Den richtigen Weg wählen

Netzteile gemäß Schutzklasse I und II entwickeln und installieren

Traco Electronic GmbH

Die Auswahl eines geeigneten Netzteils erfordert sorgfältige Analyse der technischen Datenblätter, da Formulierungen und Zulassungsangaben variieren können.

Bild: iStock, Fasai Budkaew
10.11.2025

In der Auslegung elektrischer Versorgungssysteme ist Sicherheit kein nachträgliches Kriterium, das man einfach abhakt – sie wird von Beginn an konstruktiv in jedes Kabel, jedes Gehäuse und jede Isolationsschicht integriert. Eine der zentralen Entscheidungen im Entwicklungsprozess besteht in der Auswahl der richtigen Schutzklasse eines Netzteils (Power Supply Unit, PSU). Diese Wahl beeinflusst maßgeblich die Isolationsstrategie, die Erdungskonzeption, die Konformitätsprüfung und letztlich auch die Zuverlässigkeit des Gesamtsystems.

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Der wesentliche Unterschied zwischen Geräten der Schutzklasse I und II liegt in der Art, wie der Benutzer im Fehlerfall geschützt und das elektrische Gerät isoliert wird. Wer die Installationsanforderungen dieser Klassen kennt und korrekt umsetzt, vermeidet teure Designfehler und stellt sicher, dass das System bereits beim ersten Prüfzyklus die Zertifizierung besteht.

Schutzklasse-I-Netzteile – das sollten Sie wissen

Netzteile der Schutzklasse I basieren auf einem zweistufigen Sicherheitsprinzip: Basisisolation und Schutzerdung. Sollte die primäre Isolierung zwischen aktiven Komponenten und dem metallischen Gehäuse versagen, bestünde die Gefahr eines elektrischen Schlages. Um dies zu verhindern, wird das Gehäuse direkt mit dem Schutzleiter verbunden, wodurch ein Fehlerstrom abfließen kann. Dieser löst im Fehlerfall einen Leitungsschutzschalter oder Fehlerstromschutzschalter (RCD/GFI) aus und schützt so den Anwender zuverlässig. Ein typisches Netzteil der Schutzklasse I verfügt über ein Metallgehäuse und wird über eine dreipolige Netzzuleitung (Außenleiter, Neutralleiter und Schutzleiter) gespeist. Diese Anordnung verhindert gefährliche Berührungsspannungen an berührbaren leitfähigen Teilen, indem sie den Schutzleiter als Sicherheitsrückführung nutzt.

Typische Einsatzbereiche der Schutzklasse I

Schutzklasse-I-Netzteile finden vorrangig in industriellen und professionellen Anwendungen Verwendung. Dazu zählen geerdete Systeme mit Metallgehäusen wie Schalttafeln, Server-Racks oder Laborgeräte. Hier dient die Erdung nicht nur dem Personenschutz, sondern ist funktionaler Bestandteil des Gesamtsystems. Voraussetzung ist jedoch eine zuverlässige Erdverbindung. In älteren Gebäuden oder in Wohnbereichen ist die Erdung häufig unzureichend ausgeführt. In solchen Umgebungen – insbesondere in Krankenhäusern oder Heimanwendungen, in denen ein Einzelversagen schwerwiegende Folgen haben könnte – kann dies zu einem erheblichen Sicherheitsrisiko führen.

Was sind Schutzklasse-II-Netzteile?

Netzteile der Schutzklasse II verfolgen ein alternatives Sicherheitskonzept. Anstatt den Schutz durch Erdung zu gewährleisten, wird der Benutzer durch doppelte oder verstärkte Isolierung geschützt. Hierbei trennt eine mehrstufige Isolationsbarriere die stromführenden Leiter vom Gehäuse und somit vom Benutzer. Selbst ein Einzeldefekt führt daher nicht zu einer gefährlichen Berührungsspannung. Typischerweise besitzen Schutzklasse-II-Netzteile ein Kunststoffgehäuse oder eine offene Rahmenbauweise ohne berührbare leitfähige Teile. Die Netzzuleitung besteht lediglich aus zwei Adern (Außenleiter und Neutralleiter). Da kein Schutzleiter vorhanden ist, vereinfacht sich die Installation erheblich – insbesondere in Umgebungen, in denen eine zuverlässige Erdung nicht gewährleistet werden kann.

