Potenzial für Supraleitung und Energiespeicherung Dem metallischen Wasserstoff näher als je zuvor

Durchbruch bei Hochdruckexperimenten: Forscher identifizieren mögliche Übergangsphase zu metallischem Wasserstoff.

Bild: iStock, style-photography
19.05.2025

Seit fast 90 Jahren suchen Forschende nach dem metallischen Zustand des Wasserstoffs – bislang ohne eindeutigen Nachweis. Einem internationalen Team ist nun ein wichtiger Schritt gelungen: Mit hochpräzisen Röntgenexperimenten konnten sie erstmals die Struktur einer festen Phase beobachten, die als Vorstufe des metallischen Wasserstoffs gilt. Die Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven für die Hochdruckforschung und für künftige supraleitende Materialien.

Normalerweise ist Wasserstoff ein farbloses Gas. Unter ultrahohem Druck sollte das einfachste aller Elemente jedoch in einen festen, metallisch leitenden Zustand übergehen. Seit Jahrzehnten gilt dieser metallische Wasserstoff als eines der wichtigsten Ziele der Hochdruckforschung, doch schlagende Beweise für seine Existenz stehen bislang aus. Jetzt ist chinesischen Forschern mit Unterstützung von Experten an der Röntgenstrahlungsquelle PETRA III bei DESY in Hamburg ein entscheidender Schritt gelungen. Bei einem Druck von mehr als zwei Millionen Erdatmosphären konnten sie erstmals die Hochdruckstruktur von Wasserstoff beobachten, die als Vorstufe von metallischem Wasserstoff gelten kann. Weitere Messungen wurden an Röntgenquellen in Chicago und im schwedischen Lund durchgeführt.

Auf dem Weg zum metallischen Wasserstoff

Bereits 1935 wurde metallischer Wasserstoff theoretisch vorhergesagt. Seitdem versuchen Forschende weltweit, diesen exotischen Zustand experimentell zu erreichen. Seine Bedeutung könnte enorm sein: Metallischer Wasserstoff sollte bei Raumtemperatur supraleitend sein, also elektrischen Strom verlustfrei leiten. Auch als hochkompakte Energiespeicher und effizienter Treibstoff für die Raumfahrt wird er diskutiert.

„Es gibt bereits einige Hinweise, dass molekularer Wasserstoff bei einem Druck von über vier Millionen Atmosphären metallisch wird“, sagt Hauptautor Cheng Ji, Physiker am Forschungszentrum HPSTAR in Peking. „Doch bislang mangelte es an experimentellen Nachweisen, mit denen sich die Kristallstruktur von Wasserstoff unter diesen Extrembedingungen bestimmen lässt.“ Denn entsprechende Experimente sind äußerst anspruchsvoll. Im Prinzip gelingt es der Fachwelt zwar schon lange, Wasserstoff unter Druck zu setzen. Dazu wird er zwischen zwei Diamantstempel eingezwängt und derart stark zusammengepresst, dass das Gas zunächst flüssig und dann fest wird. Dann durchleuchtet ein gebündelter Röntgenstrahl die Probe und enträtselt die Kristallstruktur des komprimierten Wasserstoffs. Röntgenstreuung, so nennt sich das Verfahren.

Doch bei den Extremdrücken, die es für die Erzeugung von metallischem Wasserstoff brauchen dürfte, stößt diese Technik an ihre Grenzen. „Unter millionenfachem Atmosphärendruck sind die Proben winzig, im Bereich von einem Mikrometer“, erläutert DESY-Physiker Konstantin Glazyrin. „Und da Wasserstoff als leichtestes aller Elemente Röntgenstrahlung nur sehr schwach streut, ist es äußerst schwierig, brauchbare Messwerte zu gewinnen.“ Zudem erzeugen die Diamanten selbst ein starkes Hintergrundrauschen durch sogenannte Compton-Streuung.

