Alternative zu Keramik Hybridleiterplatten sorgen für mehr Elektroauto-Reichweite

Mithilfe eines neuen Verfahrens können FR4-Leiterplatten anstelle von Keramik in der Leistungselektronik eingesetzt werden.

Bild: Fraunhofer ILT
30.06.2021

Wissenschaftlern ist es gelungen, ein neuartiges industrielles Fertigungsverfahren für Leistungselektronik zu entwickeln. Kostengünstige FR4-Leiterplattensubstrate lassen sich damit jetzt auch in der Leistungselektronik verwenden. Vor allem im Bereich Elektromotoren könnte das eine Marktlücke schließen.

„Stellen Sie sich einen Kupferblock mit gleicher Fläche, aber unterschiedlicher Dicke im Querschnitt vor“, sagt Projektleiter Woo-Sik Chung über das Prinzip des neu entwickelten Fertigungsverfahrens. „Je dicker der Block, desto größer die Stromübertragung. Dort, wo am meisten Strom benötigt wird, verstärken wir die Leiterplatte. An den Stellen, wo nur wenig Strom hindurchfließen muss, sparen wir Material ein.“

Mit standardisierten Herstellungsverfahren war es bislang sehr aufwendig, einzelne Bereiche gezielt so zu verdicken, dass eine geschweißte Verbindung angebracht werden kann. In dem BMWi-geförderten Projekt „CLAPE“ nahmen sich Experten des Fraunhofer ILT, Ilfa und der französischen KMU Ouest Coating in den vergangenen drei Jahren dieser Herausforderung an.

Ein Bauteil, mehrere Einsatzmöglichkeiten

„Bisher galt: Es wurde eine Leiterplatte verwendet mit dünner Metallisierung oder eine mit dicker, je nach Einsatzzweck“, erklärt Chung. Beispielsweise benötige ein Stromwandler, um Akkus in E-Autos zu laden, zur Leistungsübertragung viel Strom innerhalb eines kurzen Zeitraums. „Um ein Stromsignal an eine LED-Leuchte zu übertragen, bedarf es dagegen nur weniger Milliampere. Unser neues Fertigungsverfahren ermöglicht es, beides auf nur einer Leiterplatte gleichzeitig zu realisieren: Signal- und Stromübertragung.“

Möglich macht das die erfolgreiche Kombination zweier bewährter Prozesse. Dazu verwendeten die Forscher speziell angepasste Leiterplatten. Sie wurden per Kaltgassprühverfahren lokal nach Bedarf genau so verdickt, dass unterschiedlich starke Leiterbahnen ohne thermische Beschädigung per Laserstrahlmikroschweißen stoffschlüssig mit der Leiterplatte verschweißt werden konnten. Der Vorteil: Die dabei entstehenden Hybridleiterplatten benötigen aufgrund ihres spezifischen Aufbaus zur Signal- und Stromübertragung nicht nur weniger Platz, sondern verteilen die Energie auch wesentlich effizienter.

„Perspektivisch könnten unsere Hybridleiterplatten so mehrere Funktionen innerhalb eines Bauteils zusammenfassen“, sagt Chung. „Setzt sich das Verfahren in der Praxis durch, könnten sowohl der Bauraum für die Leistungselektronik als auch das Gesamtgewicht von E-Autos signifikant reduziert werden, was sowohl in einer höheren Reichweite als auch zu einem langfristig geringeren CO2-Ausstoß führen würde.“ Auch in Anbetracht der Tatsache, dass die benötigten Ressourcen zur Herstellung von Chips für die Leistungselektronik knapp bemessen sind, ist das eine wichtige Erkenntnis.

Potenzial für Alternativen sichtbar

Mit der höheren Effizienz geht auch eine bessere Wirtschaftlichkeit einher. Das macht die Neuentwicklung für die Industrie interessant, vor allem im Hinblick auf die kürzlich nach oben korrigierten deutschen Klimaziele. Statt weniger zentraler Stromversorger soll es dann ein dezentrales Netz vieler Energielieferanten geben. Ein weiterer zentraler Strategiebaustein ist die E-Mobilität: So könnten Batterien von E-Autos Energie künftig speichern oder bereitstellen.

„Wir haben das Projekt vor Kurzem erst abgeschlossen“, berichtet Chung. „Die Technologie ist zwar noch nicht marktreif, und bis zum praktischen Einsatz sind noch einige Anpassungen nötig. Wir konnten aber jetzt schon aufzeigen, dass es vielversprechende technologische Alternativen zu der aktuellen Situation gibt.“

Das nächste Forschungsziel ist nun, die Selektivität beim Kaltgassprühverfahren zu optimieren und die Kosten weiter zu reduzieren. Chung: „Hier haben wir noch Luft nach oben. Das zeigt uns aber auch, was für ein großes Potenzial in der Technologie steckt, sobald sie wirtschaftlich rentabel genutzt werden kann.“

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