Vorteile der Schutzklasse II

Im Bereich der häuslichen Medizintechnik fordern Normen wie IEC 60601-1-11 ausdrücklich den Einsatz von Netzteilen der Schutzklasse II. Der Grund ist eindeutig: Ein Gerät, das nicht auf die Erdungsqualität der Gebäudeverkabelung angewiesen ist, bietet für Patientinnen und Patienten ein deutlich höheres Sicherheitsniveau. Dasselbe Prinzip gilt für viele Konsumgüter wie Smartphone-Ladegeräte oder Laptop-Netzteile. Die Schutzphilosophie über Isolierung allein ist einfach, robust und für diese Anwendungsfelder ideal geeignet.

Installation von Schutzklasse I-Netzteilen

Beim Einbau eines Schutzklasse-I-Netzteils muss die Schutzleiterverbindung mechanisch fest und elektrisch niederohmig ausgeführt sein. Schraubverbindungen sind mit definiertem Drehmoment anzuziehen; Lack- oder Eloxalschichten an Kontaktflächen müssen entfernt werden. Die Schutzleiterkontinuität ist im Rahmen der Systemprüfung messtechnisch zu verifizieren. In metallischen Gehäusen ist das Netzteilgehäuse elektrisch leitend mit dem Systemchassis zu verbinden, um die Schutzfunktion sicherzustellen. Eine fehlerhafte oder hochohmige Erdverbindung macht die gesamte Schutzmaßnahme wirkungslos und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar.

Installation von Schutzklasse II-Netzteilen

Netzteile der Schutzklasse II müssen vollständig galvanisch getrennt von der Schutzerdung bleiben. Jegliche unbeabsichtigte Verbindung über Befestigungsschrauben, Halterungen oder leitfähige Einbauten ist zu vermeiden. Bei Montage in metallischen Gehäusen können nichtleitende Abstandshalter erforderlich sein, um die doppelte Isolierung aufrechtzuerhalten.

Zur elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) kann unter Umständen eine funktionale Erde (FE) für Filterzwecke notwendig sein. Diese darf jedoch nicht mit der Schutzerdung (PE) verbunden werden, um die Klassifizierung als Schutzklasse II zu erhalten.

Konformitätsaspekte und Auswahlkriterien

Die Auswahl eines geeigneten Netzteils erfordert sorgfältige Analyse der technischen Datenblätter, da Formulierungen und Zulassungsangaben variieren können. Zunächst muss eindeutig feststehen, welche Schutzklasse das Gerät erfüllen soll. Im Datenblatt ist dies meist im Abschnitt „Safety Approvals“ angegeben. Weder das Gehäusematerial noch der Netzanschluss allein sind verlässliche Indikatoren – entscheidend ist die explizite Kennzeichnung als Class I oder Class II nach IEC- beziehungsweise EN-Normen.

Für Schutzklasse I muss ein Anschluss für den Schutzleiter vorhanden sein; das Datenblatt muss die entsprechende Normkonformität ausweisen. In metallischen Einbauumgebungen ist die leitfähige Verbindung des Chassis mit dem Schutzleiter zwingend vorgeschrieben. Bei Schutzklasse II ist nach dem Symbol der doppelten Isolierung (Quadrat im Quadrat) zu suchen. Das Datenblatt sollte die Erfüllung der IEC-Vorgaben zur verstärkten Isolierung bestätigen, und es darf keine Anschlussmöglichkeit für den Schutzleiter geben. Auch die Anschlusszeichnungen und Montagehinweise sollten darauf geprüft werden, dass keine unbeabsichtigte leitfähige Verbindung zum Gehäuse entstehen kann.

