Erneuerbare Energien sicher gewinnen Hazop-Analysen – Energiekraftwerke allseitig absichern

TÜV SÜD

Beim Bau einer kritischen Anlage zur Energiegewinnung, wie hier das Biomasse-Heizkraftwerk BioEnergie Taufkirchen, steht die Frage im Raum, ob die Anlage als funktionale Einheit (Baugruppe) auch richtig abgesichert ist.

Bild: BioEnergie Taufkirchen
29.03.2023

Bevor Biomasse-Heizkraftwerke oder Geothermie-Anlagen ans Netz gehen, müssen sie auf mögliche Gefahren und Risiken untersucht werden. Aber auch die Bedienbarkeit sollte schlüssig sein. Als flexibles Instrument der Sicherheitsbewertung sind Hazop-Analysen gut dafür geeignet – in allen Projektphasen von der Planung bis zur Fertigstellung der Anlagen.

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Der Begriff „Hazop“ setzt sich aus den beiden Wörtern „Hazard“ und „Operability“ zusammen. Gemeint sind damit „Gefahr“ und „Bedienbarkeit“. Hazop-Analysen werden bereits seit vielen Jahren im betrieblichen Risikomanagement der chemischen Industrie eingesetzt.

Ziel ist dabei, über die systematische Suche nach möglichen Störungen in einer Anlage oder in einem Prozessschritt die Sicherheit zu erhöhen, die Bedienbarkeit zu verbessern und letztendlich die Verfügbarkeit von Anlagen zu optimieren.

Alle sicherheitsrelevanten Details der Produktionsstätte werden in den Blick genommen, um potenzielle Gefahren zu identifizieren und Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Eine Bewertung solcher Szenarien wird in bestimmten Richtlinien und Regelwerken eingefordert, so etwa in der Druckgeräterichtlinie (DGRL 2014/68/EU).

Eine Hazop-Analyse untersucht zwei Arten von Gefahren: Zum einen sind es wirtschaftliche Gefahren, zum anderen mögliche Gefahren für Mensch und Umwelt. Das bezieht sich sowohl auf technische und organisatorische Risiken als auch auf mögliche Fehlbedienungen und äußere Störeinflüsse. Das Analysekonzept wird inzwischen immer häufiger im Energiesektor eingesetzt, da es auch besonders für energiewirtschaftliche Produktionssysteme ein nutz- und gewinnbringendes Instrument sein kann.

Somit werden auch Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien wie Biomasse-Heizkraftwerke oder Geothermie-Anlagen betrachtet und detailliert analysiert. Denn die stets wachsende Komplexität bei der hier eingesetzten Technik und den Verfahrensabläufen in diesem Bereich erfordert umfangreiches Wissen über die einschlägigen Gesetze und Verordnungen sowie ein entsprechendes Know-how in der Sicherheitstechnik.

Szenarien unter der Lupe

Eine Hazop-Analyse kann in den Planungsprozess eines Anlagenprojekts integriert, aber auch während der Bauphase und/oder später im Betrieb beziehungsweise bei Modernisierungen durchgeführt werden. Die Analyse findet als Gesprächsrunde statt. Teilnehmer sind interne und externe Spezialisten wie Verfahrens- und Sicherheitsingenieure sowie Konstrukteure und Techniker aus den Fachgebieten Anlagenplanung, MSR-Technik, Betrieb, Anlagenbau, Überwachung und Instandhaltung. Ein mit dem Verfahren vertrauter, unabhängiger Experte übernimmt die Moderation. Ein ebenfalls sachkundiger und Hazop-erfahrener Schriftführer hält die Ergebnisse fest.

Gemeinsam werden verschiedene Szenarien und Abweichungen unter die Lupe genommen und bewertet, an welchen Stellen kritische Störungen auftreten können. Die Beteiligten prüfen zusammen, ob vorhandene und geplante Absicherungen ausreichen und entwickeln Konzepte für Gegenmaßnahmen.

