Floquet-Effekte in Graphen erstmals direkt nachgewiesen Lichtpulse eröffnen neue Wege für Elektronik, Sensorik und Quantencomputer

Ein physikalisches Phänomen aus den Augen der Künstlerin Lina Segerer: Das Bild „Dirac Cones I“ setzt sich mit Floquet-Zuständen in Graphen auseinander, die durch Lichtpulse erzeugt werden.

Bild: Lina Segerer
10.09.2025

Graphen gilt als Wundermaterial: Es ist dünn wie ein Atom, aber extrem leitfähig und stabil. Forschende der Universität Göttingen und ihrer Partnerinstitute haben nun erstmals direkt nachgewiesen, dass sich in Graphen sogenannte Floquet-Zustände erzeugen lassen. Damit rückt die gezielte Steuerung elektronischer Eigenschaften durch Lichtpulse in greifbare Nähe, was großes Potenzial für die Elektronik, Sensorik und Quantencomputer der Zukunft birgt.

Graphen ist ein außergewöhnliches Material – nur eine Atomlage dick, aber extrem leitfähig und stabil. Es kommt deshalb in vielen Bereichen zum Einsatz, etwa in flexiblen Displays, hochempfindlichen Sensoren, leistungsstarken Batterien und effizienten Solarzellen. Eine neue Studie hebt das Potenzial nun noch auf ein neues Level: Zum ersten Mal haben Forschende an der Universität Göttingen gemeinsam mit Kollegen aus Braunschweig, Bremen und der Schweiz direkt beobachtet, wie in Graphen sogenannte Floquet-Effekte entstehen. Das belegt, was bislang umstritten war: Floquet-Engineering – eine Methode, bei der die Eigenschaften eines Materials durch Lichtpulse gezielt verändert werden – funktioniert auch in metallischen und halbmetallischen Quantenmaterialien wie Graphen.

Mit Femtosekunden-Lichtpulsen ins Innere des Materials

Um Floquet-Zustände in Graphen experimentell zu untersuchen, nutzten die Forschenden Femtosekunden-Impulsmikroskopie. Dabei werden die Proben zunächst mit schnellen Lichtblitzen angeregt und dann mit einem verzögerten Lichtpuls untersucht, um dynamische Prozesse im Material zu verfolgen. „Unsere Messungen beweisen eindeutig, dass sogenannte Floquet-Seitenbänder im Photoemissionsspektrum von Graphen auftreten“, erklärt Dr. Marco Merboldt, Physiker an der Universität Göttingen und Erstautor der Studie. „Damit ist klar: Floquet-Engineering funktioniert tatsächlich in diesen Systemen – und das Potenzial ist riesig.“ Die Studie zeigt, dass Floquet-Engineering in vielen Materialien funktioniert. Das bringt die Forschung dem Ziel näher, Quantenmaterialien mit definierten Eigenschaften gezielt zu beeinflussen – und das mit Laserpulsen in extrem kurzer Zeit.

Materialien auf diese Weise für bestimmte Anwendungen maßzuschneidern, kann die Grundlage für die Elektronik, Computertechnik oder Sensorik der Zukunft bilden. Prof. Dr. Marcel Reutzel, der die Untersuchung in Göttingen zusammen mit Prof. Dr. Stefan Mathias geleitet hat, sagt: „Unsere Ergebnisse eröffnen neue Wege, elektronische Zustände in Quantenmaterialien mit Licht zu steuern. Das kann zu Technologien führen, bei denen Elektronen gezielt und kontrolliert manipuliert werden.“ Reutzel ergänzt: „Besonders spannend ist, dass wir so auch topologische Eigenschaften untersuchen können. Das sind spezielle, sehr stabile Eigenschaften, die für robuste Quantencomputer oder neue Sensoren wichtig sein könnten.“

Die Forschung wurde vom Göttinger Sonderforschungsbereich SFB 1073 „Kontrolle von Energiewandlung auf atomaren Skalen“ finanziell unterstützt, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird.

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