In der Getränke- und Liquid-Food-Industrie zählt nicht nur, was produziert wird – sondern vor allem wie. Wer heute Getränke, Milchprodukte oder pflanzenbasierte Alternativen herstellt, muss Prozesse hygienisch sicher, effizient und flexibel beherrschen. Hygienic Design spielt dabei eine zentrale Rolle. Es beginnt nicht erst beim Ventil, sondern zieht sich durch die gesamte Wertschöpfungskette – von der konstruktiven Auslegung über Werkstoffe und Sensorintegration bis hin zur digitalen Anlagenüberwachung.
Technisch gesehen beschreibt Hygienic Design die konsequente Gestaltung von Maschinen und Komponenten unter mikrobiologischen Gesichtspunkten. Maßgeblich sind glatte, totraumfreie Geometrien, eine Oberflächenrauheit von Ra ≤ 0,8 µm, kontinuierlich geschweißte Rohrleitungen, definierte Gefälle für vollständige Entleerung und eine lückenlose CIP- oder SIP-Reinigbarkeit. Doch in der Praxis treffen diese Anforderungen oft auf Zielkonflikte mit begrenztem Bauraum, Formatvielfalt und Kostendruck. Deshalb ist es entscheidend, Hygienic Design nicht isoliert zu betrachten, sondern als integralen Bestandteil des gesamten Anlagenkonzepts.
Engineering mit Hygieneanspruch
Ein gutes Hygienic Design beginnt im Engineering. Bereits in der Entwurfsphase helfen strömungstechnische Simulationen (CFD), potenzielle Toträume oder stagnierende Fließverhältnisse zu erkennen – lange bevor erste Bauteile gefertigt werden. Immer häufiger kommen zudem KI-gestützte Optimierungsverfahren zum Einsatz: Algorithmen analysieren Geometrievarianten, um Strömungsgüte, Entleerbarkeit und Reinigungsperformance zu maximieren. Noch steht diese Entwicklung am Anfang, doch das Potenzial ist groß: Langfristig könnten solche Werkzeuge dazu beitragen, EHEDG-konforme Designs automatisch aus CAD-Modellen abzuleiten – standardisiert, nachvollziehbar und auditfähig.
Auch die Materialauswahl erfordert Expertise: Edelstahl 1.4404/316L ist zwar Standard, doch bei aggressiven Medien oder hohen CIP-/SIP-Temperaturen sind höherlegierte Werkstoffe oder Hybridmaterialien gefragt. Für Dichtungen gelten ebenfalls hohe Anforderungen: EPDM, PTFE oder FFKM müssen chemisch beständig, FDA-konform und mechanisch stabil sein – mit minimalem Quellverhalten, um Partikelabtrag zu verhindern.
Hygienic Design zum Anfassen
Wie sich Hygienic Design in der Praxis umsetzen lässt, zeigen verschiedene Hersteller auf der Drinktec 2025. Erstmals stellt ProMinent das neu entwickelte Dosiersystem Dulcodos Compact F&B vor. Dieses System ist speziell für den direkten Lebensmittelkontakt geeignet, zum Beispiel für die Dosierung von flüssigen Aromen oder die Aufbereitung von Produktwasser für die Softdrinkherstellung. Ein weiteres Produkthighlight ist die Dosier- und Entleerungsstation Dulcodos Safe-IBC F&B, die ein sicheres Handling und eine unterbrechungsfreie, exakte Dosierung von Lebensmittelzusatzstoffen ermöglicht. Sie verfügt über ein Design ohne Toträume, ist CIP-fähig und erfüllt die EU-Verordnungen 1935/2004 und 10/2011 mit zertifizierten Komponenten – für eine hohe Lebensmittelsicherheit. Ergänzt wird das Portfolio durch die UV-Anlage Dulcodes LP TL, die Flüssigzucker effizient und thermisch schonend desinfiziert – ohne klassische Pasteurisierung.
KHS verfolgt einen systemischen Ansatz: Der SmartCan Eco by KHS/Ferrum überzeugt mit einem stark verkleinerten Hygieneraum, reduziertem Medienverbrauch und intelligenten Reinigungsfunktionen. Im Glassegment bringt KHS mit der Innoclean Cascade-D eine neue Reinigungsmaschine auf den Markt. Sie überzeugt vor allem durch einen niedrigen Energie- und Medienverbrauch sowie geringeren Platzbedarf. Ressourcenschonung wie auch hygienisches Design und vor allem Prozesssicherheit stehen darüber hinaus bei der Weiterentwicklung des etablierten Tunnelpasteurs Innopas SX im Vordergrund. Ergänzt wird dies durch digitale Services wie Line Coaching, Cloud-Anbindung und durchgängige Datenanalyse zur Reinigungsoptimierung.
Ruland Engineering & Consulting wiederum fokussiert sich auf die flexible Verarbeitung pulverförmiger Rohstoffe. Das präsentierte mobile Lösesystem nutzt den Venturi-Effekt, um selbst schwerlösliche Pulver hygienisch sicher in Flüssigprozesse einzutragen – als Vorlösung oder Direktdosierung. Eingebunden in das hauseigene Ruland Process Management System (RPMS), lassen sich Misch-, Reinigungs- und Produktionsprozesse zentral überwachen, dokumentieren und rückverfolgen. So entsteht eine durchgängige hygienische Prozesskette – vom Rohstoff bis zum Endprodukt.
Hygienisches Design wird digital
Moderne Hygienekonzepte gehen heute weit über die mechanische Gestaltung hinaus. Condition-Monitoring-fähige Komponenten wie IO-Link-Ventile, Durchflussmesser oder Füllstandssensoren liefern nicht nur klassische Prozessdaten, sondern auch Informationen zum Reinigungsstatus – etwa Temperaturverläufe, Leitfähigkeitswerte oder Reinigungszeiten. So lassen sich Reinigungszyklen dynamisch anpassen und auf Medien- oder Energieverbrauch optimieren.
Auch vorausschauende Wartung ist ein wachsendes Thema: KI-Modelle, trainiert mit realen CIP-Daten, erkennen Abweichungen im Reinigungsverhalten frühzeitig – bevor Hygieneprobleme entstehen. Gleichzeitig wächst der Wunsch nach durchgängiger Normkonformität: Die EHEDG-Zertifizierung bleibt ein wichtiger Qualitätsnachweis, stellt Hersteller aber vor die Herausforderung, neue Werkstoffe und Designs validierbar zu gestalten. Insbesondere bei innovativen Beschichtungen wie DLC oder strukturierten Oberflächen besteht weiterer Forschungsbedarf, um Reinigbarkeit und Beständigkeit unter Praxisbedingungen langfristig zu belegen.
Fazit
Hygienic Design ist heute kein Randaspekt mehr, sondern ein strategischer Faktor für sichere, nachhaltige und wettbewerbsfähige Produktion. Wer es gelingt, mikrobiologische Sicherheit, digitale Prozessführung und wirtschaftliche Effizienz zu verbinden, verschafft sich entscheidende Vorteile – sowohl regulatorisch als auch im täglichen Betrieb. Die Drinktec 2025 bietet einen einzigartigen Überblick über diese Entwicklungen – und macht deutlich: Hygienic Design ist weit mehr als sauber. Es ist smart.
Die Drinktec findet vom 15. bis 19. September in München statt.