Am Ende steht eine für alle nachvollziehbare schriftliche Dokumentation und eine nach Priorität geordnete Empfehlungsliste. Wenn also die Hazop-Analyse durchgeführt und die daraus hervorgehenden Empfehlungen umgesetzt werden, können Hersteller beziehungsweise Betreiber davon ausgehen, dass das Sicherheitskonzept ihrer Anlage schlüssig ist.

Hinzu kommt, dass mit den Ergebnissen der Analyse eine solide Grundlage entsteht für die Verhandlungen und die Verträge mit Versicherungen, die Formulierungen präziser Lieferspezifikationen im Lastenheft, die Konformitätsbewertungen von Druckgeräten und Baugruppen nach DGRL sowie die spätere Inbetriebnahme der Anlage. Wegen möglicher Änderungen im Bau- beziehungsweise Umbauverlauf sollte die Hazop-Analyse nach Fertigstellung wiederholt werden. Dieses Vorgehen garantiert, dass die Studie die tatsächlich errichtete Anlage widerspiegelt.

Baugruppe auf den „Prüfstand“

Beim Bau einer Anlage werden aus EU-konformen Komponenten komplexe verfahrenstechnische Systeme erstellt. Dabei steht die Frage im Raum, ob die Anlage als funktionale Einheit (Baugruppe) richtig abgesichert ist. Hierzu folgendes Szenario: In einer Anlage sollen Druckgeräte eingebaut werden. Dazu zählen beispielsweise Dampfkessel, Druckbehälter, Rohrleitungen, Armaturen sowie Regel- und Sicherheitsventile. Nach DGRL ist die gesamte Baugruppe mit Blick auf die einzelnen Komponenten und deren Zusammenwirken zu prüfen. Gemäß Anhang 1 der Richtlinie ist der Hersteller dazu verpflichtet, eine „Bewertung von Risiken und Gefahren“ vorzunehmen.

Hier kommt die Hazop-Analyse als hilfreiches Instrument ins Spiel. Sie stellt das sicherheitstechnische Gesamtkonzept, den Zusammenbau und die funktionalen Sicherheitseinrichtungen der Baugruppe auf den „Prüfstand“. Darüber hinaus kann der Arbeitsschutz, der Brand- und Explosionsschutz sowie der Gewässer- und Nachbarschaftsschutz betrachtet und bewertet werden. Zudem unterstützt die Hazop-Analyse dabei, sicherheitsrelevante Schaltungen festzulegen. Dazu gehören beispielsweise Einrichtungen der Prozessleittechnik (PLT) mit Safety Integrity Level (SIL) auf Basis der Normen IEC 61508/511 und VDI/VDE 2180.

Beispiel einer Hazop-Analyse

Wie Hazop-Analysen ablaufen, soll anhand des folgenden Beispiels aufgezeigt werden: In den Jahren 2020 und 2021 wurde das Biomasse-Heizkraftwerk BioEnergie Taufkirchen modernisiert. Die Stadtwerke München (SWM) als Betreiber des Kraftwerks beauftragten die TÜV Süd Industrie Service, bei der Modernisierung der beiden Kesselanlagen und des angeschlossenen Fernwärmesystems die Hazop-Analysen durchzuführen und im Anschluss die Anlagensicherheit zu prüfen.

Die Anlage verwertet pro Jahr etwa 85.000 Tonnen Holz (Hackschnitzel, Grünschnitt, Rinde und Altholz der Klasse A1), das im Wesentlichen aus der Region stammt. Das Kraftwerk besitzt zwei Linien mit je einer Feuerungs- und Kesselanlage sowie Rauchgasreinigungen. Beide Kessel speisen eine Gegendruck-Dampfturbine und einen Heizkondensator.

Die Hazop-Analysen betrafen beide Linien des Kraftwerks. An der Linie 1 standen im Fokus der Gesprächsrunden potenzielle Anomalien bei Druck und Temperatur in der Feuerungskammer und der Kesselanlage, beim Durchfluss in der Rauchgasreinigung (Economiser) und beim Füllstand im Aschesystem.