Die Einbausituation kann die Wahl der Schutzklasse maßgeblich beeinflussen. Wird das Netzteil in ein vollständig isolierendes Kunststoffgehäuse ohne berührbare Metallteile integriert, kann ein Schutzklasse-II-Gerät die Zertifizierung vereinfachen. In geerdeten Metallgehäusen hingegen, wo Ableitströme über den Schutzleiter geführt werden müssen, ist meist ein Schutzklasse-I-Netzteil die bessere Wahl.

Compliance-Checkliste für Anwender

Bereits in der Integrationsphase sind viele sicherheitstechnische Eigenschaften festgelegt. Entwickler können den Zertifizierungsprozess beschleunigen, indem sie sich folgende Fragen b eantworten:

  • Ist das Netzteil eindeutig als Schutzklasse I oder II gekennzeichnet, und entspricht dies dem vorgesehenen Systemdesign?

  • Wurde bei Schutzklasse I die Schutzleiterverbindung korrekt ausgeführt und überprüft?

  • Wird bei Schutzklasse II durch die Montage die doppelte beziehungsweise verstärkte Isolierung sichergestellt?

  • Liegen die Leck- beziehungsweise Berührströme innerhalb der zulässigen Grenzwerte (zum Beispiel < 70 µA Berührstrom)?

  • Entspricht das Gerät den EMV-Anforderungen der Zielumgebung, und ist ein ausreichender Prüfabstand eingeplant?

Diese Fehler vermieden

Ein verbreitetes Missverständnis ist die Gleichsetzung von UL Class 2 mit IEC Class II. UL Class 2 bezieht sich auf eine Leistungsbegrenzung der Ausgangsspannung und des Stroms zum Leitungsschutz, während IEC Class II die Art der Isolierung und des Berührungsschutzes beschreibt. Beide Klassifizierungen sind nicht austauschbar. Ebenfalls kritisch ist das Mischen von Schutzkonzepten: Wird ein Schutzklasse-II-Netzteil in einem geerdeten Metallgehäuse montiert, ohne die galvanische Trennung sicherzustellen, können ungewollte Erdpfade entstehen – die Schutzisolation wäre damit wirkungslos. Umgekehrt führt das Weglassen der Erdverbindung in einem Schutzklasse-I-System zu einem vollständigen Verlust der Schutzfunktion.

Fazit

Netzteile der Schutzklassen I und II repräsentieren zwei unterschiedliche Sicherheitsphilosophien: Schutzklasse I schützt den Benutzer durch Erdung des Systems, während Schutzklasse II durch Isolierung sicherstellt, dass eine Erdung überhaupt nicht erforderlich ist. Die Wahl hängt von der Anwendung, der Gehäuseart und der Einsatzumgebung ab. Ebenso wichtig wie die Auswahl selbst ist die korrekte Installation. Fehler in diesem Stadium können selbst das sicherste Design wirkungslos machen. Anwender müssen die Schutzklassenvorgaben verstehen und konsequent gemäß den Datenblattanforderungen umsetzen. Im Zweifel sollte stets Rücksprache mit dem Hersteller des Netzteils gehalten werden.

Bitte beachten Sie im Umgang mit verschiedenartigen Stromversorgungen: Das Verständnis ist der erste Schritt zur Sicherheit – und die beste Abwehrstrategie ist, Klarheit zu schaffen.

Bildergalerie

  • Prinzipschaltbild einer Stromversorgung nach Schutzklasse I.

    Prinzipschaltbild einer Stromversorgung nach Schutzklasse I.

    Bild: Traco

  • Prinzipschaltbild einer Stromversorgung mit doppelt isoliertem Gehäuse und interner Schutztrennung.

    Prinzipschaltbild einer Stromversorgung mit doppelt isoliertem Gehäuse und interner Schutztrennung.

    Bild: Traco

  • Die Abbildung zeigt eine Stromversorgung im Metallgehäuse mit korrekter Erdung eines Netzteils nach Schutzklasse I.

    Die Abbildung zeigt eine Stromversorgung im Metallgehäuse mit korrekter Erdung eines Netzteils nach Schutzklasse I.

    Bild: Traco

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