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Um dennoch verlässliche Daten gewinnen zu können, musste das Team seine Messstation P02.2 über Jahre verbessert. „Wir haben eine hochpräzise Vorrichtung entwickelt, die die Wasserstoffprobe mit einer Genauigkeit von weniger als einem Mikrometer halten kann, während sie im Röntgenstrahl rotiert“, erklärt Glazyrin. „Und um die Probe gezielt durchleuchten zu können, mussten wir den Röntgenstrahl aus PETRA III stark bündeln und formen.“ Dieser verbesserte Aufbau erlaubte es, die extrem schwachen Streusignale der Wasserstoff-Einkristalle aufzufangen und Rückschlüsse auf die kristalline Ordnung im Innern des komprimierten Festkörpers zu ziehen.

Wichtige Zwischenstufe zu einem neuen Materiezustand

Das Resultat: Bei 220 Gigapascal, dem 2,2-Millionenfachen Atmosphärendruck, identifizierten die Fachleute erstmals eine Struktur von Wasserstoff, in der sich Hinweise auf eine beginnende Polymerisation zeigen – eine Umordnung der Wasserstoffmoleküle zu größeren Einheiten. Dabei konnten sie Reflexe in den Beugungsbildern beobachtet, die auf spezifische Veränderungen der Kristallsymmetrie hindeuten, was die Forschenden als Vorzeichen für eine bevorstehende Metallisierung deuten. Ergänzend kamen Computersimulationen der Molekulardynamik zum Einsatz. Mit ihnen ließ sich rekonstruieren, wie sich die Elektronenladungen im Kristall verteilen.

Auch wenn der metallische Zustand noch nicht erreicht ist, bringen die Experimente das Verständnis der Zwischenphasen ein gutes Stück voran. „Wir verstehen nun besser, wie sich die Protonen im Kristall verhalten“, sagt HPSTAR-Forscher Ho-Kwang Mao. „Das gibt Hoffnung, dass der metallische Zustand tatsächlich erreichbar ist – und wir wissen nun genauer, wie das vielleicht passiert.“ Um sich dem Ziel zu nähern, will das Team die Diamantstempelzelle künftig per aufwändiger Technik kühlen. Das sollte das Versagen der Diamanten hinauszögern, wodurch sich noch höhere Drücke erreichen lassen dürften als bisher.

Große Fortschritte könnte PETRA IV bringen, die geplante Nachfolgerin von PETRA III. Die neue Röntgenquelle wird bis zu 200-mal mehr Intensität und deutlich feinere Strahlen liefern. „Damit können wir künftig in noch extremere Bereiche vordringen“, sagt Glazyrin. „Denn je höher der Druck, umso kleiner wird die Probe.“ Um dennoch Messdaten gewinnen zu können, braucht es die deutlich stärkere und feinere Röntgenstrahlung von PETRA IV.

Sollte die Fachwelt die Existenz von metallischem Wasserstoff irgendwann beweisen, könnte das spannende Anwendungen inspirieren. „Dieser Wasserstoff ist womöglich bei relativ hohen Temperaturen supraleitend, kann also Strom verlustfrei leiten“, sagt Cheng Ji. Zwar ließe er sich wegen der enormen Drücke nicht direkt in der Technik einsetzen. Allerdings könnte er als eine Art Prototyp für neuartige Hochtemperatur-Supraleiter dienen, die unter anderem zur Entwicklung effizienterer Technologien eingesetzt werden könnten.

Bildergalerie

  • Repräsentative Wasserstoffstruktur aus der Molekulardynamiksimulation, die die atomare Anordnung in einer neu identifizierten Phase unter simulierten Bedingungen zeigt. Blaue Kugeln stellen frei rotierende Wasserstoffatome dar. Die H₂-Trimer-Einheiten, also molekulare Strukturen, die aus drei Wasserstoffmolekülen (H₂) bestehen und die ein wabenförmiges Muster bilden, in Lila dargestellt sind.

    Repräsentative Wasserstoffstruktur aus der Molekulardynamiksimulation, die die atomare Anordnung in einer neu identifizierten Phase unter simulierten Bedingungen zeigt. Blaue Kugeln stellen frei rotierende Wasserstoffatome dar. Die H₂-Trimer-Einheiten, also molekulare Strukturen, die aus drei Wasserstoffmolekülen (H₂) bestehen und die ein wabenförmiges Muster bilden, in Lila dargestellt sind.

    Bild: HPSTAR

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