Die Feuerungskammer ist bei der Anlage im Abhitzekessel integriert. Der Economiser dient zur Vorwärmung des Kesselspeisewassers und des Fernwärmewassers, das den Abgasen zur Verbesserung des Wirkungsgrades zusätzlich Wärme entzieht. Mithilfe eines Leitgedankens – zum Beispiel „Es herrscht eine zu hohe Temperatur im Kessel“ – wurde die Hazop-Gesprächsrunde eröffnet.

Als infrage kommende Ursache wurde eine „Fehlerhafte Wasserkühlung“ besprochen und als mögliche Auswirkungen „Versagen der Wandungen“ und „Personengefährdung“ identifiziert. Im weiteren Verlauf kamen Gegenmaßnahmen wie beispielsweise der „Einbau eines Sicherheits-Temperaturbegrenzers“ und Empfehlungen wie „Prüfen, ob die Auskleidung des Brennraums für mehr als 1.200 °C ausgelegt ist“ hinzu.

An der Linie 2 wurden ebenso die Prozessparameter Druck, Temperatur, Durchfluss und Füllstand untersucht. Dazu kamen verschiedene Betrachtungen am angeschlossenen Fernwärmenetz des Kraftwerks, das mit der benachbarten Geothermie-Anlage des Betreibers GeoEnergie Taufkirchen verbunden ist. Besprochen wurden verschiedene Szenarien: zu hoher oder zu niedriger Druck an der Geothermie-Pumpe beziehungsweise Temperaturspitzen oder -senken beim Geothermie-Wärmetauscher.

Auch die hydraulische Weiche mit ihren Fernwärmepumpen war Gegenstand einer Hazop-Analyse. Die hydraulische Weiche entkoppelt den Kesselkreislauf vom Verbraucherkreislauf des Fernwärmenetzes, damit die in beiden Kreisläufen vorhandenen Pumpen mit ihren unterschiedlichen Druck- und Volumenstromparametern sich nicht gegenseitig negativ beeinflussen und gegebenenfalls sogar Schaden nehmen. Ein Leitgedanke war „Hoher Druck, schlagartig“. Als Ursache wurde ein „schlagartiger Pumpenausfall“ und als mögliche Auswirkung „Druckstoß im Rücklaufsystem“ benannt. Die Gegenmaßnahme lautete hier: „Freilaufleitung um Pumpe installieren“.

Ein Aufwand, der sich lohnt

Hazop-Analysen können je nach Komplexität der Anlage einen Tag bis mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Doch der Zeitaufwand und die damit verbundenen Investitionen zahlen sich aus, weil von Anfang an alle Eventualitäten in den Blick genommen werden. So kommt es nicht zu unliebsamen Überraschungen, die aus den Vorschriften, der Herstellung, der Übergabe an den Betreiber, der Inbetriebnahme und den auftretenden Mängeln im laufenden Betrieb entstehen können.

Das frühzeitige Einbinden der prüfenden Institution vereinfacht und beschleunigt den Projektablauf in allen Phasen: von der Planung, über die Hazop-Analyse und die Konformitätsbewertung als Baugruppe bis hin zur Inbetriebnahme der Anlage. Am Ende spart das Vorgehen Herstellern, Betreibern und der prüfenden Stelle viel Zeit und Ärger, da mögliche Probleme frühzeitig in den Hazop-Gesprächsrunden thematisiert und gelöst werden.

Bildergalerie

  • Dipl.-Ing. Florian Kraus, Sachverständiger gemäß §29b BImSchG für Anlagensicherheit und Störfallvorsorge, TÜV Süd Industrie Service

    Dipl.-Ing. Florian Kraus, Sachverständiger gemäß §29b BImSchG für Anlagensicherheit und Störfallvorsorge, TÜV Süd Industrie Service

    Bild: TÜV SÜD Industrie Service

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