Die Windenergie als Rückgrat der Energiewende „Wir müssen den verlorenen Zubau nachholen.“

Hermann Albers wurde 1960 geboren und ist in Simonsberg bei Husum aufgewachsen. Seit den 1980er Jahren ist er erfolgreich als Landwirt tätig. Der Einstieg in die Windenergie erfolgte 1989 mit der Planung von Windkraftanlagen. Er zählt zu den Mitinitiatoren des Offshore-Windparks Butendiek und des BZEE Bildungszentrums für erneuerbare Energien. Zudem hat er die Messe New Energy ins Leben gerufen. 1996 bis 1998 war er geschäftsführendes Vorstandsmitglied im Bundesverband Windenergie (BWE) und 1998 bis 2007 dessen Vizepräsident. Von 2007 bis 2013 und seit 2014 ist er der Präsident des Bundesverbands. Zudem begleitet er das Amt des Vize-Präsidenten im Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE).

Bild: Bundesverband Windenergie
08.09.2020

Die Windenergiebranche befindet sich im vierten schwierigen Jahr hintereinander. Die Zubauzahlen sind weit außerhalb des Zielkorridors. Künftig setzt man auf höhere Anlagenleistungen und arbeitet an einem neuen Marktdesign mit den Erneuerbaren im Zentrum.

Hermann Albers ist mit diesem Beitrag im Energy 4.0-Kompendium 2020 als einer von 50 Machern der Energiebranche vertreten. Alle Beiträge des Energy 4.0-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen.

Ungeduldig und kritisch sind zwei Adjektive, die man in letzter Zeit häufiger benutzen musste, um den Umgang der Windenergiebranche mit der aktuellen Energiepolitik zu beschreiben. „Wir sind nicht zufrieden, wie die Regierungskoalition in den letzten beiden Jahren die Energiewende betreibt“, macht Hermann Albers unmissverständlich klar. Für den Windkraftpionier und Präsident des Branchenverbands BWE ist die Energiewende am Point of no Return angekommen. „Ein Zurück zu Kohle und Atom gibt es nicht“, sagt Albers. Umso problematischer ist es, dass der Ausbau von Wind und PV weit hinter den energie- und klimapolitischen Erfordernissen zurückbleibt.

Zielsetzung

Aktuell sieht der BWE etwas Licht am Ende des Tunnels. In den ersten fünf Monaten des Jahres wurden Genehmigungen für 220 Anlagen mit rund 880 MW Leistung registriert. Bis Jahresende könnten es vielleicht 2200 MW werden. „Für den energie- und klimapolitischen Zubau von mindestens 4500 MW ist das noch deutlich zu wenig“, stellt Albers fest. Beim realen Zubau deutet sich an, dass bis Ende 2020 etwa 1300 MW Zubau erreichbar sind, bei einem Zielkorridor der Bundesregierung von 2800 MW. „Dies ist weiter dramatisch, wenn auch leicht besser als 2019“, sagt Albers. Beim BWE setzet man darauf, dass der deutsche Windenergiemarkt auch langfristig wieder anzieht. Der oberste Verbandsvertreter fordert: „Wir müssen den verlorenen Zubau der Jahre 2017 bis 2020 nachholen, den Ersatz der Bestandsanlagen durch effiziente neue Anlagen durchsetzen.“ Das Ziel lautet, bis 2050 mit gut zwei Prozent der Fläche in jedem Bundesland auf insgesamt 200 GW installierte Leistung zu blicken. Dabei hilft der Leistungszuwachs der installierten Windräder. Nach aktuellen Erkenntnissen des Verbands kommen die heute genehmigten Anlagen im Durchschnitt auf 4 MW, während es im Bestand nur 1,8 MW sind. Interessant ist dies insbesondere für das Repowering, für das der BWE Erleichterungen bei der Genehmigung einfordert. „Dann werden im Jahr 2050 nur wenig mehr Anlagen als jetzt stehen, mit denen sich aus heutiger Sicht 770 TWh Strom erzeugen lassen“, prognostiziert Albers, der bereits 1989 seine erste Windenergieanlage geplant und gebaut hat. Offshore wird das Potenzial auf 54 bis 57 GW verortet. Dank höherer Vollaststunden sind die Windräder auf dem Meer in der Lage, sogar 246 TWh zu liefern. Damit ist für den BWE-Chef klar: „Die Windenergie ist das Rückgrat der Energiewende.“

Bedarf

Neben technologischen Fortschritten rücken auch marktliche Veränderungen in den Blick. Der Bedarf hat sich besonders deutlich während der Corona-Pandemie offenbart. Aufgrund des geringen Strombedarfs haben Erneuerbare über lange Phasen mehr als 70 Prozent des Benötigten gestemmt. Der BWE-Präsident, der noch heute Anlagen entwickelt und betreibt, schließt daraus: „Wir brauchen ein anderes Strommarktdesign.“ Die Vorstellung geht dahin, dass dieses um die Erneuerbaren herum organisiert ist. Dies soll die Refinanzierung notwendiger Investitionen in den Zubau gewährleisten.

Mit Unsicherheiten hat die Windbranche eigentlich von Anfang an zu kämpfen, wie Albers erzählt. So sei er in den 1980er Jahren als einer der ersten Windmüller und junger Landwirt aus Idealismus und mit einer Portion Unbefangenheit in die Windbranche eingestiegen, obwohl nicht klar war, ob sich dies wirklich rechnet. Die Überzeugung, das Richtige zu tun habe ihn getrieben und es etwas leichter gemacht, das Lehrgeld zu zahlen, gerade in den Anfangsjahren. „Aber der Mut hat sich gelohnt“, bilanziert Albers, dessen Sohn heute den Hof bei Husum bewirtschaftet. Er selbst spannt gerne im kleinen Ferienhaus an der Ostküste Schleswig-Holsteins aus.

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