheiten wiederum müssen nur einmal konstruiert und geprüft werden, um anschließend ohne weitere Prüfung verwendet werden zu können. Lediglich eine funktionale Betrachtung ist noch notwendig – beispielsweise um zu klären, ob ein oder zwei Drucksensoren gewünscht sind. Der nächste Schritt, die Einführung von Optionstechniken und Produktkonfiguratoren, weist laut ISW-Studie ein Einsparpotenzial von rund 40 Prozent auf.

Hohe Verbreitung von zweidimensionalem Engineering

Insgesamt ist auffällig, dass 92 Prozent der Studienteilnehmer immer noch zweidimensionales Engineering einsetzen. Prof. Dr.-Ing. Alexander Verl, Leiter des Instituts für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen: „Generell stellt sich die Frage: Warum werden im Engineering noch 2-dimensionale Konstruktionspläne erzeugt, wenn die Fertigung eines Schaltschrankes ohnehin in drei Dimensionen erfolgt? Diese Dimensionsreduzierung ist eher kontraintuitiv und kontraproduktiv. Bis zu 35% der Engineeringzeiten und bis zu 22% der Fertigungszeiten können eingespart werden, da den Konstruktionsplänen blind vertraut werden kann.

Dreidimensionale Konstruktionszeichnungen bieten auch für die Werker und in der Fertigung selber Vorteile.“ 55 Prozent der Fertigungszeit, führt die ISW-Studie weiter aus, lassen sich in der mechanischen Bearbeitung einsparen, wenn digitale Konstruktionszeichnungen zum Beispiel zur Bearbeitung der Montageplatte und der Korpuswände des Schaltschranks genutzt werden. Immerhin 90 Prozent weniger Zeitaufwand fallen bei der elektrischen Bestückung an, wenn digitale Schaltschrankmodelle für eine Vorkonfektionierung der Klemmen genutzt werden.

Einordnung verschiedener Trends im Schaltschrankbau

Weiterhin befasst sich die Studie „Schaltschrankbau 4.0“ mit Trends wie Fließfertigung contra Nestfertigung, Auslagerung und innerbetriebliche Fertigung und multimediale Endgeräte. Thematisiert wird auch die Notwendigkeit von mehr Logik und Intelligenz angesichts einer zunehmend vernetzten Produktionsumgebung, der eine große Anzahl dezentraler Schaltschränke mit mehr Teilevielfalt und Betriebsmitteln gegenübersteht. Maximilian Brandl, Vorsitzender der Geschäftsführung von Eplan Software & Service: „Die Studie ist eine besondere Empfehlung. Sie bietet allen Unternehmen des Schaltschrankbaus vielfältige Möglichkeiten der Reflektion und benennt sehr anschaulich Potenziale zur Effizienzsteigerung in Unternehmen.“

Das vierköpfige Forscherteam analysierte zunächst die gängige Praxis des Schaltschrankbaus in zwölf deutschen Unternehmen. Um die aktuelle Lage möglichst repräsentativ beschreiben zu können, wurden kleine Maschinen- und Anlagenbauer in der Untersuchung ebenso berücksichtigt wie Großunternehmen. 78 Prozent der befragten Unternehmen führen die Schaltschrankfertigung innerbetrieblich durch. 63 Prozent sprachen von großer Teilevielfalt und gaben mehr als 50 Prozent Sonderanteil an. Die Einzel-Ergebnisse der Bestandsaufnahme in den Abteilungen Konstruktion/Engineering und Fertigung/Montage unterteilt die Studie in die Prozessprofile „klassisch“, „standardisiert“ und „automatisiert“. Benannt werden durchschnittliche Zeitangaben zu spezifischen Arbeitsschritten.

Bildergalerie

  • Eine aktuelle Studie analysiert den Ist-Zustand im deutschen Schaltanlagenbau und zeigt Perspektiven für die Zukunft auf.

    Eine aktuelle Studie analysiert den Ist-Zustand im deutschen Schaltanlagenbau und zeigt Perspektiven für die Zukunft auf.

    Bild: Eplan

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